Einundfünzig

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Es war Nachmittag als wir im Viertel der Spotts ankamen. Die Kinder sahen uns schon von weitem und rannten lachend neben unseren Pferden her. Auch der kleine Junge, dem ich vor einer Woche meine Feder geschenkt hatte, war darunter und ich zog ihn kurzerhand zu mir in den Sattel. Er strahlte.

Vor dem Haus, in dem Eve wohnte, kamen wir zum Stehen und ich gab den Kleinen seiner Mutter zurück, die mich so herzlich anlächelte, dass sich meine Brust zusammenzog. Wenn ich hier eines gelernt hatte, dann, dass leuchtende Kinderaugen etwas kostbares waren. Während die meisten sich mit Geld und Macht aufhielten, war das das eigentlich erstrebenswerte.

Benson und Jules standen inzwischen in der Tür des heruntergekommenen Gebäudes. Der ältere Farrow hatte seinen Arm um Eves Taille gelegt. Die Spott schien sich seit unserem ersten Treffen verändert zu haben. Die Falte auf ihrer Ebenholzstirn schien nicht mehr so tief und sie sah lange nicht mehr so abgemergelt aus. Jules schien ihr gut zu tun.

„Da ist ja einer von den Toten auferstanden", meinte Benson und grinste.

„Sehr richtig", entgegnete Caden, „Der Urlaub ist vorbei."

Wir ging zu ihnen und Jules löste sich von Eve, um seinen Sergent per Handschlag zu begrüßen. „Gut siehst du aus. Wir haben uns schon Sorgen gemacht."

„Mir geht's gut. War nur eine Fleischwunde." Als Beweis zog er sein Lederoberteil und das Leinenhemd ein wenig zur Seite, damit die Brüder die verheilte Wunde sehne konnte.

„Nicht schlecht", lobte Ben und wandte sich an mich, „Wo wart ihr?"

Ich spürte Cadens Augen auf mir ruhen, aber ich ignorierte ihn. „Bei der Krankenschwester des nächsten kleinen Dorfes. Caden kennt sie und sie hat uns Unterschlupf gewährt." Das war nicht mal gelogen, ich hatte einfach die Tatsache verschweigen, dass es seine Mutter gewesen war. Benson gab sich mit dieser Antwort jedoch zufrieden.

„Was ist mit euch? Irgendwas neues?"

„Nicht wirklich", gestand Jules, „Wir sind der Spur der Mutationen im Wald gefolgt, aber irgendwann haben sie sich verloren. Wir haben nichts."

Um ehrlich zu sein, hatte ich auch nichts anderes erwartet. Wenn sie so leicht zu finden gewesen wären, wäre Bissets Trupp damals nicht so ziellos durch die Gegend geirrt.

Caden nickte langsam und sah dann zu mir. Ich zuckte minimal mit den Schultern. Es war seine Entscheidung.

„Also, Sergent. Wo geht's jetzt hin?", wollte auch Benson wissen.

„Wir werden in Richtung Norden reiten und uns in der nächsten Stadt ein wenig umsehen", entschied Caden und sah schließlich Eve an, „Heute Nacht würden wir noch hier bleiben, wenn wir dürfen."

„Es wäre uns eine Ehre", meinte sie mit ihrer vollen Stimme und lächelte.

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Der Abschied am nächsten Tag fiel länger aus. Eve wollte Jules kaum gehen lassen und sie erinnerte mich an eine Frau, die ihren Mann dem Krieg überlassen musste. In gewisser Weise tat sie das auch, selbst wenn zur Zeit offiziell Frieden herrschte. Die politische Lage hatte sich noch immer nicht gebessert, weil weiterhin Leichen auftauchten. Meistens waren es Ailés, deren Tod man den Menschen zuschrieb. Ich beobachtete wie sich die beiden Fronten immer mehr verhärteten und bildete mir ein, das auch in der Bevölkerung wahrzunehmen. Wenn das so weiter ging, war es nur eine Frage der Zeit bis ein neuer Krieg ausbrach.

Wir waren Soldaten und dass unsere Arbeit nicht gerade ungefährlich war, hatte Eve spätestens nach dem Angriff der Mutationen begriffen. Sie machte sich Sorgen und vermisste Jules vermutlich schon als wir kaum fünf Minuten weg waren. Das letzte Mal hatten sie nur eine Nacht miteinander gehabt, dieses Mal war es eine Woche gewesen. Vermutlich war ihnen der Abschied dieses Mal noch schwerer gefallen als das letzte Mal. Doch selbst Benson schien sich bei den Spotts wohlgefühlt haben und war seltsam ruhig als wir das zweite Mal innerhalb von einem Monat die Stadt hinter uns ließen.

Jules lenkte seine Fuchsstute neben mich. „Wundert mich, dass ihr beiden euch in der letzten Woche nicht umgebracht habt."

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt