Dreiundvierzig

391 43 1
                                    

In den nächsten drei Wochen umrundeten wir großzügig die Stadt und klapperten sämtliche Dörfer der Umgebung ab, doch niemand wollte die sogenannten Monster gesehen haben.

Ich begann langsam das Leben als Nomadin zu genießen. Dieses einfache Leben hatte seinen ganz eigenen Charme. Es war auf das rudimentärste reduziert, aber dadurch lernte man die selbstverständlichen Dinge wie eine Dusche oder ein Bett wieder schätzen. Einmal mussten wir im winterlichen Wald übernachten, ein anderes Mal kamen wir zusammen mit einem anderen Trupp in einer Herberge unter. Jeder Tag war anders und wenn man aufstand, wusste man nie, was einen erwartete. Kurz gesagt, schon jetzt liebte ich dieses Leben.
 
Die Jungs hatten mich ohne Umschweife in ihren Trupp aufgenommen und sogar Caden hielt sich an unsere Abmachung, die wir an dem Abend in der Stadt geschlossen hatten. Er war lange nicht so schweigsam wie vor unserem Gespräch, obwohl er sich mir gegenüber weiterhin viel kühler gab als bei Benson oder Jules. Außerdem zog er mich ständig auf, aber das war mir wesentlich lieber, als wenn er mich ignorierte. Gegen seine Worte konnte ich mich wehren, gegen seine stummen Gedanken und Blicke nicht.

Doch seltsamerweise verliehen unsere Schlagabtausche mir Selbstvertrauen. Bei ihm musste ich mich nicht zurücknehmen und wenn ich es tatsächlich schaffte, ihm eins auszuwischen, erfüllte mich das nicht nur mit Genugtuung, sondern auch mit Stolz. Wenn ich es schaffte Caden Milani sprachlos zu machen, schaffte ich das auch bei allen anderen. Trotzdem blieb es mir ein Rätsel, warum er bei mir grundsätzlich auf Distanz blieb. Aber ich kam damit klar.

Die Farrow-Brüder glichen das mit ihrer Herzlichkeit wieder aus. Sie schafften es ab und zu sogar unseren Sergent auftauen zu lassen. Selbst wenn es nur kurz war. Sie sorgten nicht nur dafür, dass Jills Verrat langsam verblasste, sondern gaben mir auch das Gefühl, dass ich schon immer zu ihnen gehört hatte und es tat gut wieder Teil von einer Art Familie zu sein.
 
Heute morgen waren wir früh aufgebrochen, um zum nächsten Dorf zu gelangen. Es lag ziemlich weit abseits und als wir dort ankamen, war es bereits Nachmittag. Sogar für ein Dorf war es ziemlich klein und lag am Rand des Carrey-Waldes, der auch auch der Stadt angrenzte. Und es war ziemlich arm, wie ich schnell feststellte. Jede Stadt und jedes Dorf, das etwas auf sie hielt und genug Geld hatte, ließ seine Straßen asphaltieren oder zumindest pflastern, hier war die Hauptstraße lediglich ein erdiger Weg, der vom Frost und den Pferdehufen festgetrampelt worden war. Es gab einige Häuser, eine Farm und Felder, die die Bewohner in den wärmeren Jahreszeiten wohl bestellten und deren Erträge sie in der großen Scheue lagerten.

Von weitem wirkte es friedlich, sogar fast idyllisch wie es unter einer dicken Schneedecke in der Landschaft lag, aber ich wusste, dass der Eindruck täuschen konnte. Menschen suchten sich dieses Leben aus bestimmten Gründen aus und heutzutage war es meistens die Flucht aus der Gesellschaft. Die meisten Dörfer, die so abgelegen waren, bestanden entweder aus Limbs, die Frieden und Ruhe suchten, oder aber aus Menschen, die sich vor den Limbs fürchteten oder - was noch viel schlimmer war - sie so abgrundtief hassten, dass sie ihre Anwesenheit nicht ertrugen.

Was es auch war, ich zog automatisch meine Flügel an und überprüfte, ob das Brandzeichen an meinem Handgelenk ganz von meinen Bracelets verdeckt wurde. Auch wenn unsere Umhänge und die Schwerter ebenfalls dezente Hinweise für unsere Mitgliedschaft bei dem Orden waren.
 
Obwohl ich in den letzten Wochen schon durch einige Dörfer gekommen war und die Bekanntschaft mit den verschiedensten Menschen und Limbs gemacht hatte, spürte ich, dass an diesem etwas anders war. Ich war mir ziemlich sicher, dass die anderen drei Ailés den verdorbenen Geruch von Feinseligkeit auch schon von weitem wahrnahmen, aber sie schienen sich nicht daran zu stören. Das oder sie waren es gewöhnt. Schließlich waren sie schon ein wenig herumgekommen und immer wieder traf man auch Limbs oder Menschen mit solch altertümlichen Einstellungen. In dieser Sache waren die Stadtmenschen dann doch aufgeschlossener als die, die auf dem Land wohnten.
 
Zielsicher ritt Caden auf die Farm zu und stieg neben einem Zaun ab, bei dem eine Tränke stand und zerbrach die dünne Eisschicht, die sich über die Oberfläche gezogen hatte, damit unsere Pferde trinken konnten.

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt