Siebenunddreißig

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Am nächsten Morgen ließ mich meine innere Uhr nicht im Stich und wie die letzten drei Jahre auch wachte ich pünktlich um viertel vor sechs auf.

Verschlafen richtete ich mich auf und wunderte mich einen Moment lang, wo ich war. Angesichts der schlafenden Ailés um mich herum fiel es mich aber sofort wieder ein. Ich drehte meinen Kopf und schob einen von Bensons Flügel beiseite, dessen Feder mich an der Nase kitzelte. Dann setzte ich mich auf und gähnte ausgiebig.

Doch gerade als ich mich aus der Decke schälen wollte, bewegte sich Caden und blinzelte mich an. Als er begriff, was ich vorhatte, brummte er. „Scheiße, Aria. Leg dich wieder hin. Du bist nicht mehr in der Ausbildung und vor acht Uhr kriegen mich keine zehn Pferde aus dem Bett." Anschließend schloss er die Augen wieder und drehte mir den Rücken zu.

Ich ließ mich wieder auf mein improvisiertes Kissen sinken, das aus der Satteltasche bestand, in der meine Wechselklamotten waren. Ausschlafen? Ausnahmsweise hatte ich einmal nichts gegen Cadens Einstellung einzuwenden.
 
Tatsächlich schlief ich noch einmal ein und wachte davon auf, dass sich jemand über mich beugte. Ich hörte schwappendes Wasser inklusive unterdrücktes Kichern.

„Benson", sagte ich mit geschlossenen Augen, „Wenn du mir das Glas Wasser ins Gesicht leerst, bist du so gut wie tot."

Als ich sie aufschlug, sah ich zufrieden, dass Benson zurückgezuckt war und mich verdattert anstarrte. Sein Bruder war in schallendes Gelächter ausgebrochen und ich erwischte sogar Caden dabei, wie er grinste.
 
Nachdem wir uns angezogen und unsere Sachen gepackt hatten, tischte uns Madame Bonnet ein königliches Frühstück auf und wir nahmen uns etwas als Mittagessen mit. Danach war es an der Zeit, aufzubrechen.

Draußen war es kalt und über Nacht war frischer Schnee gefallen. Pierre war gerade dabei, unsere Pferde zu satteln. Ich bedankte mich bei ihm und nahm ihm Leils Sattel ab. Obwohl ich das noch nie gemacht hatte, wollte ich ihn nicht noch mehr ausnutzen als wir es ohnehin schon getan hatten. Dieses Gefühl besserte sich auch nicht, als Caden Pierres Mutter eine großzügige Summe Geld in die Hand drückte und sich noch einmal bei ihr bedankte.

„Immer wieder gerne", lächelte sie, „Passt auf euch auf. Vor allem du, mein Hübscher." Sie kniff ihm mütterlich in die Wange, bevor sie sich uns zuwandte und einem nach dem anderen die Hand gab.
 
Anschließend nahmen wir die Zügel unserer Pferde und gingen noch ein paar Schritte zwischen den Häusern entlang, bevor wir uns in die Sättel schwangen.

Ich erwischte Caden dabei, wie er mich beobachtete. „Na los. Sag es ruhig", meinte ich und er runzelte die Stirn. „Elegant, nicht?", grinste ich.

Er schnaubte.

Auf jeden Fall kam ich diesem Wort heute schon wesentlich näher als gestern noch.

„Weit davon entfernt", murrte er und richtete seinen Blick wieder nach vorne.

Ich hatte nicht erwartet, dass er mich für meinen Fortschritt loben würde und zuckte lediglich mit den Schultern. Mein Grinsen war geblieben. „Wie du meinst, Hübscher."

Er wirbelte herum, doch ich hatte Leil schon angetrieben und preschte einige Meter voraus. Jedoch war ich noch nah genug, um zu hören, dass Jules Texas neben Cadens Hengst lenkte und ihm zuraunte, dass er sich das wohl nicht gut genug überlegt hatte und ich ihn am Ende noch verzweifeln lassen würde.

Wenn er damit sagen wollte, dass ich ihm noch so einige Schwierigkeiten bereiten würde, dann hatte er damit verdammt nochmal recht.
 
Wenige Minuten später hatten wir das Dorf schon hinter uns gelassen. Schweigend ritten wir über den gefrorenen Ackerboden und ich ließ meinen Blick über die mit Neuschnee beladenen Bäume wandern, deren Äste sich unter der Last bogen.

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt