Vierundvierzig

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Vor der Tür fegte mir ein kalter Wind entgegen und nahm die Wärme des Tees in meinem Magen mit sich. Schweigend kehrten wir zu unseren Pferden zurück und warteten dort auf die Farrow-Brüder.

Mich hatte die Gesichte des Mannes mitgenommen. Ob es Caden genauso ging, konnte ich nicht sagen, aber ich sah ihm an, dass ihn etwas beschäftigte. Doch da ich wusste, dass er es mir ohnehin nicht sagen würde, fragte ich gar nicht erst.
 
„Was sagst du zu der ganzen Sache?", wollte er plötzlich wissen und erwischte mich damit eiskalt. Ich war schon überrascht, dass er überhaupt freiwillig ein Gespräch mit mir anfing. Sicher, in den letzten drei Wochen hatte sich unsere Beziehung soweit verbessert, dass wir uns nicht mehr gegenseitig an die Gurgel wollten, sobald wir im selben Raum waren, trotzdem behandelte er mich weiterhin wie den unwissenden Neuling, den er stets aus allen wichtigen Unterredungen raushielt. Dass er mich jetzt nach meiner Meinung fragte, war mehr als ungewöhnlich. Doch ich würde mir nicht die Chance entgehen lassen, ihm zu beweisen, dass ich nicht das dumme und unaufmerksame Anhängsel war, für das er mich halten musste.
 
„Ganz ehrlich? Für mich macht das alles keinen Sinn", sagte ich und musst zugeben, dass es mich Mut kostete, das auszusprechen. Ich wollte ihre jahrelange Ermittlungsarbeit sicher nicht anzweifeln, aber vielleicht nutzt ihnen mein mehr oder weniger objektiver Blick.

Ich wusste nicht, ob das auch Cadens Intention gewesen war. Er sah mich einfach abwartend an, woraufhin ich meinen Gedanken weiter ausführte.

„Ich sehe einfach kein Motiv. Zwei tote Ausgestoßene werden gefunden und es wird eine neue Limb-Art vermutet, woraufhin der Orden einen Trupp schickt, um dem nachzugehen. Gut. Aber wenn Bisset tatsächlich so alt und sein Trupp so unerfahren war, warum hat man dann ausgerechnet ihn auf diese Mission geschickt? Girard sagte mir, dass es eine einfache Mission sein sollte. Eine Patrouille, wie du sagtest. Aber damals hätte man sich denken müssen, dass diese Mutationen nicht so harmlos sind, wenn sie schon zwei Ausgestoßene getötet haben."

Caden runzelte die Stirn. „Du willst damit also sagen, dass Girard...?"

Meine Augen weiteten sich. „Warte, Girard? Ich dachte, er wäre erst vor knapp drei Jahren der Commandant des Lager geworden."

„Das ist er auch. Aber vorher hatte er das Kommando über die Trupps. Er hat Bissets Trupp auf diese Mission und somit in ihren Tod geschickt."

Abwehrend hob ich die Hände. „Moment mal! Ich will damit überhaupt nichts sagen!", widersprach ich ihm, „Es ist nur seltsam. Mehr nicht." Alleine der Gedanke, dass Etienne Girard für den Tod meines Bruders verantwortlich sein könnte, war unerträglich. Schließlich war er nicht nur der beste Freund meines Vaters gewesen, sondern auch das, was einem Onkel am nächsten kam. Er würde das Lex niemals antun.
 
Noch immer sah der Sergent mich an. Seine Hand lag auf dem Griff seines Schwertes und ich sah förmlich, wie es in seinem Kopf arbeitete. Anscheinend war er doch nicht das loyale Ordensmitglied, für das ich ihn bei unserer ersten Begegnung gehalten hatte.

„Mach weiter", forderte er mich jetzt auf.

Ich räusperte mich und brauchte einen Moment, bis ich meinen Faden wiederfand. „Also Bissets Trupp wird hier her geschickt, um nachzuforschen. Sie folgen der Spur bis in dieses Dorf und auf dem Rückweg werden sie plötzlich von diesen Mutationen und Leuten mit Schusswaffen überfallen. Warum sollten die Angreifer das tun? Hat der Trupp etwas herausgefunden, was er nicht sollte? Und wenn ja, was?"

Das waren genau die Fragen, wegen denen wir hier waren. Wenn wir sie beantworten konnten, würden wir vielleicht auch ihre Mörder finden.
 
Langsam nickte Caden und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass er mehr wusste als er zugeben wollte. Doch bevor ich weiter nachhaken konnte, kamen die Farrow-Brüder angelaufen.

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt