Je tiefer wir in das Gestein vordrangen, desto kälter wurde es. Diese Tunnel mussten schon vor einiger Zeit entstanden sein und inzwischen vermutete ich sogar, dass sie von Menschenhand entstanden waren. Für Wesen mit Flügeln waren sie auf jeden Fall nicht gemacht worden.
Nach zwanzig Schritten und einer kleinen Biegung tat sich der Gang schließlich auf und mündete in einem großen Hohlraum, dessen Decke sicher um die zehn Meter hoch war. Der steinerne Boden ging in eine metallene Treppe über und wir drängten uns neugierig an Warren vorbei an das Geländer, das den Absatz umschloss, auf dem wir standen.
Was wir entdeckten, verschlug sogar Benson die Sprache. Unter uns standen altmodische Aktenschränke in scheinbar unzähligen Reihen, die sich tief in den Fels zogen. Das Ende der unterirdischen Kammer wurde von Dunkelheit verschluckt, aber ich war mir ziemlich sicher, dass diese Höhle sich über die Fläche des gesamten Lagers erstreckte. So viele Informationen, vielleicht sogar Geheimnisse, auf einem Haufen hatte ich noch nie zuvor gesehen.
„Die Reihen sind alphabetisch geordnet. Immer von links nach rechts und innerhalb der Reihe von vorne nach hinten", erläuterte Warren und schaltete auch hier das Deckenlicht an. Allerdings erreichte es den Boden kaum, weshalb er uns zusätzlich jeweils eine Taschenlampe in die Hand drückte, die vorher an der Wand befestigt worden waren.„Wir müssen uns beeilen. Wenn uns ein Archivar entdeckt, sind wir geliefert. Sergent hin oder her."
Bei seinem letzten Satz sah er Caden an, der jedoch vollkommen unbeeindruckt wirkte. Ich fragte mich, wie oft er wohl schon gegen irgendwelche Regeln verstoßen hatte. Zwar ließ ich mir auch ungern vorschreiben, was ich zu tun hatte, hasste es aber, jemanden anzulügen. Etwas, was Caden nach meinem Geschmack viel zu oft tat.
Warren scheuchte uns die Treppe nach unten. Im Gegensatz zu unserem Truppenführer war er unruhig. Verständlich. Wir waren Ordensmitglieder. Wenn wir erwischt wurden und Glück hatten, wurden wir lediglich degradiert, er würde nicht nur seine Stelle als Taktiker verlieren, sondern sofort zum Ausgestoßenen werden.
Von hier unten sah die Höhle sogar noch viel größer und die Reihen noch länger aus. Die mit einer dicken Staubschicht bedeckten Aktenschränke ragten über uns auf wie die Wände eines Labyrinths und unwillkürlich fragte ich mich, ob sich hier schon einmal jemand verlaufen hatte und elendig verhungert war.„Ich weiß nicht genau, ob die Verzeichnisse, von denen ihr gesprochen habt, unter dem englischen oder den französischen Wort für Schmiede abgeheftet sind. Am besten wir teilen uns auf." Automatisch sah er zu Caden als ranghöchsten Ailé und überließ ihm die Entscheidungen.
„Schön. Jules, du gehst mit Mills und suchst unter W, ich suche mit Aria bei F. Und wir passen auf Benson auf."
Zustimmend nickte der ältere Farrow, während der jüngere vor sich hin grummelte. Nach seiner Aktion mit der Lampe wagte er es jedoch nicht, sich darüber zu beschweren, dass er wie ein Fünfjähriger behandelt wurde.
„Für jemanden, der nicht hier sein darf, weißt du ziemlich viel über das Archiv", bemerkte ich und grinste Warren an.Wieder kroch ihm die Röte den Hals hinauf. „Naja, weißt du, ich komme öfter her und wühle mich ein wenig durch die Akten. Ein paar sind ziemlich interessant. Außerdem bin ich der Meinung, dass kein Wissen verboten sein sollte."
Mein Blick zuckte zu Caden, der mich ebenfalls ansah. In seinen Augen las ich den gleichen Gedanken ab, der auch mir auf der Zunge lag: Manches Wissen sollte besser verschollen bleiben. Ohne bestimmte Erfindungen war die Welt eindeutig besser dran.
Schließlich drehte ich mich um und ging mit den zwei anderen Ailés die Reihen ab. An jedem Ende war ein Schild mit einem Buchstaben angebracht. Bei F bogen wir ab und suchten schließlich nach dem richtigen Aktenschrank. Rein aus Neugier öffnete ich einen davon und stellte fest, dass hier tatsächlich alles feinsäuberlich nach dem Alphabet angeordnet war. Wie in einem Duden. Und da FO relativ weit hinten war, mussten wir eine Weile laufen.
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Feather, Sword & Blood
FantasyIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...