Später am Abend, als alle schon friedlich im Bett lagen und von süßen Schafen träumten, stahl sich Jimin noch einmal hinunter in Namjoons gruseliges Versteck.
Der beißende Geruch der Furunkel hing noch sehr gedämpft in der Luft, konnte aber Jimin nichts mehr anhaben.
Mit einem Ruck zog er den roten Samtvorhang beiseite und trat in den mit schwachem Mondlicht erleuchteten Raum.
Groteske Schatten tanzten über die nackten, mit den Zeitungsartikeln tapezierten Wände und tauchten das staubige Zimmer in einen geisterhaften Schein.
Mutig schlich die junge Hexe näher in den Raum hinein, stieg über den friedlich dösenden und immer noch ohnmächtigen Namjoon hinweg, der hinter einem mannshohen Regal lag.
In der Ecke des Zimmers stand ein großer Schreibtisch, der mit allem möglichem voll gestellt war.
Zerbrochene Glasphiolen mit einer schimmernden, dunklen Flüssigkeit, die verdächtig an Blut erinnerte und deren Inhalt über die zerkratzte Tischplatte verteilt war.
Töpfe und Tiegel zum Zermahlen von Kräutern wie Furunkel.
Geschwärzte Bleistiftzeichnungen von Pentagrammen auf altem, rissigen Pergament, dessen Ränder im Mondlicht mysteriös glitzerten.
Ein Dutzend Kerzen, bis auf den Docht komplett nieder gebrannt.
Voodoo - Puppen, die Jin und dem Rest seiner Familie verwirrend ähnlich sahen...
Jimin wurde ganz schwindelig von all dem Zeug, was da so verstreut lag und fragte sich fieberhaft, wie Namjoon das alles über all die Jahre angehäuft haben konnte.
Das meiste hatte er bestimmt von seinen Vorfahren geerbt oder hatte es jedes Mal, wenn er durch das Portal in die Hexenwelt gekommen war, heimlich mitgenommen.
Kim Namjoon war förmlich besessen von der Hexenwelt und welche Geheimnisse, welche Fähigkeiten sie ihm offenbarte, nur um diese dann gegen die Manyeos einzusetzen.
Es zeugte von purem Wahnsinn.
Jimin schluckte und richtete seinen Blick auf die hintere Wand des Raumes, wo ein mit einem schwarzen Tuch bedecktes Gemälde hing.
Neugierig zog er daran und sein Herz setzte für einen Schlag ganz kurz aus:
Das Bild zeigte einen hünenhaften, in eine stählerne Rüstung gekleideten Mann, der mit einem riesigen Schwert bewaffnet über einer sich windenden Gestalt aufragte.
Seine mandelförmigen, vernarbten Augen blitzten und sein Mund war zu einem stummen Kriegsschrei weit aufgerissen, während er sich langsam aber sicher darauf vorbereitete, der unschuldigen Manyeo den Kopf abzuhacken.
Das musste der Seelenbrecher sein, vor dem Jin so schreckliche Angst gehabt hatte...
Ohne zu zögern, hängte Jimin das Tuch zurück über das Gemälde und wollte gerade wieder nach oben gehen, da fiel ihm eine schimmernde Kristallkugel auf einem roten Samtkissen ins Auge.
Auf der Akademie hatte man ihnen beigebracht, wie man solche Kugeln verwendete, um in die Zukunft oder in die Vergangenheit sehen zu können.
Jimin faszinierte diese Art von Magie sehr und hatte schon immer eine eigene Kugel gewollt, die aber leider in der Hexenwelt äußerst teuer und kostbar waren.
Sie wurden aus speziellen Diamanten hergestellt, die so starke Zauberkraft in sich trugen, dass selbst die mächtigste Manyeo an ihr verzweifelte.
Doch Jimin wollte es unbedingt versuchen.
Behutsam strich er über das matte, im Mondlicht schimmernde Glas der Kugel und versuchte, sich an den Spruch zu erinnern, mit dem man sie aktivieren konnte.
Nach einer Weile fiel es ihm ein und er murmelte die magischen Worte, die sich in der drückenden Stille irgendwie laut anhörten.
Umo Ka-ji,
Umo Na-ji
Umo Ko-se
Umo La-jiWas gestern war,
mag heute mein,
zeige mir was du versprichst zu sein!Ein greller Lichtblitz fuhr in die Kugel und satte Farben und Formen wirbelten in dem Glas umher, bildeten Buchstaben:
Was ist dein Begehr, kleine Manyeo?
So sprich nur den Namen aus und er wird dir gewährt!
Um bestimmte Personen oder Orte in einer Kristallkugel zu sehen, musste man einige Regeln befolgen, damit der Zauber auch Wirkung hatte.
Der Name der Person sollte nicht zu lang sein oder der Ort zu weit weg, um ihn mittels Magie zu erreichen.
Wenn die Person, die man sehen wollte, tot oder in einer Zeitschleife gefangen war, konnte die Kugel keinen Kontakt herstellen.
Außerdem hatte die Kugel ein eingebautes Sicherheitssystem, das jeden fernhalten sollte, der sie missbrauchte - wie beispielsweise Namjoon.
Bestimmt hatte er keinen blassen Schimmer davon, wie sie funktionierte...
Jimin holte tief Luft und wisperte:
"Kim Taehyung!"
Die Buchstaben verschwanden, an ihre Stelle trat nun das wabernde Bild ihres gemeinsamen Zimmers in der Akademie.
Jimins Hyung stand über seinen Kessel gebeugt und rührte eifrig die Zutaten für den Liebestrank um, ein schmaler Streifen Mondlicht fiel durch das geöffnete Bogenfenster.
Es musste bereits kurz vor Mitternacht in der Hexenwelt sein und Taehyung schien auch schon ziemlich müde.
Aber wie Jimin ihn kannte, konnte ihn so etwas nicht von seinen Tränken abhalten.
Als Taehyung kurz davor war, einzunicken, schoss plötzlich eine pinke Rauchsäule aus den Tiefen des Gebräus hervor und der Trank verfärbte sich grellrosa - genau wie es in seinem Zauberbuch abgebildet war.
Er hatte es geschafft!
"Heureka!", rief Taehyung begeistert und griff nach einer kleinen Phiole, füllte eine Kostprobe von dem Liebestrank hinein.
Dann löschte er das Feuer und legte sich ins Bett, stellte die Phiole auf den Nachttisch daneben.
Während er mehr als zufrieden ins Land der Träume geschickt wurde, murmelte er:
"Schade, dass Jimin nicht hier ist. Es hätte ihm sicher gefallen..."
Das Bild verblasste und die Kugel wurde wieder matt.
Noch eine ganze Weile stand Jimin da und betrachtete die Kristallkugel, das vertraute Gesicht von Taehyung erschien vor seinem inneren Auge.
Er hatte es ganz alleine geschafft, den Liebestrank zu brauen - nur von den Zutaten, die Jimin ihm gesammelt hatte.
Was hätte er dafür gegeben, seinen Erfolg nach all den Stunden harter Arbeit zu feiern...
Die junge Hexe seufzte und wandte sich zur Zimmertür, schlich zurück nach oben in die Wohnung.
Als Jimin sich wenig später selbst schlafen legte, kämpfte er wieder einmal mit den Tränen.
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Witch Hunt || Yoonmin ✔
Fiksi Penggemar"You say witch like it's a bad thing." Min Yoongi hat den Glauben an Übernatürliches längst verloren. Als zweitjüngster Sohn von zwei berühmten Hexenjägern versteht er einfach nicht, warum sich seine Eltern so intensiv mit diesem Thema beschäftigen...