Girards Worte schwirrten mir noch die gesamte Nacht im Kopf herum. Im restlichen Training hatte ich mich zwar nur minimal gesteigert, doch das hatte mir gezeigt, wie recht er tatsächlich hatte. Die Verbissenheit, mit der ich sonst immer gekämpft hatte, war von mir abgefallen. Ich hätte nie gedacht, dass diese Blockade in meinem Kopf sich so auf meine Kämpfe auswirkte, aber das tat es. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde hatte mich Girard schließlich in mein Zelt geschickt.
Am nächsten Tag war ich diejenige, die vor Selbstvertrauen strotzte. Meine Schultern waren noch mehr durchgedrückt als sonst und zum ersten Mal machten mir Yates Stiche nichts aus. Nachdem sie einen Besuch für den heutigen Tag ankündigt hatte, gingen wir trainieren.Doch mein Enthusiasmus ebbte relativ schnell wieder ab, nachdem ich die ersten drei Kämpfe verloren hatte und als vierte Partnerin Maélys Morin zugeteilt bekam. Ich verlor nicht. Allerdings hatte ich auch noch nicht gewonnen, als Yates mit dem Besucher ankam, den sie ankündigt hatte.
Caden ließ seinen Blick lässig über das Trainingsgelände schweifen und blieb bei mir hängen. Er lächelte arrogant und ich fletschte die Zähne.Im nächsten Moment verschwand er jedoch aus meinem Blickfeld, da Morin an mich herangetreten war und mich mit dem Schwertgriff an der Schläfe erwischte. Mein Kopf wurde herumgerissen und ich landete mal wieder im Dreck.
„Lass deinen Gegner niemals aus den Augen", meinte sie von oben herab und wiederholte damit Yates, die uns diese Regel ständig unter die Nase rieb.
Ich ärgerte mich, dass ich sie missachtet hatte, aber noch mehr darüber, dass Caden mir dabei zugesehen hatte.
Maélys spuckte als krönenden Abschluss neben mir auf den Boden, dann ging sie zu den anderen Rekruten, die sich im Halbkreis um Caden und Yates versammelten.
Ich verdrehte die Augen, seufzte und rappelte mich auf. Auf in den Kampf.
Ich stellte mich zu den anderen und versuchte zumindest, in der Menge unterzutauchen, obwohl das mit meinen wilden Haaren so gut wie unmöglich war.„Herhören!", bellte Yates, „Ich möchte Ihnen Monsieur Milani vorstellen."
Caden stand mit der gleichen ausdrucksloser Mine neben ihr, die er trug, seit ich ihn kannte. Er sah kurz zu mir herüber und ich fühlte mich in der weiten Bluse mit dem Mieder und der einfachen Hose irgendwie nackt. Er hingegen trug ein ärmelloses Oberteil aus Leder und darunter die typische Dichterbluse. Im Sommer ließ er sie einfach weg, doch wir hatten inzwischen beinahe Herbst beziehungsweise Spätsommer und heute war es nicht sonderlich warm. Dazu eine schlichte Hose und der Ledergürtel in dem ein kunstvoll verziertes Schwert steckte. An seinen Handgelenken waren wie bei mir Bracelets, allerdings hatten seine einen zusätzlichen Lederriemen, in dem jeweils ein Dolch steckte. Das eindrucksvollste war jedoch der dunkelbraune Umhang, der locker um seine Schultern hing und seine Flügel verdeckte, die er an seinem Rücken angewinkelt lagen. Es war vollständige Uniform der Ailé. Heute hatte er sich ja richtig herausgeputzt.
„Er hat erfolgreich die Ausbildung abgeschlossen und ist einer besten, die ich je ausbilden durfte", fuhr meine Ausbilderin fort.Es folgte Applaus, nur ich klatschte nicht. „Nur seine Reaktionszeit lässt ein wenig zu wünschen übrig", murmelte ich stattdessen vor mich hin.
„Wie bitte?", fragte mich Yates und stellte sich direkt vor mich. Verflucht sei ihr gutes Gehör. „Wenn Sie etwas zu sagen haben, teilen Sie das der ganzen Gruppe mit, Lennox."
Ich sah Cadens Blick als ich an ihr vorbei sah. Er war herausfordernd und schadenfreudig.
Plötzlich entfachte er eine unglaubliche Wut in mir. Ich hatte keine Lust mehr mich länger von jedem runtermachen zu lassen. Deshalb reckte ich mein Kinn. „Ich sagte, dass seine Reaktionszeit zu wünschen übrig lässt", wiederholte ich meinen Satz so laut, dass es jeder hörte.
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Feather, Sword & Blood
FantasyIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...