Achtzehn

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Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Mich verstecken und warten, dass jemand vorbeikam? Auf die Suche nach dem roten Tuch gehen? Wenn ich Maélys Blick richtig gedeutet hatte, sollte ich mich besser von ihr fern halten. Sollte ich den Kampf trotzdem suchen oder ihn ganz meiden?

Ich entschloss mich, keines von beiden zu tun. Ich würde mir eine gute Stelle zwischen einigen Felsen suchen, von der aus ich meine Umgebung gut im Blick hatte, aber nicht gleich entdeckt werden würde. Ich würde mich hier nicht verschanzen, war aber auch nicht direkt auf Konfrontation aus. Wenn sich mir jemand in den Weg stellen sollte, würden ich kämpfen.
 
Kaum hatte ich mich auf einem der Steine in Position gebracht, ertönte das tiefe Geräusch, das mich ein wenig an die Hörner erinnerte, die die Ailés als Warnsignale verwendeten, und das Spiel oder besser die Jagt begann. Es brauchte nicht lange, bis ich die ersten Kampfgeräusche hörte. Mein Puls schoss in die Höhe und ich sah mich automatisch um. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Spiel mich so nervös machen würde, aber ich konnte es nicht leugnen. Unfreiwillig spannte ich mich an und umklammerte den Griff meines Schwertes fester.
 
Der Kampf hatte nicht lange gedauert, denn kurz danach hörte ich wieder nur die Geräusche des Waldes. Doch wieder dauerte die Stille nicht an. Ich war gerade dabei mich zu beruhigen, als ganz in der Nähe Metall auf Metall schlug. Ich zuckte zusammen und kauerte mich noch enger an den kühlen Fels. Dieses Mal waren sie wesentlich näher als vorher und plötzlich sah ich die Klingen zwischen den Bäumen aufblitzen.

Maélys erkannte ich als erstes. Ihre Gegnerin war Léa. Aber sie waren nicht die einzigen zwei. Neben Maélys tauchten schließlich auch noch Darrel und Rémi auf. Genau wie Morin waren sie Kinder von Ordensmitgliedern und offensichtlich hatten sie sich verbündet.
 
Drei gegen eine war alles andere als fair, dementsprechend dauerte es auch nicht lange bis Léa zu Boden ging. Darrel kam auf sie zu und nahm ihr das Schwert ab, während Rémi grob nach dem roten Tuch griff, das in ihrer Hosentasche gesteckt und halb herausgehangen hatte. Sie schickten Léa zur Lichtung, sie selbst blieben sie kurz stehen und besprachen etwas, doch ich konnte nicht verstehen was. Ich hoffte nur, dass sie mich nicht entdeckten. Das taten sie nicht. Noch nicht. Sie gingen in die andere Richtung davon und ich atmete erleichtert auf.
 
Ich lehnte meine Kopf an den Stein und sah nach oben, als mir auf einmal etwas klar wurde. Die anderen hatten Flügel und der Großteil konnte sich zumindest mit einigen kräftigen Flügelschlägen abdrücken. Sie konnte mir nicht nur am Boden auflauern, sondern auch in der Luft und von den Bäumen aus. Alles war erlaubt. Nur ich war die einzige, die noch keine Flügel hatte, also musste ich mich zwangsläufig auf dem Boden aufhalten. Ich war am berechenbarsten. Ich war eines der einfachsten Ziele. Mein Versteck mochte gut geschützt sein, aber wenn jemand von oben kam, war ich ihm hilflos ausgeliefert. Ich musste hier weg.
 
Noch einmal sah ich mich um und behielt ab jetzt auch die Äste über mir im Auge, dann wagte ich mich in den offenen Wald. Mein Herz klopfte und ich hatte fast Angst, dass es mich verraten könnte. Ich ging in die entgegengesetzte Richtung wie Maélys und die anderen und sah mich nach einem besseren Schlupfwinkel um, als ich plötzlich ein Knacken aus einem der Büsche hörte.

Ich blieb stehen und hielt die Luft an. Vorsichtig ging ich auf das dichte Gewächs zu, doch kurz bevor ich bei ihm war, knallte etwas auf meine Schultern und drückte mich nach unten auf den Boden.

Erschrocken drehte ich meinen Kopf und entdeckte zwei weiße Schwingen und ein selbstgefälliges Grinsen. Maélys war auf mir gelandet und hatte mich zu Boden geworfen. Sie holte aus, um nach mir zu schlagen, aber ich schaffte es gerade noch, meine Arme hochzureißen. Die Klinge prallte an meinem Bracelet ab und ich griff gleichzeitig mit meiner anderen Hand nach meinem Schwert. Als sie ein zweites Mal zuhieb, wehrte ich den Schlag mit meinem Schwert ab. Die gekreuzten Klingen schwebten nur wenige Zentimeter über meinem Gesicht und Maélys drückte. Ich hielt stand, aber lange konnte ich diese Position nicht halten.
 
„Wir haben dich gesucht, Lennox."

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt