Ich starrte in das Feuer und sah dabei zu wie die Flammen über die Holzscheite leckten. Ab und zu knackte es und Funken stiegen in den glasklaren Himmel aufstiegen; dorthin, wohin wir ihnen nicht folgen konnten. Und das, obwohl wir Flügel hatten.
Ich saß zusammen mit Lex, Benson und Caden an dem Lagerfeuer. Jeder einzelne hing seinen eigenen Gedanken nach und ertrug die erdrückende Hoffnungslosigkeit, die sich über das Lager gelegt hatte, seit wir von den „Verhandlungen" mit den Nigreos zurückgekehrt waren. Caden hatte den Vormittag damit verbracht dem Général zu erklären, was passiert war, und anschließend seine Wachschicht hinter sich gebracht. Benson und ich hatten auf dem Trainingsplatz trainiert, wobei wir kein einziges Wort gesprochen hatten, und ich hatte Jules bereitwillig meinen Lieblingsplatz auf den Klippen überlassen. Seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen, aber niemand wagte es ihn in seiner Einsamkeit zu stören.
Zu meiner Überraschung machte uns niemand Vorwürfe. Vielleicht auch, weil wir uns selbst schon genügend Gedanken machten. Selbst, wenn wir eigentlich nichts für unser Versagen konnten. Wir hätten nicht ahnen können, dass die scheinbar sanftmütige Eve in Wahrheit der Kopf hinter den Nigreos war, die Ailés wegen ihrer Flügel jagten und versuchte einen Krieg auszulösen, um in dessen Zug die Menschheit zu unterjochen. Ich musste ihr zugestehen, dass sie die Rolle des armen, schüchternen Spottmädchens wirklich gut gespielt hatte. Keiner von uns hatte auch nur die geringste Ahnung gehabt. Am wenigsten Jules.
Das alles änderte jedoch nichts daran, dass wir alle dem Tode geweiht waren. Langsam aber sicher ging das Lager in die Knie. Die Essensrationen waren kleiner geworden, was nur bedeuten konnte, dass die Nahrungsmittel knapp wurden. Der Hunger wurde von Stunde zu Stunde präsenter und auf immer mehr Gesichtern spiegelte sich die pure Verzweiflung. Es war die reinste Qual.
Lex strich mir über die Haare. Eine winzige Geste, die mich wohl aufheitern sollte. Nach seiner Schicht, die er zusammen mit Caden abgeleistet hatte, war er ebenfalls gekommen und hatte mir fürsorglich meinen Umhang um die Schultern gelegt. Jetzt saß er auf dem Baumstamm neben mir, während ich mich auf dem Boden niedergelassen hatte und meinen schweren Kopf gegen sein Knie lehnte. Obwohl ich in den letzten Jahren gelernt hatte alleine zurecht zu kommen, war es schön meinen großen Bruder um mich zu haben, der zumindest versuchte mir Halt zu geben. Einfach einmal die kleine Schwester zu sein, auf die er aufpasste.
Caden sah immer wieder zu uns herüber und ich hegte den Verdacht, dass er gerne an der Stelle seines besten Freundes gewesen, aber wir hatten uns darauf geeinigt das zwischen uns erst mal geheim zu halten. Insbesondere nach diesem Tag hatte ich dafür einfach keine Nerven.
Eine weitere Person trat in den Schein des Lagerfeuers. Jules war genauso blass wie heute Mittag, aber er schien nicht mehr wütend zu sein. Eher erschöpft. Plump ließ er sich auf dem Baumstamm neben seinen Bruder fallen und richtete sein Blick ebenfalls ins Feuer.Ich war die einzige, die sich traute ihn anzusprechen. „Wie geht es dir?" In der Frage schwang kein Mitleid und auch kein Vorwurf mit. Sie war vollkommen neutral gestellt, was vermutlich der Grund war, warum er mir antwortete.
„Müde. Und ich will hier raus. Am liebsten würde ich mir Texas schnappen und einfach davonreiten."
Verständnisvoll nickte ich. Mir ging es ähnlich.
Der Sergent fuhr sich über das Gesicht, dann sah er uns an. „Seid ehrlich, habt ihr etwas geahnt? War ich der einzige, der auf sie reingefallen ist?"„Nein", sagte Caden fest, „Sie hat uns genauso überrumpelt wie dich. Für das hier" Er schloss das gesamte Lager mit seiner Handbewegung ein. „kannst du nichts."
„Warum habe ich dann trotzdem das Gefühl, dass die Belagerung allein meine Schuld ist?", fragte er mit gequälten Gesichtsausdruck.
„Selbst wenn du sie nicht wiedergetroffen hättest, würden wir vermutlich trotzdem hier sitzen", meinte auch mein Bruder, dem ich erzählt hatte wie ich mit Jules in unserem alten Viertel nach ihr gesucht und sie schließlich gefunden hatte. Wenn ich daran dachte wie glücklich er ausgesehen hatte als sie ihm in die Arme gefallen war, machte das die ganze Situation noch schlimmer. Wenn jemand dieses Glück verdient gehabt hätte, war es Jules.
„Es macht ohnehin keinen Unterschied", stimmte Benson uns zu, „Wir sollten uns lieber überlegen, was wir als nächstes tun."
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Feather, Sword & Blood
FantasyIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...