Sechsundvierzig

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Zurück bei unserem kleinen Schlachtfeld, fiel mir erst auf wie übel es aussah. Der Schnee war zerwühlt und Blut färbte ihn an einigen Stellen rot. Die Mutationen sahen tot noch schlimmer aus als lebend und starrten mit ihren kalten Augen ziellos durch die Gegend. Am schlimmsten war der Anblick des Tieres, durch dessen Schädel Caden sein Schwert gebohrt hatte. Vermutlich würde ich noch monatelang Albträume von dem Geräusch des splitternden Knochens und dem Schmatzen der Klinge haben.
 
Der Sergent stand inzwischen auf der kleinen Anhöhe, auf der auch der Schütze gestanden hatte. Auch dort hatte sich eine Blutlache in den Schnee gefressen. In der Zwischenzeit hatte Benson ihm einen provisorischen Druckverband aus dem Wams gemacht, dass sein Bruder ihm überlassen hatte. Gerade griff Caden nach seinen Dolch, den die Frau offensichtlich aus ihrer Schulter gezogen hatte, und steckte ihn zurück in sein Bracelet, hielt jedoch inne und hob einen weiteren Gegenstand auf. Es war eine schwarze Feder. Sie war so lang wie mein Unterarm und konnte unmöglich von einem Vogel stammen. Er übergab sie Benson, der die beiden Pfeile eingesammelt hatte. Einen davon warf er mir zu.

„Sag mal, kann es sein, dass das deine sind?"

Verwirrt blinzelte ich, fing ihn aber auf. „Wie kommst du drauf?"

„Naja, ich erinnere mich grundsätzlich an die Art von Pfeilen, die mich einmal fast getötet haben", schmunzelte er.

Ich betrachtete ihn und erstaunlicherweise kamen sie auch mir bekannt vor. Ich ging zu Leil und überprüfte meinen Köcher. Tatsächlich fehlten zwei Pfeile und auch mein Bogen war anders befestigt als ich es normalerweise tat.

Benson runzelte die Stirn. „Jemand hat deinen Bogen benutzt, um uns den Arsch zu retten, und ihn anschließend wieder zurückgelegt?"

Ich fuhr mir über das Gesicht und merkte einen weiteren kleinen Kratzer unter meinem Haaransatz, konnte mich aber nicht daran erinnern, wann ich ihn mir zugezogen hatte. „Ich habe keine Ahnung", meinte ich. Die Dorfbewohner hätten das sicher nicht getan. Und selbst wenn, hätten sie ihn bestimmt mitgenommen.
 
„Wir sollten jetzt los", drängte ich.

Ausnahmsweise widersprach mir Caden nicht, sondern nahm Asras Zügel entgegen. Benson half ihm in den Sattel und auch ich zog mich auf Leils Rücken. Er tänzelte unruhig. Alleine die Kadaver machten ihn nervös und ich konnte es ihm nicht verdenken. Auch ich wollte nur noch hier weg.

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In den nächsten drei Stunden schwieg ich verbissen. Ich ließ mir den Angriff noch einmal durch den Kopf gehen, aber vor allem die Tatsache, dass Caden der beste Freund meines Bruders und der einzige Überlebende des Trupps war, beschäftigte mich.

„Erkläre es mir", verlangte ich schließlich.

Caden sah mich das erste Mal seit einer Ewigkeit wieder an. Er war blass und ich sah, dass jede Bewegung und jede Erschütterung ihm Schmerzen bereitete.
 
„Da gibt es nichts zu erklären. Er, Jules und ich sind zusammen ausgebildet worden. Mit Jules hatten wir damals wenig zu tun, aber Jacob und ich haben uns gut verstanden und wir wurden Freunde. Nach unserer Aufnahme in den Orden wurden wir Bissets Trupp zugeteilt. Nach einigen wenigen Missionen wurden wir schließlich losgeschickt, um den Mord an zwei Ausgestoßenen aufzuklären. Wir folgten den Spuren in das Dorf und auf dem Rückweg wurden wir angegriffen. Ich habe als einziger überlebt."

„Warum hat dich der Mann nicht wiedererkannt wenn du vor Jahren schon dort warst?"

„Ich war sechzehn, Aria. Seitdem ist viel passiert und ich habe mich verändert."

„Das heißt, du hast uns die letzten drei Wochen mit Absicht durch die halbe Weltgeschichte gehetzt? Warum hast du uns nicht gleich zu dem Dorf geführt, wenn du wusstest, dass in der Nähe schon einmal Mutationen aufgetaucht sind?"

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt