Erst hatte ich gedacht, es wäre schön, frei zu haben. Aber bereits am dritten Tag nach der Zeremonie langweilte ich mich zu Tode. Anfangs hatte ich abwechselnd Gaspard besucht oder mir zusammen mit Jules und Benson die Zeit vertrieben, doch mit der Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich vor allem dem Schmied ein wenig auf die Nerven ging. Er leugnete das zwar, aber ich wusste es. Und die Farrow-Brüder hatten selbst ein paar Dinge zu erledigen, wobei ich ihnen nicht im Weg herumstehen wollte.
Deshalb war ich gestern ziellos auf dem Gelände umhergeirrt und hatte vergeblich nach irgendeiner Aufgabe gesucht. Da ich mir dabei allerdings ziemlich dumm vorgekommen war, stand ich heute mal wieder auf dem Trainingsplatz und wartete darauf, dass irgendjemand mich herausforderte. Doch entweder hatten es die Ordensmitglieder jetzt, da ich eine von ihnen war, die Interesse verloren, sie waren heute allesamt zu faul oder aber sie hatten aufgegeben, da sie ohnehin verlieren würden.
So saß ich am Rand der Lichtung auf einem Stein und beobachtete eine andere Gruppe Rekruten dabei, wie sie zu zweit gegeneinander kämpften und immer wieder von ihrem Ausbilder Korrekturen zugerufen bekamen. Ihr Training war nicht wie das von Yates. Miró brüllte sie nicht an oder war herablassend. Im Gegensatz zu meiner Ausbilderin war er geradezu freundlich. Trotzdem duldete er keine Widerrede und noch weniger Respektlosigkeit. Keiner legte sich mit ihm an, aber keiner hasste ihn. Eine gute Mischung, wie ich fand. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass er auch Chloés Ausbilder gewesen war, und fragte mich, ob sie noch leben würde, wenn sie bei Yates gelernt hätte. Ich wusste, es war schwachsinnig darüber nachzudenken, aber ich konnte nicht anders. Die Frage nach der Schuld eben.
Gerade beobachtete ich einen Jungen dabei, wie er einen heftigen Schwerthieb von seiner Gegnerin einstecken musste. Hätten sie mit echten Schwertern gekämpft, wäre er jetzt tot gewesen.„Rechte Flanke vernachlässigt", murmelte ich und fuhr weiterhin die Ranken auf meinem Schwert nach, das auf meinem Schoß lag. Diesen Fehler hatte ich früher selbst nur zu gerne gemacht.
„Du vermisst das Training doch nicht jetzt schon, oder?"
Erschrocken fuhr ich herum und griff gleichzeitig nach dem Griff meines Schwertes.
„Wow, ganz ruhig, Guerrière." Jules hob die Arme und ich entspannte mich wieder.
„Ich weiß nicht", beantwortete ich seine Frage und ließ den Griff wieder los, „Vielleicht vermisse ich nur das Gefühl, zu wissen, was ich zu tun habe." Ich suchte nach einem neuen Ziel, wobei ich mich an dem orientierte, was ich kannte. Und das war nunmal das Training.
„Dafür gäbe es eine Lösung", meinte er und setzte sich neben mich.Ich überging seine Anspielung geflissentlich, da ich ahnte, wohin das hier führen sollte. Doch ich stellte mich dumm: „Was machst du hier? Willst du mich herausfordern?" Ich zeigte auf sein Schwert, das an seinem Gürtel hing.
Er schüttelte schnell den Kopf. „Ich versuche, aussichtslose Kämpfe grundsätzlich zu vermeiden."
Ich lachte. „Danke für die Blumen. Was machst du dann hier?"
„Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass Caden so ekelig benommen hat."
„Was? Caden schickt dich, damit du dich für ihn entschuldigst? Das ist nett von dir, aber richte ihm aus, dass er das gefälligst selbst tun soll."
„Würdest du deine Entscheidung dann revidieren?"
„Vermutlich nicht."
„Gut."
Ich runzelte die Stirn. „Gut? Ist das umgekehrte Psychologie? Du bist doch hier, um mich zu überreden, doch noch eurem Trupp beizutreten, oder?"
Er seufzte und hob ertappt die Hände. „Erwischt. Es ist nur ziemlich unmöglich, Caden dazu zu bringen, sich zu entschuldigen. Aber eigentlich ist er gar nicht so übel."
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Feather, Sword & Blood
FantasiIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...