Am nächsten Tag beim Frühstück setzte ich Warren von meinen Entdeckungen ins Bild. Zwar ließ ich die intimen Details und die Tatsache, dass Lex Schwert gar nicht verschwunden war, aus, aber ich erzählte ihm von dem Zusammenhang zwischen dem Tod meines Bruders und den Dingern, die uns beim Training angegriffen hatten.
Als ich fertig war, stützte er den Kopf auf seiner Hand ab und dachte kurz nach. „Dann muss es ihnen ja ziemlich gelegen gekommen sein, dass du es geschafft hast, einen von ihnen zu töten."Ich runzelte die Stirn. „Was meinst du?"
„Was glaubst du, was sie mit dem Kadaver gemacht haben? Einfach liegen gelassen? Wohl kaum. Wenn sie noch nichts über diese Kreaturen wussten, ist das die perfekte Möglichkeit mehr über sie herauszufinden."
Ich überlegte. Es war inzwischen vier Tage her. Genug Zeit also, sich das Viech einmal genauer anzusehen und Rückschlüsse zu ziehen. „Meinst du, dass sie das, was sie gefunden haben, beunruhigt?"
„Gut möglich."
Ich biss in mein Brötchen. Das alles schien so surreal. Wir saßen beim Frühstück und spekulierten über irgendwelche Verschwörungstheorien, obwohl wir uns auf das Training konzentrieren sollten. Aber das war in den letzten Tagen in den Hintergrund gerutscht, obwohl Yates mit allen Mitteln versucht hatte, das zu verhindern. Es war härter als zuvor, trotzdem schien keiner richtig bei der Sache zu sein.
„Was meinst du, wollen sie verschweigen?", fragte ich Warren, der gerade seinen Trinkbecher absetzte.Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber es ist sicher nichts banales." Er wollte weiterreden, verstummte aber, deutete mit dem Kopf auf jemanden hinter mir und wandte sich seinem Essen zu. Kurz darauf setzte sich jemand neben mich.
Ich sah Darrel überrascht an. Er sah anders aus als sonst. Er trug zivile Kleidung und seine Flügel sahen kamen durch einen Schlitz in seiner Jacke. „Ich wollte mich bedanken", sagte er und zum zweiten Mal verblüffte er mich. In seiner Stimme schwang keine Feindseligkeit mit, wie es sonst immer gewesen war. Darrel, Rémi und Maélys hatten mich schon immer wegen meiner Menschlichkeit für Abschaum gehalten und ich war es gewohnt, dass sie auch so mit mir sprachen. Inzwischen war ich mir ziemlich sicher, dass sie es gewesen waren, die mir die ganzen üblen Streiche gespielt hatten. Doch dieses Mal war es anders, Darrel war anders.
„Keine große Sache", meinte ich und winkte ab. Auf mich wirkte er aufrichtig und ich war nicht nachttragend.Er schüttelte den Kopf. „Doch, war es. Sogar eine sehr große Sache. Du hast mir das Leben gerettet, obwohl ich immer so widerlich zu dir war. Und dafür wollte ich mich zusätzlich entschuldigen."
Ich nickte. Er sah ehrlich zerknirscht aus. „Okay. Entschuldigung angenommen." Was sollte ich auch sonst sagen?
Darrel sah erleichtert aus und wollte aufstehen, doch ich hielt ihn zurück. Ich wollte wissen, woher sein plötzlicher Sinneswandel kam. „Wo gehst du hin?"Er ließ sich zurück auf die Bank fallen und senkte den Blick. „Ich... ich breche die Ausbildung ab. Ich kann das alles nicht. Ich habe mich noch nie so recht mit Kampfsituationen anfreunden können, aber ich dachte damals nicht, dass es so schlimm werden würde. Und jedes Mal, wenn ich jetzt ein Schwert in die Hand nehme, sehe ich dieses zähnefletschende Biest vor mir. Es verfolgt mich bis in meine Träume und... ich kann das hier einfach nicht."
Ich nickte verständnisvoll. Diese Limbs bescherten mir auch regelmäßig Albträume und das Zusammentreffen mit ihnen hatte eine gewisse Paranoia hinterlassen. Selbst wenn es Tag war und auch nur der Wind durch die Blätter strich, fuhr ich jedes Mal mit der Erwartung herum, dass eines von ihnen auf mich zu rannte. Gleichzeitig erinnerte ich mich an den vor Angst gelähmten Darrel und auf einmal konnte ich ihn mir nicht mehr auf einem Schlachtfeld vorstellen.
Ich lächelte ihn aufmunternd an. „Viel Glück da draußen." Ich meinte es ehrlich. Er war nicht der erste und würde auch nicht der letzte sein, der die Ausbildung abbrach, aber es war sicher hart, seinen Vater, ein Ordensmitglied, zu enttäuschen und ein Ausgestoßener zu werden.
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Feather, Sword & Blood
FantasiaIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...