46

5.1K 138 20
                                    


Lizzy
Ezra?", fragte ich erschrocken. Ich war mir nicht ganz sicher. Eigentlich konnte ich den Rücken ziemlich gut zuordnen, aber was ich da sah konnte ich nicht glauben.

Ezra löste sich aus einem Kuss und drehte sich dann zu mir um.

Er sah ziemlich blass aus, als er mich erblickte.

„Lizzy- ich äh- ich kann das erklären. - Das ist- ähm." Er war so verzweifelt, nach irgendeiner Ausrede zu suchen.

Die andere Person kannte ich nur zu gut. Es war Dylan aus meinem Mathekurs. In meinem Kopf tauchten so viele Fragen auf.

„Kannst du uns kurz alleine lassen?", fragte er Dylan. Dieser guckte mich nur entschuldigend an und ging dann aber.

Ezra ließ sich gegen die Wand fallen und starrte an die Decke. Als ob er erstmal nachdenken müsste.

„Bitte erzähl das niemanden", sagte er dann etwas leiser.

„Ich erzählte das niemanden", sagte ich und setzte mich zu ihm.

Er stützte den Kopf auf seine Hände und dann fing er völlig unerwartet an zu weinen. Er wirkte so gebrochen, dass es mir schon leid tat. Auch wenn es Ezra ist.

„Ich mag Männer", schluchzte er.

Seine Aussage warf Fragen in meinem Kopf auf. Ich meine natürlich habe ich nichts dagegen. Ganz im Gegenteil, ich supporte das total. Und doch fragte ich mich, wieso er dann solange mit mir zusammen war.

Auf mich wirkte er immer wie der straighteste Typ, den ich kenne. Er hat selber schon so oft irgendwelche Witze, über Schwule gemacht, was ich damals schon widerlich fand.

„Ich habe es erst bemerkt, als wir schon ungefähr ein Jahr zusammen waren." Ich streichelte ihm mittlerweile über den Rücken.

„Ich habe die ganze Zeit mich selber dazu gezwungen, Frauen gut zu finden. - Aber es hat mich wirklich nie angemacht, wenn wir irgendwie rumgemacht haben oder so. Es tut mir wirklich leid", redete er weiter. Er hat mir bisher nicht einmal in die Augen geschaut, sondern starrte nur auf den Boden. Er schämte sich dafür.

„Ich wollte unbedingt Sex mit dir haben, um es mir selber zu beweisen, dass ich Frauen mag."

„Aber warum?", fragte ich dazwischen.

„Ich meine, was ich so schlimm daran, dass du Männer magst?"

„Ich glaube, wenn das rauskommen würden, würden sich alle über mich lustig machen. Ich hatte so große Angst davor es irgendjemanden zu erzählen." Ihn darüber so sprechen zu hören, machte mich selber traurig. Er sollte sich doch nicht schämen, für denjenigen der er ist.

„Ich habe zuerst mit meinem Vater darüber geredet und dachte er könnte das vielleicht verstehen. - Ich meinte damals nur, ich denke ich würde auch Männer mögen und gleich darauf hat er mich angeschrien und meinte, er würde mich enterben. - Von der Sekunde an, habe ich mich so ungewünscht und unnormal gefühlt. Brandon und so haben in dieser Zeit von ihren ganzen One-Night-stands erzählt und daher wollte ich unbedingt auch etwas mit dir haben. - Ich wollte es mir selber einfach irgendwie beweisen."

Ich hätte nie im Leben gedacht, was Ezra eigentlich durchgemacht hat. Stattdessen habe ich ihn verurteilt, habe ihn für ekelig gehalten.

Aber eigentlich sind diese Menschen, die ihn dafür verurteilen ekelig.

„Dann habe ich irgendwann bei einer Feier deinen Kumpel Dylan kennengelernt. - Es war die erste Person, zu der ich mich wirklich hingezogen gefühlt habe und dann an Jackson's Party haben wir das erste Mal rumgemacht."

Ich hätte nicht gedacht, dass er schon so lange etwas mit Dylan hat.

„Warum hast du es nie Brandon oder so gesagt? Das sind deine Freunde, du kannst mit ihnen darüber reden."

„Du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein unbeschreiblich schreckliches Gefühl war von seinem eigenen Vater so verachtet zu werden. Ich wollte nicht, dass die anderen mich auch noch ekelig finden, wie ich mich selber fühlte."

Nein, ich wollte nicht das er sich dafür schlecht fühlte und vor allem hasste ich es, dass wir im einundzwanzigsten Jahrhundert leben und manche Menschen trotzdem noch so alte Ansichten haben.

Das machte mich einfach nur traurig. Ich meine, das sagt nichts über eine Person aus. Lass sie doch einfach so leben, wie sie am glücklichsten ist. Ich verstehe das nicht.

„War das der Grund, weshalb du im Badezimmer geweint hast?"

Er nickte wieder. „Unter anderem. Einer meiner Lehrer hat einen homophoben Spruch gemacht und die meisten fanden es auch noch witzig. Und das hat mich einfach traurig gemacht, da ich mich schon dafür schäme, wer ich bin."

Erst jetzt guckte er mich wieder an und zum ersten Mal konnte ich den alten Ezra wieder erkennen, den ich kennengelernt habe und in den ich mich damals verliebt habe.

„Lizzy". Sein ganzer Körper zitterte.

„Es tut mir so schreckliches Leid. Ich weiß, wie sehr ich dich verletzt habe. Und auch wenn ich keine Mädchen mag, hat es mich irgendwie verletzt dich mit Brandon so zu sehen. Genau deswegen, habe ich gesagt ich hätte dich betrogen. Oder als ihr mein Auto angemalt habt."

Das fiel mir erst jetzt wieder ein und mit einmal Mal hatte ich so ein schlechtes Gewissen.

„Es tut mir auch leid", entschuldigte ich mich schnell dafür.

Ich ließ meinen Kopf gegen seine Schulter fallen, sowie früher.

„Ich habe dich trotzdem geliebt. Wahrscheinlich nicht auf die gleiche Weise wie du. Aber du warst immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben."

Das tat wirklich gut das zu hören. Ich habe mich solange gefragt, was der eigentliche Grund für unsere Trennung war.

Ich dachte immer er hätte mich nie richtig geliebt, das es nur einseitig war.

Ich nahm seine Hand und drückte diese einmal fest.

„Ich verstehe nicht, wieso du nicht so sauer auf mich bist."

Ich lächelte. „Ich war sauer auf dich. Oder eigentlich immer noch und du hast mich verletzt. Aber du bist auch verletzt. Ich weiß, dass es dir genauso schlecht geht wie mir und jetzt weiß ich, dass alles aus einem Grund war, das du nicht, sowie ich dachte, mich abgrundtief gehasst hast."

Ich sah zu ihm herauf. Mittlerweile sind seine Tränen verschwunden. Ich bin einigermaßen über ihn hinweg gekommen, mit Hilfe von Chloe und Brandon.

„Dankeschön Lizzy." Er drückte mich weiter an sich heran und mit einem Mal, fühlte es sich genauso an wie früher. Genauso lag ich immer in seinen Armen und er hat mich getröstet, immer wenn ich Stress mit meiner Familie hatte.

flying high Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt