Zweiundfünfzig

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Der Ritt zu der Stadt, in die Cadens und Jacobs Trupp vor einigen Jahren geschickt worden waren, um Brieftauben zu spielen, war anderthalb Tage entfernt.

Wir waren schon früh los geritten, trotzdem hatten wir unser Ziel vor Eintritt der Dunkelheit noch lange nicht erreicht. Vielmehr waren wir weit abseits jeglicher Zivilisation. Die Nacht war unschön, da wir in einer alten Jagdhütte mitten im Wald übernachten mussten. Zwar hatten wir ein Dach über dem Kopf und erweckten den verstaubten Kamin wieder zum Leben, trotzdem war es verflucht kalt. Sogar für uns als Ailés. So warm der Tag auch gewesen war, so frostig wurde es, sobald die Sonne hinter dem Horizont verschwand.

Das letzte Mal als mir so kalt gewesen war, hatte uns Yates während unserer Ausbildung mitten im Wald übernachten lassen. Im tiefsten Winter und bei knietiefen Schnee. Überlebenstraining hatte sie es genannt und uns erzählt, dass es durchaus vorkam, dass Trupps auch in der freien Natur übernachten mussten, wenn gerade keine Ausgestoßenen in der Nähe wohnten.
 
Genau wie damals brachte ich kaum ein Auge zu und war dementsprechend hundemüde als wir am nächsten Morgen weiter ritten. Als die Sonne wieder hinter den Wolken hervor kroch, schloss ich genießerisch die Augen und genoss die Wärme, die von ihr ausging. Allerdings machte mich das furchtbar schläfrig.

Gegen Mittag war es so schlimm, dass ich meinen Kopf kurz auf Leils Hals ablegte. Das nächste, was ich wahrnahm, war ein Licht und Gelächter. Ruckartig riss ich meinen Kopf nach oben und verlor im gleichen Moment endgültig das Gleichgewicht. Im Schlaf waren meine Stiefel aus den Steigbügeln gerutscht, weshalb ich jetzt keinen Halt hatte und endgültig aus den Sattel rutschte. Weil ich in einem Haufen Tiefschnee fiel, war meine Landung zwar einigermaßen weich, aber auch arschkalt.
 
Geschockt schnappte ich nach Luft und brauchte noch einige Sekunden, bis ich begriffen hatte, was überhaupt los war. Die Jungs hatten sich in dieser Zeit längst kaputt gelacht und sogar Caden liefen die Tränen über die Wangen.

„Hinreißend", keuchte Jules und wedelte mit dem Foto herum, das er gerade geschossen hatte. In seiner anderen Hand hielt er noch seine Polariod.

„Ich wusste nicht, dass man so schlafen kann", prustete auch Benson.

„Siehst du doch, dass das geht", schmollte ich und versuchte mich von dem Pulverschnee zu befreien. Leil streckte mir neugierig seinen Nase entgegen und wollte an meinem Umhang knabbern, der inzwischen mehr weiß als braun war. Als ich mich wie ein Hund schüttelte, um den kalten Schnee loszuwerden, schnaubte er empört und warf den Kopf zurück.
 
Ich verzog den Mund. „Jaja. Sehr lustig. Können wir dann weiter?"

„Bereit wenn du es bist", entgegnete Caden, schaffte es aber nicht sein Schmunzeln zu verbergen.

Ich schüttelte noch einmal meine Flügel aus, was bei Benson einen weiteren Lachanfall auslöste, dann ritten wir weiter.

„War unsere Schlafstätte heute Nacht nicht nach Eurem Geschmack, Hoheit?", meinte Caden nach einigen Metern, „Das Leben als Ailé ist hart, was?"

Ich hatte nur darauf gewartete, dass er mir wieder eins reinwürgte. Trotz unseres Waffenstillstandes in der letzten Woche war Caden immer noch Caden. Dementsprechend unbeeindruckt reagierte ich. „Ich komme klar. Aber sehr umsichtig, dass du dir Sorgen um mich machst, Milani."

Er schnaubte. „Bilde dir nichts ein, Lennox. Ein müder Ailé ist ein toter Ailé. Ich will nur nicht, dass du mir meine Chancen auf den Aufstieg zum Adjudant zunichte machst."

Tatsächlich überraschte mich seine Aussage. Ich hätte Caden für niemanden gehalten, der sich nicht sonderlich für Ränge interessierte.
 
„Werde ich schon nicht", entgegnete ich, „Und ich verspreche, dass ich in Zukunft meine Nachtruhe ein wenig ernster nehme. Einer muss dir ja auf dem Schlachtfeld den Arsch retten."

Feather, Sword & BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt