Während die Geschichtslehrerin Mrs. Yang mit dem Rücken zu ihrer Klasse an der Tafel stand und munter über die Industrialisierung und deren Einfluss auf die letzten Jahrhunderte berichtete, hatte sich Suga unauffällig nach draußen auf den menschenleeren Flur geschlichen.
Den Weg zum Musikraum kannte er bereits wie seine Westentasche und sein Herz hüpfte vor Freude, als er schließlich vor der hölzernen, einen Spaltbreit offenen Tür stand.
Grelles Sonnenlicht flutete durch die Erkerfenster des Zimmers und ließ den großen Flügel in der Ecke in einem göttlichen Glanz erstrahlen.
Der Teenager setzte sich auf den Hocker, lockerte die Hände und legte sie behutsam auf die Tasten der blank polierten Klaviatur.
Er schloss die Augen und konzentrierte sich, leerte seinen Kopf von all den fiesen Gedanken, die ihn förmlich aufzufressen drohten.
Stille umfing ihn, drückend und auch ein bisschen angenehm.
Ein kleines Lächeln erschien auf Sugas Gesicht.
Dann begann er zu spielen, wurde eins mit der Musik.
Die Melodie, die er den Tiefen des Flügels entlockte, war traurig und wunderbar zugleich.
Sie ließ ihn vergessen, dass er existierte.
Ließ ihn vergessen, dass er verliebt war.
Ließ ihn so vieles vergessen, über das er keine Kontrolle hatte.
Nichts war mehr wichtig, nur er und die Musik.
Wenigstens für einen Moment.
Jimin verstand nur wenig davon, was die Lehrerin da vorne erzählte und gähnte laut.
Sofort fingen einige der Schüler an zu lachen, widmeten sich jedoch sofort ihren Heften und notierten seelenruhig das, was Mrs. Yang ihnen diktierte.
Hoseok war neben ihm auf seinem Sitz eingeschlafen und döste mit offenem Mund vor sich hin, schrak aber im selben Moment wieder hoch, als er die grimmige Miene der Lehrerin vor sich erblickte.
"Na, was haben wir uns denn über die Industrialisierung notiert?", meinte Mrs. Yang und blickte kopfschüttelnd auf das mit poetischen Zeilen voll gekritzelte Blatt Papier auf Hoseoks Tischplatte.
Jimins Notizen dagegen waren bereits randvoll, woraufhin die Geschichtslehrerin nur nicken konnte.
"Gute Arbeit, Park Jimin. Sie scheinen ja ziemlich viel über dieses Thema zu wissen, dafür dass Sie noch nie etwas über Industrialisierung gehört haben...wie auch immer. Schneiden Sie sich davon ruhig eine Scheibe ab, Jung Hoseok!"
Mit diesen Worten drehte Mrs. Yang sich wieder um und schritt zurück zur Tafel, Hoseok zog einen Schmollmund:
"Och Mann. Ich möchte auch hexen können!"
Jimin grinste und schnippte mit den Fingern.
Die Buchstaben auf seinem Papier zerflossen zu einem Brei aus dunkler Tinte und verfestigten sich kurz darauf auf Hoseoks Notizblock.
Jimins Blatt war nun übersät mit den poetischen Kritzeleien, was Sugas Bruder ins Staunen brachte.
"Cool, Danke. Hey, gibt es irgendetwas, was du nicht kannst?", fragte er begeistert und wedelte das Papier vor seinem Gesicht herum, damit die Tinte schneller trocknete.
Die junge Hexe entgegnete:
"Na ja, an meiner Schule dürfen wir so etwas eigentlich nicht. Diese Zauber habe ich mir sozusagen geborgt, für den Fall, dass ich mal bei einer Prüfung nicht weiter komme. Mein bester Freund Taehyung hat in unserem Zimmer einen ganzen Stapel voll mit Zauberbüchern, wo solche Sprüche drin stehen. Die meisten benutzt er jedoch nur für seine Rezepte, er braut nämlich Zaubertränke..."
"So etwas gibt es echt?", rief Hoseok und riss überrascht die Augen auf.
"Ich dachte, das gibt es nur in Harry Potter - ist ein sehr bekannter Film über einen Jungen, der - vielleicht können wir ihn ja mal ansehen. Hey, kannst du Taeyung nicht bitten, mal einen Trank für Jin zu brauen, wenn er irgendeinen seiner Witze los lässt. Dann hält er die Klappe..."
Doch Jimin hörte nicht mehr zu.
Sein Blick schweifte zu Sugas Platz hinüber, der verdächtig leer aussah.
Während Hoseok noch redete, hob Jimin den Arm und fragte:
"Ähm, Entschuldigung - ich müsste mal kurz für kleine He - kleine Jungs!"
Die Lehrerin rollte mit den Augen, was sie immer tat, wenn einer der Schüler ein dringendes Bedürfnis mitten in ihrer Stunde zu erledigen hatte.
Doch dann nickte sie und Jimin lief aus dem Raum, zog die Tür hinter sich zu.
Obwohl er nicht zur Toilette musste, verschwand Jimin kurzerhand in eine der Kabinen und hexte mittlerweile zum vierten Mal.
Mithilfe einer blonden Haarsträhne und dem richtigen Zauber erschuf die junge Hexe eine exakte Kopie von sich selbst und schickte sie zurück zum Klassenzimmer, wo es Mrs. Yang sicher nicht auffallen würde.
Danach schlüpfte Jimin hinaus und ging schnurstracks den Gang entlang, immer seiner Hexennase nach.
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Witch Hunt || Yoonmin ✔
Fanfic"You say witch like it's a bad thing." Min Yoongi hat den Glauben an Übernatürliches längst verloren. Als zweitjüngster Sohn von zwei berühmten Hexenjägern versteht er einfach nicht, warum sich seine Eltern so intensiv mit diesem Thema beschäftigen...