Witch Hunt || Yoonmin ✔

75: Geistesblitz

Das sonst so fröhliche und freche Gesicht von Kim Taehyung war einer kalten, monotonen Maske gewichen.

Wie gelähmt hockte er da, die Hände in seinen dunklen Haaren vergraben und mit leerem Blick.

Jimin, der überglücklich war, ihn nach all der Aufregung gesund und munter zu sehen, schloss ihn in die Arme und drückte seinen Hyung ganz fest.

Sie hatten sich so viel zu erzählen, wenn sie erstmal wieder in der Akademie waren - allein Gott wusste, ob Jimin diese Schule je wieder betreten konnte.

Nicht nur, dass Namjoon vielleicht kurz davor war, sie beide ans Messer zu liefern.

Vielleicht würde Madam Sakura Jimin für seinen unerwarteten Ausflug in die Menschenwelt ja sogar von der Akademie verweisen und ihm jegliche Teilnahme an zukünftigen Elementaren verbieten, bis zu seinem Lebensende.

Wenn er ehrlich war, war ihm das sogar ein bisschen lieber als bei lebendigem Leib geröstet zu werden oder was auch immer Namjoon vor hatte zu tun.

Er musste optimistisch bleiben und einen kühlen Kopf bewahren.

Vielleicht kam dann auch irgendwann seine Hexkraft zurück.

"Was ist passiert, Hyung? Wie - woher wusste Namjoon, wo er dich finden würde, die Akademie ist doch nur so von Schutzzaubern umringt..."

Taehyung zog geräuschvoll die Nase hoch und entgegnete kleinlaut:

"Er hat mich geschnappt, als ich gerade im Wald Kräuter gesammelt habe. Es ging so schnell, ich konnte noch nicht mal mehr weglaufen - ich hatte so Angst, dass ich jeden Moment sterben würde. Er hat mich hier eingesperrt und bis jetzt habe ich noch keinen Weg gefunden, um hier raus zu kommen!"

Er rüttelte fieberhaft an den Gitterstäben.

"Siehst du, hart wie Stein. Kein Zauber könnte das jemals durchdringen, Hyung...wir sitzen in der Falle!"

Kraftlos ließ Taehyung den Kopf sinken, Jimin hatte ihn noch nie so erlebt - so pessimistisch und sein vermutliches Ende akzeptierend.

Das durfte einfach nicht sein.

Und auf einmal hatte Jimin eine Idee, wie er vielleicht an den Schlüssel zum Käfig kommen und sie beide befreien konnte.

Die junge Hexe ballte die Fäuste und schrie, so laut er konnte:

"HEY, DU WICHT! ICH MUSS MAL FÜR KLEINE HEXEN. ALSO, LASS MICH GEFÄLLIGST RAUS, VERSTANDEN?"

Taehyung runzelte die Stirn.

"Jetzt ist bestimmt nicht der Zeitpunkt für Experimente, Hyung - wir müssen hier raus, sofort. Sonst sind wir wirklich Hexenbraten und ich werde meine Hexenprüfung niemals ablegen können - ich werde niemals ein anerkannter Zaubertrankmeister - mein Leben ist so was von vorbei..."

Dicke Tränen kullerten ihm über die Wange, er heulte wie ein Schloßhund und konnte sich gar nicht beruhigen.

Jimin zischte:

"Hör auf zu flennen, lass mich nur machen. Du wirst sehen, im Handumdrehen sind wir wieder frei..."

Taehyung nickte zaghaft und verstummte abrupt, als Namjoon direkt vor ihrer Nase auftauchte.

Er hatte sich beinahe geräuschlos bewegt und Jimin fragte sich fieberhaft, ob seine Stiefel irgendwie schalldämpfend waren.

"Stört mich gefälligst nicht bei der Arbeit!", keifte er, fischte den Schlüssel aus seiner Hosentasche und steckte ihn grimmig murmelnd ins Schloss.

"Sollte das ein Trick sein, werdet ihr dafür büßen, das verspreche ich euch. Bei Merlins Grab, ihr macht mir nichts als Ärger..."

Schon sprang die Käfigtür auf und Jimin kletterte hinaus, lächelte zerknirscht:

"Ähm - er muss auch mal ganz dringend..."

Er deutete auf Taehyung, der den Hexenjäger mit großen Hundeaugen anstarrte und extrem süß dabei wirkte.

"Ja, genau...", stotterte er.

"Hexen haben schließlich auch Bedürfnisse, vergessen Sie das nicht..."

Namjoon zischte:

"Ihr sollt mich nicht siezen! Bin ich denn nur von Idioten umgeben? Zum letzten Mal, ich bin 25 und noch sehr jung, damit das klar ist - "

"Ach so?", lachte Jimin, trieb es an die Spitze.

"Für mich siehst du aus wie 40 - hat dir der Seelenbrecher nicht auch so etwas wie einen Verjüngungstrank da gelassen, das ist doch der letzte Schrei unter euch Bösewichten..."

Das war eindeutig zu viel.

Namjoons Hand schnellte vor und packte Jimin an der Kehle, schüttelte ihn hin und her:

"Du miese, kleine Manyeo. Du sollst in der Hölle schmoren, dafür dass du meinen Vater beleidigt hast - "

Jimin sah Sterne vor seinen Augen tanzen und holte sein letztes Ass aus dem Ärmel.

"Ah, was zum - ", rief der Hexenjäger angeekelt und bedeckte sein Gesicht mit den Fingern, Spucke rann ihm über die Wangen.

Taehyungs eben noch niedergeschlagene Miene hellte sich auf:

"Jimin, was hast du gemacht? Das ist einfach brillant, selbst ohne Hexerei - "

"Erkläre ich dir später, jetzt müssen wir hier weg!", meinte Jimin und griff nach seinem Arm, zog ihn mit sich über die Felsen.