Heute war es soweit. Endlich wieder ein Konzert! Ich war schon so gespannt und hatte so unendlich viel Lust darauf! Neugierig lugte ich aus dem Fenster, um die Innenstadt von Graz zu sehen. Wie oft bin ich schon durch diese Straßen gegangen, war ich doch vier Jahre immer mal wieder hier wegen meines Studiums. Doch heute ist es anders. Heute gibt es keine Verpflichtungen, kein Lernen, keinen Stress. Heute ist ein ganz besonderer Tag für mich. Ich lasse meinen Blick noch ein Stückchen weiter schweifen, bis er den Grazer Uhrturm erreicht. In ein paar Stunden werde ich dort oben sein und endlich wieder meine Lieblingsband live sehen. So ganz echt, nicht nur live über YouTube, Instagram oder Tiktok. Klar war das in den letzten beiden Jahren toll, die Band trotz dieser schwierigen Zeit über Social Media so hautnah erleben zu können. Aber ein richtiges Konzert kann einfach nichts toppen. Schon gar nicht nach diesen letzten beiden Jahren. „Hey du Träumerin!" reißt mich meine beste Freundin aus meinen Gedanken „Bist du bereit?" Ich strahle übers ganze Gesicht. „Na klar!" rufe ich, schnappe mir noch schnell meinen Silbermond Turnbeutel und bin schon zur Türe raus. Fürs Konzert sind wir noch viel zu früh, aber ich will meiner Freundin vorher noch ein bisschen was von Graz zeigen. Schließlich ist sie noch nie hier gewesen. Nachdem wir durch die Herrengasse geschlendert waren, kommen wir zum Fluss, der durch Graz fließt. „Komm mit, wir müssen zur nächsten Brücke, da will ich dir was zeigen!" sage ich und ziehe sie mit mir.
Bei der nächsten Brücke angekommen, deute ich auf das Brückengeländer. „Schau mal! Die Leute hängen hier Schlösser auf, um ihre Liebe zu besiegeln. Ich dachte, wir könnten für unsere Freundschaft ein Schloss aufhängen. Damit wir auch wenn wir alt und grau sind, noch immer so tolle Freunde sind." Aus meiner Tasche ziehe ich ein goldenes Schloss, auf das ich unsere beiden Namen geschrieben hatte. Meine Freundin nimmt mich in den Arm. „Wie süß bist du eigentlich! Ich hab dich so lieb!" „Schau dir das Schloss mal genau an" sage ich mit einem Grinsen im Gesicht. Meine Freundin dreht das Schloss um und sieht auf der Rückseite das heutige Datum und >>Irgendwas bleibt – SILBERMOND<< eingraviert. „Haha! Ein bisschen verrückt bist du schon! Aber genau das lieb ich an dir!" lacht sie. „Komm, wir suchen jemanden, der ein Bild von uns macht, wenn wir es aufhängen". Wir gehen in die Mitte der Brücke und schauen uns um. „Da wird's ja wohl jemanden geben, der ein Foto von uns machen kann" sage ich genervt, als schon drei Leute trotz unseres Ansprechens einfach weiter gegangen sind. Plötzlich tippt mir meine Freundin auf die Schulter. „Du, äh, versprich mir, dass du jetzt nicht durchdrehst, aber schau mal, wer da grade über die Brücke kommt." Ich drehe mich verwundert um. Da kommen so viele Leute die Brücke entlang, wen soll ich denn da sehen? Plötzlich stockt mir der Atem. Nein, das kann nicht sein. Ich schließe kurz die Augen und mach sie wieder auf, doch ich sehe sie immer noch – vier Personen, die direkt auf uns zukommen. Die vier Personen, von denen ich dachte, dass ich sie erst heute Abend auf der Bühne sehen werde. „Vergiss bloß nicht zu atmen" sagt meine Freundin und boxt mir sanft gegen den Arm. „Und deinen Mund solltest du auch zumachen, sonst siehst du ziemlich doof aus" lacht sie. Endlich erwache ich aus meiner Schockstarre. „Ich...äh...soll ich was sagen?" frage ich meine Freundin mit großen Augen. „Naja, ich glaub nicht, dass du noch einmal in deinem Leben so eine Gelegenheit haben wirst" antwortet sie.
