#32 Sie?!

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POV Lexi Falkner

Ich war so aufgeregt. Morgen würde ich mit Lucrezia packen und dann ginge es auch schon nach Italien. Ich liebte dieses Land, doch noch mehr diese Frau. Nur der Gedanke an unsere gemeinsame Zeit ließ mein Herz höherschlagen. Gerade hatte ich mit Tina und Tobi die Schule verlassen und Tina verabschiedete sich von ihrem Freund, als sie plötzlich an mich gewandt meinte: „Und wie wirst du deine Herbstferien verbringen?" Ich hatte geahnt, dass diese Frage irgendwann kommen würde und mir dementsprechend bereits überlegt, was ich antworten sollte. Ich hatte recht lange mit mir gehadert, doch bin dann zum Schluss gekommen, dass ich meiner besten Freundin zumindest anvertrauen konnte, dass ich mit meiner ihr nach mysteriösen Unbekannten in die Toskana fahren würde. „Ich bin in Italien. In der Toskana, um genau zu sein." Sie riss die Augen auf: „Alleine?!" Dann lächelte ich verschmitzt und sie verstand sofort: „Doch nicht mir ihr, oder?!" „Doch, sie hat mich gefragt, ob ich mitkommen möchte und ich habe Ja gesagt. Und du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue, Tina!" Meine beste Freundin schien das kaum glauben zu können: „Als ob! Deshalb bist du schon seit Tagen so happy! Aber du sagtest doch immer, das dürfte niemand erfahren... Willst du mir denn nicht endlich verraten, was das Problem wäre, wenn es jemand weiß? Also auf deiner Seite ist mir klar, dass du das nicht willst, weil du ungeoutet bist, doch du meinst immer, sie würde in Schwierigkeiten kommen. Ist sie Geheimagentin oder Pfarrerin oder sowas? Vielleicht streng katholisch?" Ich musste schmunzeln über ihre Vermutungen, auch wenn ich Angst hatte, sie würde durch diese Fragerei irgendwann der Wahrheit zu nahe kommen. Ich drehte mich ein wenig weg und mein Blick traf auf einmal direkt auf den der besagten Frau, die in ihrem Audi R8 saß und mich scheinbar beobachtet hatte. Ich lächelte automatisch, was sie erwiderte, doch dann riss ich mich sofort wieder zusammen, als ich bemerkte, dass Tina meinen Blick fragend verfolgte. „Was ist?", wollte sie wissen und ich wusste, jetzt müsste eine Ausrede her, so ungern ich sie auch anlog. „Ich finde dieses Auto einfach so cool! Dass die mit sowas rumcruist, hätte ich ihr nicht zugetraut...", versuchte ich in einem ein wenig abfälligeren Tonfall nachzuwerfen, was Tina wohl mit einem Mal von ihrer heißen Spur in die Arktis katapultierte. Recht war es mir, denn wenn ich es ihr sagen würde, würde mich Lucrezia vermutlich umbringen oder noch schlimmer, all das beenden, was wir uns illegalerweise aufgebaut hatten. Es war eben einfach besser so, auch wenn ich mir manchmal nur die Schulter meiner besten Freundin herbeisehnte, um mich über diese schwierige Situation auszuheulen.

Heute war endlich Freitag und wir würden uns gleich nach der Schule zum Packen treffen. Lucrezia hatte mich gestern Abend noch angerufen und gebeten, meiner Mutter zumindest Bescheid zu geben, dass ich eine Woche mit einer Freundin in Italien sei. Ich hatte mich dazu überreden lassen und hatte wirklich getan, wie sie mir gesagt hatte. Zuerst war meine Mama überrascht gewesen, dass ich mich nach knapp zwei Wochen absoluter Funkstille wieder meldete, dann hatte sie mich gebeten, vorbeizukommen, um zu reden, doch ich hatte abgeblockt. „Ich wollte nur, dass du nicht die Polizei rufst, weil du meinst, ich sei plötzlich ganz verschwunden. Das heißt jedoch nicht, dass ich dir verzeihe und einfach so all das, was du mir aus unerfindlichen Gründen angetan hast, vergesse. Sollte das überhaupt mal passieren, dann bestimmt nicht so bald... Ich brauche Zeit für mich...", das waren meine Worte gewesen, mit denen ich mich von ihr verabschiedet und aufgelegt hatte. Sie dachte doch wohl nicht wirklich, dass ich einfach nach Hause kommen und ihr in die Arme fallen würde, dafür, dass sie mich nicht nur drei Jahre lang belogen, sondern auch meiner Turnkarriere im Wege gestanden hatte. Ich hatte mit Lucrezia nach der Prüfungsphase zwar wie gewohnt weitertrainiert und war echt schon gut, ich kam wieder hinein, das merkte ich, doch die drei fehlenden Jahre könnte mir niemand mehr zurückgeben. Die waren verloren, egal wie sehr wir kämpften. Während unserer Trainingseinheiten verhielten meine Lehrerin und ich uns beide nämlich stets professionell, denn abgelenkt würde dies zu nichts führen, das hatten wir bereits zu Beginn geklärt. Geräteturnen war ein Sport, der vollste Konzentration forderte und diese in weiterer Folge auch förderte, weshalb es mir wirklich gelang, ihre Anwesenheit als die Frau, für die ich etwas empfand, auszublenden und sie stattdessen als die Frau, die mir half, meine Ziele zu erreichen, zu sehen. Dass Zweiteres eigentlich eine tolle Basis für eine Beziehung war, verdrängte ich sofort wieder, denn ich wollte mich einfach auf das einlassen, was kommen würde und mich nicht in etwas verrennen, was womöglich nach dieser gemeinsamen Woche nicht mehr so verlockend glänzte wie im Moment.

In you I found remedyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt