Elf

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Als ich am nächsten Morgen wie immer alleine am anderen Ende des Tisches saß und frühstückte, setzte sich plötzlich jemand auf den Platz gegenüber. Überrascht sah ich auf und blickte in Warrens Gesicht.

„Was?", fragte er.

„Bist du dir sicher, dass du dich hier hinsetzen willst? Du weißt, dass du dich damit zur Zielscheibe machst."

„Hey, du hast mich gestern gerettet. Das ist das mindeste, was ich tun kann." Er stellte seinen Teller ab, ignorierte die Blicke der anderen und ich biss mir auf die Lippe, um das Lächeln zu verbergen. Es tat gut, nicht mehr alleine zu sein.
 
Ich wandte mich wieder meinem Essen zu. Wir schwiegen eine Weile, bis er sich ein wenig in meine Richtung lehnte.

„Nur aus Neugier: Hast du das gestern ernst gemeint mit den Glasscherben in den Schuhen und den aufgeschlitzten Kissen?"

Ich hob eine Augenbraue. „Was glaubst du denn?"

Er warf einen schnellen Seitenblick zum anderen Ende des Tisches. Die Blicke, die sich von dort aus in ihn bohrten, waren Antwort genug. Er lehnte sich wieder zurück und tauchte seinen Löffel wieder in sein Müsli. „Na toll. Jetzt werde ich jeden Morgen meine Schuhe ausleeren müssen, bevor ich sie anziehe", murmelte er möglichst beiläufig. Aber ich sah ihm an, wie sehr in das traf. Das war schon nicht mehr gemein, das war sadistisch. Vor allem weil uns Yates an dem Tag wieder einmal hatte Runden laufen lassen.

„Ist besser so. Glaub mir", entgegnete ich und gab mir Mühe, möglichst cool zu klingen.
 
„Aber warum hast du nie etwas gesagt?", hakte er nach.

Ich lachte auf. „Was sollte ich denn sagen? Sie anschwärzen? Bei wem? Yates vielleicht? Sie würde wahrscheinlich etwas von Kindergarten murmeln und hätte einen weiteren Grund, mich aufzuziehen. Den liefere ich ihr nicht noch selbst. Außerdem kann ich meine Probleme alleine lösen."

Er nickte und vermutlich wussten wir beide, dass der letzte Teil mehr oder minder gelogen war. Ich löste nichts, ich ließ ihre grausamen Streiche einfach über mit ergehen und hoffte, dass sie sich irgendwann langweilen würden. Aber es lag weniger an meinem Selbstvertrauen, sondern vielmehr an meinen Fähigkeiten. Ich dachte einfach praktisch. Sie würden mich fertigmachen und mit blauen Flecken trainierte es sich schlecht.
 
„Es gibt noch etwas, was ich nicht verstehe", meinte Warren, „Warum hast du mir gestern geholfen?"

Ich winkte ab. „Das hatten wir doch schon gestern."

„Ja, aber warum ich? Ich meine, ich bin ein Niemand und du..."

Jetzt sah ich auf. „Was? Eine Lennox?"

Er zuckte zustimmend mit den Schultern. „Weißt du, Warren, ein Nachname ist nur ein Nachname. Er bedeutet leider noch lange nicht, dass du akzeptiert wirst, wie du siehst. Ich muss mindestens genauso hart arbeiten und dabei habe ich den ständigen Druck, mit meinem großen Bruder und meinem Vater verglichen zu werden."

Er presste für einen Moment die Lippen zusammen. „So habe ich das noch gar nicht gesehen...", flüsterte er dann.

„Ich denke das haben die meisten nicht." Ich biss ein weiteres Mal in mein Brötchen.

„Aber du musst doch zugeben, dass es auch einige Vorteile hat", grinste er.

Ich schnaubte spöttisch. „Und die wären?", fragte ich mit vollem Mund.

„Naja, ich meine, du wurdest von Caden Milani rekrutiert. Habe ich zumindest gehört."

„Und was ist daran zu so toll? Caden Milani ist ein Arsch."

Warren schnaubte als hätte ich ihn soeben persönlich beleidigt.

„Was habt ihr nur alle mit diesem Milani? Maélys schwärmt auch ständig von ihm." Ich verdrehte jedes Mal die Augen, wenn er zufällig vorbei kam und sie und einige anderen Ailées deswegen völlig aus dem Häuschen waren.
 
„Du bekommst wirklich gar nichts mit, oder?"

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt