Auch in dieser Nacht schlief ich schlecht, weshalb ich schon wach war, bevor die Sonne überhaupt daran dachte aufzutauchen. Neben den Ailés, die in der Küche tätig waren und bereits das Frühstück richteten, war ich die erste im Speisesaal. Das Bild von Jacobs schwarzen Flügeln hatte das Bild des Toten mit meinem Pfeil in der Augenhöhle abgelöst, weshalb ich gestern nicht viel herunterbekommen hatte.
Heute waren beide der Aufregung gewichen und ich schlug herzhaft zu. Wir waren nah dran, endlich das Geheimnis um Lex Tod zu lüften. Das spürte ich. Dieser Schmied war der Schlüssel zu allem und ich war fest entschlossen alles zu erfahren, was er wusste.
Nachdem ich mir auch etwas Proviant zusammengesucht hatte, ging ich zurück in mein Zimmer und packte meine Sachen. Anschließend ging ich in den Stall, um Leil in Ruhe zu satteln. Etwa eine Viertelstunde nach mir kam auch mein restlicher Trupp hinzu und gerade als die ersten Sonnenstrahlen sich über den Horizont kämpften, waren wir bereit zum Aufbruch.
In den letzten zwei Tagen war der Schnee endgültig geschmolzen und der glitzernde Tau auf dem Gras kündigte den Frühling an. Trotzdem war es kühl und kaum waren wir aus dem Stall herausgetreten, begann es zu regnen. Murrend zog sich Benson die Kapuze seines Umhangs über die braunen Locken und plötzlich hatte ich das Gefühl eines Déjà-vu.Es kostete mich eine ganze Minute darauf zu kommen, was genau mich an diesem Anblick stutzig ließ. Es waren Cadens Zeichnungen. Ich vertraute seinem künstlerischen Talent und ich vertraute meinem eigenen Gedächtnis. Deshalb war ich mir ziemlich sicher, dass die Kapuzengestalt einen nahezu identischen Umhang getragen hatte - den Umhang eines Ailés.
Es war nicht gerade einfach an einen solchen zu kommen. Natürlich gab es immer wieder Leute, die versuchte sie nachzumachen. Neben den Flügeln und den Oxidium-Schwertern waren sie ein weiteres Markenzeichen des Ordens, aber kaum jemand wagte es, sich so auf offener Straße blicken zu lassen. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass sie den Ordensmitgliedern vorbehalten waren. Genauso wie Jeans den Menschen. Bei der Kapuzengestalt hatte es sich jedoch um keinen Ailé handelte. Nicht nur, weil Caden das ebenfalls nicht glaubte, sondern weil ich sie hatte wegrennen sehen, als wir im Wald von den Mutationen angegriffen worden waren. Selbst zusammengefaltete Flügel hätte ich unter dem flatternden Umhang gesehen.
Doch gerade als ich den Sergent darauf ansprechen wollte, rief jemand meinen Namen. Einer der Ailés, mit denen ich vorgestern trainiert hatte, kam auf mich zu. Mathéo, wenn ich mich richtig erinnerte. Stirnrunzelnd hielt ich an. Eigentlich hatte ich mich von Warren und seinen Kollegen schon gestern Abend verabschiedet.„Hey", meinte er etwas außer Atem, als er vor mir stehen blieb, „Ich war im Speisesaal, weil ich dachte... Naja, auf jeden Fall warst du schon weg und da bin ich..." Er schnappte nach Luft und stützte sich mit den Händen auf seinen Knien ab.
Ich gab ihm die Zeit, konnte mein Grinsen angesichts der Tatsache, dass er von dieser kurzen Strecke so außer Atem war, jedoch nicht verbergen.
Schließlich richtete er sich wieder auf. „Ich bin froh, dass ich dich noch erwische."„Was gibt's?", wollte ich wissen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum er sich so früh aus dem Bett quälte.
„Naja, ähm, ich..." Er kratzte sich am Nacken und trat von einem Fuß auf den anderen. „Ich..."
„Lennox! Wird's bald?", fiel Caden ihm ins Wort. Er stand einige Meter weiter und sah mich ungeduldig an.
Stumm bat ich noch um einen Moment und wandte mich wieder Mathéo zu, dessen Gesicht inzwischen die gleiche Farbe wie meine Haare angenommen hatten. „Weil du ja abreist, wollte ich fragen in welchem Lager du untergebracht bist. Weil... Falls ich vielleicht mal in der Nähe bin oder..."
Langsam begriff ich, was dieses Gestammel sollte. Ich versuchte mir meinen Schock darüber nicht anmerken zu lassen. Noch nie hatte sich ein Junge für mich auf diese Art interessiert und ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Auf der anderen Seite musste ich zugeben, dass ich mich geschmeichelt fühlte und es mir gefiel wie Mathéo mich ansah.
Doch bevor ich anheben konnte, um zu sprechen, tauchte Caden direkt neben mir auf. „Verflucht, Lennox. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit."
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Feather, Sword & Blood
FantasyIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...