Warren zu finden, war schwieriger als gedacht. Am Vormittag hatten sämtliche Rekruten Vorlesungen in verschiedenen Räumen und es kostete mich die ganzen 15 Minuten, um das Zimmer zu finden, in dem der Taktik-Unterricht stattfand. Neben Gesichte, in der die Kriege des letzten Jahrhunderts systematisch auseinander genommen wurden, um sie auf politische, militärischen und gesellschaftlichen Aspekten zu untersuchen, war es eines der wichtigsten Fächer.
Ausnahmsweise hatte ich einmal Glück und gerade als ich ankam, ging die Tür auf und die Rekruten kamen heraus. Mit seinen stattlichen 1,96 Metern ragte Warren wortwörtlich aus der Menge heraus. Ich schlängelte mich zwischen den ganzen Ailés hindurch und packte ihn am Ärmel.
„Aria", rief er überrascht, „Was gibt's? Reist ihr schon ab?"
„Noch nicht ganz", entgegnete ich und zog ihn ein wenig abseits, „Ich wollte dich um einen Gefallen bitten."
„Klar. Alles, was du willst."
Ich senkte meine Stimme. „Es geht um die Verzeichnisse der Schmieden. Wir müssten etwas nachschauen."
Seine großen Augen wurden schmaler. „Woher weißt du davon?", fragte er misstrauisch.„Von Caden."
„Und woher weiß Milani davon?"
Dieses Mal war es an mir die Stirn zu runzeln. „Warum willst du das wissen? Ist das denn ein Geheimnis? Wir müssen nur etwas nachschauen."
Warren legte mir seine Pranke von Hand auf die Schulter und schob mich sanft in einen einsamen Gang. Dann beugte er sich zu mir herunter. „Die Verzeichnisse, Aria, sind Teil des Archives", flüsterte er so leise, dass ich ihn kaum verstand.
Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Das ist hier?"
„Nicht so laut", zischte Warren und sah sich unruhig um.
Die berühmten Archive der Ailé konnte man mit der Bibliothek von Alexandria vergleichen, jedoch waren die genauen Orte der insgesamt drei Sammellager für alle nur erdenklichen Informationen streng geheim. Schon im Zeitalter der Computer hatte man erkannt, dass die einzige wertvolle Währung Informationen waren. In der postdigitalen Ära hatte sich daran nichts geändert. Allerdings war das Speichern jetzt wesentlich komplizierter als damals, weshalb man die unzähligen Akten in Archiven unterbrachte. Und da es auf der einen Seite sehr praktisch, aber auch unheimlich riskant war, alles an einem einzigen Ort aufzubewahren, wussten nur die ranghöchsten Ordensmitglieder, wo genau sie sich befanden.
„Ich habe keine Ahnung, woher Caden das weiß. Er hat nur von einem Verzeichnis gesprochen. – Moment, woher weißt du davon?"Plötzlich wirkte Warren ertappt. „Ähm... vielleicht habe ich womöglich einen der Ailés beobachtet, der zu denen gehört, die das Archiv pflegen und ständig aktualisieren..."
Er kratzt sich am Nacken und ich lächelte. „Die Neugier liegt dir wohl im Blut, was? Keine Sorge, von mir erfährt niemand etwas. Könntest du uns trotzdem helfen? Es ist wirklich wichtig."
„Geht es um die Mutationen, die uns damals im Training angegriffen haben?" Schon damals hatte er vermutet, dass die hohen Tiere des Ordens uns bezüglich dieser Biester etwas verschwiegen hatten.
„Ja, es hat damit zu tun."
Doch er schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Aria. Aber das Archiv ist... Wenn eine falsche Person davon erzählt, könnte das der Untergang des ganzen Ordens sein. Es ist eine Sache zu wissen, wo es liegt, aber eine andere den Eingang zu kennen."„Bitte, Warren. Wir suchen nach dem Mörder meines Bruders. Außerdem..." Ich zögerte. Dass es einen Verräter unter den Ailés gab, hatte ich ihm nie erzählt, da ich mir nicht ganz sicher war und ihn nicht in Gefahr bringen wollte. Doch jetzt... Ich vertraute Warren, weshalb ich mir schließlich einen Ruck gab und ihm von den Nigreos und dem Oxidium berichtet. Nur das mit den Pistolen behielt ich für mich.
Nachdem ich ihm alles erläutert hatte, schluckte er hart. „Klingt ernst."
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Feather, Sword & Blood
FantasiIm letzten Jahrhundert hat sich die Welt verändert. Eine Genmutation brachte neben den Menschen weitere Spezies hervor. Kriege, in denen nahezu das gesamte Wissen über moderne Technologie verloren ging, forderten über zwei Milliarden Leben und zerri...