#48 Die Dämonen der Nacht

1.5K 96 3
                                    

POV Lucrezia Villani

*klopf klopf klopf* Ich horchte in die Dunkelheit. Hatte da gerade jemand an meine Tür geklopft? Nein, es war vollkommen still. Vielleicht hatte ich nur geträumt. *klopf klopf* Nein, da war es wieder. Da war jemand. Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu orientieren und um zu kapieren, dass wir ja auf einem Schulausflug waren. Ein Blick auf mein Handy zeigte mir, dass es beinahe vier Uhr morgens war. Wer wollte um diese Uhrzeit bitte etwas von mir? Genervt stöhnte ich auf, schlug die angenehm warme Daunenbettdecke zur Seite und versuchte, die Kälte zu ignorieren, die meine bloßen Beine sogleich zum Erzittern brachte. Ich streifte mir schnell eine Jogginghose und ein T-Shirt über und stolperte dann verschlafen zur Tür. Egal wer mich da weckte, derjenige hätte besser einen guten Grund dazu, ansonsten würde diese Person morgen die Konsequenzen tragen müssen. Man weckte eine Lucrezia Villani nicht mitten in der Nacht. Nicht grundlos.

Ich entriegelte die Tür und zog sie vorsichtig auf, doch was ich da sah, brachte meinen Atem zum Stocken. Vor mir stand Tina, die vollkommen überfordert aussah und mit bebender Stimme zu reden begann: „Frau Professor, es tut mir leid, dass ich Sie wecke, aber es geht um Lexi. Sie... Sie ist ganz unruhig und ich bekomme sie nicht wach! Sie wälzt sich in ihrem Bett hin und her und schreit und schwitzt, ihr scheint es überhaupt nicht gut zu gehen. Ich dachte, Sie könnten ihr vielleicht helfen, immerhin..." Ich ließ sie gar nicht erst ausreden, sondern zwängte mich an ihr vorbei und machte mich schnellen Schrittes auf den Weg zu deren Zimmer. Ich hörte noch, wie Tina mir folgte, dann drückte ich die nur angelehnte Tür auch schon auf und sobald ich um die Ecke war, sah ich bereits, wie meine Freundin halb heulend und winselnd im Bett lag. Sie schlief offensichtlich noch, doch ich wusste genau, was das Problem war: Ihre Albträume hatten sie wieder eingeholt. Es war jetzt so lange gut gewesen, dass wir beide schon gedacht hatten, sie hätte dieses Trauma endlich überwunden, doch da hatten wir uns offenbar geirrt. Ich trat auf das Bett zu und sprach mit beruhigender Stimme: „Hey Lexi, ich bin's, Lucrezia... Deine... deine Freundin. Wach auf, du träumst..." Ich rüttelte sie leicht an ihrer Schulter und das erfüllte zum Glück seinen Zweck, denn kurze Zeit später saß sie aufrecht im Bett und atmete schwer. Ich rückte ein Stück näher an sie ran und hielt sie einfach nur fest in meinen Armen, während ich weiterhin beruhigende Worte sprach, um sie in die Realität zurückzuholen. Irgendwann flachte ihr Atem dann auch endlich wieder ab und wurde regelmäßiger. Auch die Schweißperlen auf ihrer Stirn wischte ich ihr mit meinem Ärmel weg und während ich so durch ihre Haare strich, blickte ich zu Tina, die das Geschehen die ganze Zeit über gebannt von der Garderobe aus verfolgt hatte. Ich hatte sie vorhin völlig ausgeblendet, war nur auf meine Freundin fixiert gewesen. Jetzt begann auch Lexi zu sprechen: „Es tut mir leid. Es war nur wieder ein Traum, doch er fühlte sich so echt an... Ich weiß ja auch nicht, was schon wieder mit mir los ist..." Ich stellte mir die gleiche Frage, doch antwortete meiner Schülerin nur: „Ist schon gut. Ich bin ja da. Und Tina auch. Wir lassen dich nicht hängen, keine Sorge..." Lexi lächelte vorsichtig und sah dann zu mir auf: „Sicher nicht? Ich habe einfach solche Angst, dich eines Tages zu verlieren..." Als sie das ausgesprochen hatte, wurde mir bewusst, dass es mir genauso ging, doch ich konnte ihr einfach nicht versprechen, dass wir eine gemeinsame Zukunft hätten. Es könnte so schnell gehen und alles wäre aus... „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, dass das nicht passiert, Tesoro. Ich liebe dich." Sie schmiegte sich noch näher an mich.

„Ihr beiden seid so unglaublich süß, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen!", entfuhr es Tina plötzlich, der ihre Aussage im nächsten Moment ein wenig peinlich zu sein schien, doch ich lächelte ihr freundlich zu. „Ich habe wirklich lange versucht, Lexi zu wecken, bevor ich beschlossen habe, Sie zu holen und Sie kommen rein, sagen ein paar Worte und haben die Situation im Griff. Ich bin fast eifersüchtig", schmunzelte sie dann ein wenig sicherer, was mein Lächeln nur noch breiter werden ließ. „Sie hat ja auch schon Übung darin", antwortete Lexi nun seufzend und ich streichelte wieder ihre Haare. „Das wird schon irgendwann aufhören. Jetzt ist die Phase, in der es dir gutging, auch schon echt lang gewesen. Vielleicht ist das ja genau das, woran man merkt, dass es besser wird. Ich rede mal mit meiner besten Freundin, die ist immerhin Therapeutin und kann mir da sicher etwas dazu sagen", erklärte ich noch zuversichtlich und Lexi nickte zufrieden. Langsam aber sicher fielen ihre Augen dann aber auch schon wieder zu und ich wollte sie nicht daran hindern, noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. So legte ich sie sanft zurück in ihr Kissen, deckte sie zu, gab ihr einen letzten Kuss auf die Stirn und erhob mich von ihrer Seite des Bettes. Das schien sie alles nur noch am Rande mitbekommen zu haben, denn kurze Zeit später schlief sie auch schon wieder tief und fest. Ich wandte mich Tina zu, die ihre Position noch immer nicht geändert hatte und meinte: „Danke, dass du mich geholt hast. Sollte das nochmal passieren, zögere nicht, mich wieder zu wecken, okay?" Sie nickte und entgegnete mir: „Mach ich, darauf können Sie sich verlassen." Mir fiel erst jetzt auf, wie falsch es sich anhörte, wenn sie mich in solch einer Situation siezte und so meinte ich kurzerhand: „Wenn du möchtest, kannst du mich, wenn niemand in der Nähe ist, gern duzen. Du bist immerhin die beste Freundin meiner Freundin, also sollte das in Ordnung sein." Ich versuchte es sogar mit einem Lächeln, das wirklich von Herzen kam und Tina erwiderte strahlend: „Sehr gerne, Lucrezia."

In you I found remedyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt