Seit dem Kampf mit Caden hatte sich einiges verändert. Ich hatte zwar verloren, aber mit Würde, wie es Etienne Girard ausgedrückt hatte. Es machte die Runde, dass ich ihn beinahe besiegt hatte, obwohl wir beide da anderer Meinung waren. Es nagte an meinem Stolz, dass ich es nicht geschafft hatte, es zu ende zu bringen und Caden würde es nie zugeben, dass er Problemen gehabt hatte, mich zu besiegen.
Doch ich war froh, dass ich mich ihm gestellt hatte. Ich wusste endlich, was Girard gemeint hatte und die Blockade, die ich gehabt hatte, war verschwunden. Kämpfen war nicht länger eine Kopfsache, sondern ich verließ mich viel mehr auf meine Instinkte, von denen ich nicht mal gewusst hatte, dass ich sie besaß.
Vor allem aber hatte ich mir etwas wie Respekt bei Yates und den anderen Rekruten verdient. Der zeigte sich vor allem in Speisesaal. Anstatt mich offen anzustarren wir vorher, sprach man jetzt leise über mich und sah weg, wenn ich sie mit meinem Blick streifte. Allerdings war ich jetzt auch für die wenigen sichtbar geworden, für die ich vorher noch unsichtbar gewesen war. Vor allem aber hatten die üblen Streiche aufgehört, mit denen mich die anderen Rekruten gequält hatten.
Am Abend nach dem Kampf hatte ich mich noch lange nicht an den ganzen Rummel gewöhnt. Ich versuchte verzweifelt, in der Masse unterzutauchen, aber heute kam hinzu, dass Warren nicht zum Abendessen kam und ich deshalb alleine sitzen würde, was mich natürlich noch mehr auffallen ließ. Am Buffett schaufelte ich mir ein wenig Salat auf den Teller und saß sehnsüchtig auf die leere Platte, auf der vorher die Spareribs gelegen hatte. Natürlich waren sie für die Ordensmitglieder vorbehalten gewesen.
Ich war gerade auf dem Weg zu meinem einsamen Tischende, als mir jemand plötzlich von hinten seinen Arm um die Schulter legte und mich freundschaftlich an sich zog, wobei ich fast meinen Teller fallen ließ. Ich sah auf, doch der Junge kam mir nicht im geringsten bekannt vor.„Setzt dich doch zu uns, Lennox. Und bevor du eine Ausrede suchst, ich weiß, dass du sonst alleine sitzen würdest." Er zeigte mir seine weißen Zähne durch ein ansteckendes Grinsen und zog mich ohne zu fragen mit sich.
Ich war zu überrumpelt, um mich zu wehren. Allerdings kamen mir seine unordentlichen, braunen Locken, die ihn noch jünger wirken ließen als er tatsächlich war, auf den zweiten Blick doch irgendwie bekannt vor. Zuordnen konnte ich ihn aber immer noch nicht.
Schließlich drückte er mich auf eine der Bänke und nahm neben mir Platz. Mir gegenüber saß ein weiterer Junge. Er war älter und hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit meinem Sitznachbar. „Du musst uns unbedingt von eurem Kampf erzählen", redete der weiter, „Unser Freund Milani hier rückt nämlich nicht mit den Einzelheiten raus. Also lass bloß keine Details aus."Mein Blick flog zu dem letzten aus der Gruppe und ich sah Caden an, dass er mindestens genauso begeistert darüber war, dass mich sein Kumpel hier her geschleift hatte, wie ich. Doch ich hatte keine Chance abzuhauen, da der Braunhaarige wieder einen Arm um mich gelegt hatte. Als hätte er geahnt, dass ich einen Fluchtversucht wagen würde, sobald ich Caden sah. Aber seine offene und durchaus freche Art, mich hier her zu lotsen, hatte doch etwas charmantes an sich, weshalb ich beschloss sitzen zu bleiben. Inzwischen wusste ich auch, woher ich ihn kannte. Er war einer der Jungs gewesen, die bei Caden gesessen und gegrölt hatten, als ich ihn mundtot gemacht hatte.
„Und vor allem, woher hast du diesen verdammt coolen Move mit dem Baumstumpf und dem Rückwärtssalto?", fuhr er fort, während er von jedem der Jungs zwei ihrer fünf Spareribs nahm und sie mir auf den Teller legte.„Herrgott, Ben. Lass sie doch erstmal zu Wort kommen", sagte der mir gegenüber und Ben hielt inne.
„Ach, wo sind denn meine Manieren? Benson." Er hielt mir seine Hand hin, doch ich zögerte und sah hinunter auf die Reste der Panade, die daran hingen. Er folgte meinem Blick und zog sie wieder zurück. „Vielleicht ein anderes Mal", grinste er.
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Feather, Sword & Blood
FantasíaIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...