Neunzehn

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Im nächsten Moment fand ich mich auf dem Boden wieder. Es ging alles so schnell, dass ich erst im Nachhinein begriff, was passiert war.

Ich war über eine Wurzel gestolpert, die aus dem Waldboden ragte. Sie hatte mich zu Fall gebracht und ab da war jede meiner Bewegungen nur noch rein instinktiv gewesen. Während des Falls hatte ich mich gedreht, sodass ich auf dem Rücken landete, und meine rechte Hand nach oben gerissen. Das Tier hatte nicht mehr reagieren können und die Spitze meiner Klinge hatte sich in seinen ungeschützten Bauch gebohrt und es auf der Stelle getötet. Der leblose Körper war zu Boden gefallen und direkt auf mir gelandet.
 
Jetzt lag ich unter dem schweren Kadaver begraben und spürte, wie Blut aus der Wunde auf meine Bluse sickerte. Der Stoff saugte sich mit der warmen Flüssigkeit voll, der Rest tränkte den kühlen Waldboden. Sein aufgerissenes Maul lag auf meiner Brust und ich roch den letzten Atemzug seines Lebens, den es mir entgegen hauchte. Er stank fürchterlich und seine Zähne, die es mir noch vor Sekunden in den Hals schlagen wollte, waren widerlich gelb.
 
Als ich begriff, dass ich noch lebte, atmete ich erstmal durch und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Sein Fell war borstig und stank. Ich zitterte und konnte nicht glauben, wie knapp das gewesen war.

Aus Angst, dass es noch lebte, wagte ich es kaum mich zu bewegen und erst nach einer gefühlten Ewigkeit, in der die Mutation nicht mal gezuckt hatte, nahm ich meinen restlichen Mut zusammen und drückte gegen den Kadaver. Nichts passierte. Schließlich stemmte ich mich mit aller Kraft dagegen und schaffte es tatsächlich, es ein wenig zu heben. Gerade so viel, dass ich mich darunter wegrollen und herauskriechen konnte.
 
Doch kaum stand ich, gaben meine butterweichen Knie unter mir nach und ich landete schwer atmend auf dem Boden. Mit meinem Armen stütze ich mich auf der Erde ab und rang nach Fassung. Langsam aber sicher sickerte die Erkenntnis, dass jemand oder besser gesagt etwas, tatsächlich versucht hatte mich umzubringen, in mein Bewusstsein. Das Monster hatte mich zerfleischen wollen, aber ich lebte noch und wusste nicht so recht, ob ich gerade heulen oder lachen sollte.
 
Ich langte an meine Wange. Sie brannte, genau wie mein Oberarm. Leichte Kratzer zogen sich darüber, aber sie waren nicht tief. Ich war davongekommen, mit nicht mehr als einem oder zwei Kratzer. Allerdings blieb mein Übermut nicht lange. Ich wusste, wie viel Glück ich gehabt hatte und wie dumm es gewesen war, es anzugreifen.
 
Als meine Knie nicht mehr ganz so weich waren, stand ich langsam auf und sah auf das Biest neben mir. Liegend reichte mir das Monster bis zum Bauch, wenn es stand, durfte es auf Höhe meiner Schulter sein. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn ich daran dachte, was es mit mir getan hätte, wenn ich ihm die Chance dazu gelassen hätte.

Ich stemmte mich ein letztes Mal gegen den Kadaver, griff nach meinen Schwert und zog es heraus. Es gab ein glitschiges Geräusch von sich, ich spürte das noch warme Blut des Tieres über meine Hände lief und unterdrückte die Übelkeit, die in mir aufstieg. Von der Klinge meines Schwertes tropfte das Blut und ich widerstand dem Drang, es wieder loszulassen. Ich brauchte es. Wer wusste wie viele von den Viechern noch hier rumrannten. Ich sah mich um, konnte aber zum Glück keines entdecken.
 
Mit zögerlichen Schritten setzte ich mich in Bewegung und machte mich auf den Weg zur Lichtung. Ich bezweifelte, dass ich jemals in meinem Leben so aufmerksam und konzentriert gewesen war wie jetzt gerade. Bei jedem Knacken, jedem Windstoß, der durch die Blätter fuhr, spannte ich mich an und ich konnte nur hoffen, dass die Viecher nicht nachtragend waren.
 
Der Wald schien wie leergefegt und je näher ich der Lichtung kam, desto gespenstiger schien es zu sein. Doch dann brach plötzlich ein schreckliches Jaulen die Stille, das mit nur allzu bekannt vorkam. Meine Füße setzten sich von alleine in Bewegung, obwohl mein Verstand dagegen anschrie. Ich verfrachtete ihn in die hinerste Ecke meines Kopfes und rannte.
 
Von der Lichtung kam mir gleißendes Sonnenlicht entgegen und ich wurde für einen kurzen Augenblick geblendet, dann offenbarte sich mir ein Bild, das ich beim besten Willen nicht erwartet hatte. Ich platzte mitten in einen Kampf zwischen noch mehr von den Biestern und Yates. Drei von ihnen hatten sie umzingelt, während meine Kameraden sich auf Bäume geflüchtet hatten oder sich hinter Yates hielten, die versuchte, ihre Rekruten zu beschützen. Irgendwie ein surreales Bild, wenn ich daran dachte, dass Yates uns immer gnadenlos über den Trainingsplatz scheuchte und nie ein gutes Wort für uns übrig hatte.
 
Ich blieb einen Moment wie erstarrt stehen, dann übernahm wieder meine Intuition. Oder meine Dummheit. Oder beides.

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt