Vierundachtzig

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Je näher ich dem abgelegenen Gebäude kam, desto nervöser wurde ich. Noch immer hatte ich keine Ahnung, was genau ich zu ihm sagen sollte, aber jetzt würde ich nicht mehr umkehren. Deshalb nahm ich all meinen Mut zusammen und schob die Tür auf.
 
Das warme Licht einer Öllampe strömte mir aus dem hinteren Teil des Stalls entgegen und der Geruch von Pferdefell und Mist stieg mir in die Nase. Mir fiel erst jetzt auf wie sehr ich Leil vermisst hatte. Während wir unterwegs gewesen waren, hatte er mich Tag für Tag begleitet, seit wir zurück waren, hatte ich allerdings nur wenig Zeit gehabt, um mich um ihn zu kümmern. Erst fürchtete ich, dass mir der Rappe das ein wenig übel nahm, aber sobald ich mich seiner Box näherte, reckte er mir seinen Kopf entgegen. Ich musste lächeln, als er mir seine warme Schnauze direkt ins Gesicht streckte und versuchte an meinen Haaren zu knabbern. Sobald ich ihn jedoch zu kraulen begann, gab er sich zufrieden und schloss genießerisch die Augen.
 
„Wurdest du auch aus deinem Zelt vertrieben?", wollte Caden wissen. Wie immer wenn wir alleine waren, wechselte er ins Englische.

Leils und Asras Box waren direkt nebeneinander und wurden nur durch zwei Bretter auf Brust- und Kniehöhe voneinander getrennt, durch die der Adjudant mich jetzt ansah. Er saß mitten in einem Haufen Stroh auf der Decke, die er auch dabeihatte wenn er auf Mission war. Auf seinem Schoß lag ein Block und er ließ gerade den Kohlestift sinken, den er in der Hand hatte.

„Die Haarfarbe war wohl nicht das einzige, was sich an meinem Bruder verändert hat. Seit neustem schnarcht er auch", entgegnete ich in der gleichen Sprache.

Cadens Mundwinkel zuckte. „Ich weiß. Ist mir auch schon aufgefallen."

Natürlich. Schließlich schliefen wir außerhalb des Lagers meistens in einem Raum. Daher wusste ich auch, dass Benson manchmal im Schlaf Dinge vor sich her murmelte.
 
Caden senkte seinen Blick wieder auf seine Zeichnung und plötzlich überkam mich die Unsicherheit. „Wenn ich dich störe..."

„Du störst nicht. Um ehrlich zu sein, würde ich mich freuen wenn du mir Gesellschaft leistest."

Ich war so überrascht über seine Ehrlichkeit, dass ich für einen Moment sogar vergaß Leil zu streicheln. Allerdings wies er mich sofort darauf hin, indem er mich unsanft anstupste. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, bevor ich mich über den Zaun schwang und auf dem Balken zwischen den beiden Boxen Platz nahm. Meinen Bogen, den Köcher und meinen Gürtel mit meinem Schwert legte ich in das Stroh. Asra schnupperte jetzt seinerseits an mir, jedoch nahm mich mein Hengst ganz für sich ein, indem er mir seinen riesigen Kopf förmlich auf den Schoß legte.

„Kein Grund eifersüchtig zu sein", murmelte ich und setzte meine Streicheleinheit fort.
 
„So", setzte ich an, weil ich die seltsame Stille nicht ertrug, „Du wurdest also aus deinem eigenen Zelt vertrieben?"

„Benson und Jules waren so großzügig und haben ihre Zelte ein paar verletzten Wächtern überlassen", erläuterte er, ohne mich anzusehen, „Sie dachten, dass sie bei mir unterkommen könnten, nur haben diese Idioten sich nicht abgesprochen, weshalb sie beide vor meinem Zelt standen. Zu dritt war es dann doch ein wenig zu eng."

„Deshalb bist du ausgewandert."

Er nickte. „Ich hätte mir denken können, dass ich das dir zu verdanken habe."

Überrascht hob ich die Augenbrauen. „Mir?"

„Es war doch deine Idee, dass ein paar Ailés den Menschen ihre Unterkünfte überlassen, oder nicht?"

„War es", gab ich zu, „Dass du dir mit Asra eine Box teilen musst, war zwar nicht meine Intention, aber wenn ich so darüber nachdenke, ist es ein netter Nebeneffekt."

Caden lachte. Es war einer der seltenen Momente, in denen es echt war. Wirklich echt.
 
„War ja klar, dass dir das gefällt", entgegnete er schließlich.

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