Kurz bevor die Monde bei uns ankommen, bleiben sie stehen und lehnen sich ans Brückengeländer. Thomas und Johannes reden miteinander und sehen zum Fluss hinunter. Stefanie lehnt sich mit dem Rücken dagegen, schließt die Augen und streckt ihr Gesicht in die Sonne. Nowi betrachtet die Schlösser, die am Brückengeländer hängen. Meine Freundin schnappt mich am Arm und zieht mich in die Richtung der Monde. „Komm! Jetzt oder nie!" sagt sie. Als wir vor den vieren zum Stehen kommen, nehme ich allen Mut zusammen „Äh, Entschuldigung. Dürfen wir euch kurz stören?" frage ich schüchtern. Stefanie öffnet ihre Augen und sieht mich mit einem Lächeln im Gesicht an. „Na klar! Wer seid ihr denn?" Als wir beide uns vorstellen, drehen sich auch die drei Jungs zu uns um. „Seid ihr hier aus Graz?" fragt uns Johannes. „Nein, wir kommen aus Kärnten – genauer gesagt aus Klagenfurt" antwortet meine Freundin. „Ach, da haben wir ja auch schon mal gespielt" sagt Nowi erfreut. „Stimmt! Auf dem Konzert war ich auch. Aber das ist doch schon ein paar Jahre her" lache ich. „Wann war denn das?" überlegt Johannes. „2007" gebe ich ihnen die Antwort. „Was?" ruft Stefanie „Das kann doch nicht schon 15 Jahre her sein! Und heute seid ihr nur wegen uns hergefahren?" fragt sie. „Ja sicher! Aber so weit ist es ja gar nicht. Nicht einmal 2 Stunden. Ich glaube da gibt's Fans, die heute sicherlich von viel weiter her kommen" sagt meine Freundin. „Schließlich ist es das erste Konzert seit Ewigkeiten" füge ich hinzu. Da entdeckt Stefanie das Schloss, das ich immer noch in meiner Hand halte. „Oh, zeig mal! Wollt ihr das hier aufhängen?" Zögernd strecke ich ihr meine Hand entgegen. Ein bisschen peinlich ist es mir schon vor ihnen, dass ich am Schloss Silbermond eingravieren hab lassen. Zuerst betrachtet sie aber nur die Seite mit unseren Namen. „Seid ihr beide zusammen?" fragt sie uns lächelnd.
„Nein, wir sind beste Freunde" erkläre ich ihr „Aber unsere Freundschaft bedeutet uns einfach alles. Wir sind immer füreinander da und können auf die andere zählen, egal worum's geht." Stefanie wirft einen Blick zu ihren drei Jungs. „Sowas kenn ich auch" sagt sie mit einem Lächeln „Und wenn man gut drauf aufpasst, bleibt das für immer." Dann dreht sie das Schloss um und entdeckt die Gravur auf der Rückseite. Stefanie schmunzelt. „Genau das hab ich grad gemeint" sagt sie und zwinkert uns beiden zu. „Können wir vielleicht noch ein Foto machen?" frage ich immer noch ein wenig verlegen. „Hey, entschuldige!" ruft Thomas da auch schon einen jungen Mann herbei, der grade an uns vorbei geht „Kannst du mal ein Foto von uns machen?" fragt er ihn. Ich drücke dem Mann mein Handy in die Hand. Überglücklich stelle ich mich zwischen Stefanie und Thomas und grinse in die Kamera. „Können wir mit meinem für Instagram auch noch eines machen?" fragt Stefanie und hält dem jungen Mann ihr Handy hin „Oder wollt ihr das lieber nicht?" sieht sie meine Freundin und mich fragend an. „Klar! Voll gerne" grinsen wir beide und können es immer noch nicht fassen. Schließlich signieren uns die vier sogar noch unsere Konzerttickets. Dann verabschieden wir uns von den vieren. „Bis heute Abend" ruft uns Stefanie noch über ihre Schulter zu als sie weitergehen. Mit strahlenden Augen sehe ich meine beste Freundin an. „Ist das grade wirklich passiert?" Nun hängen wir endlich unser Schloss an die Brücke und beschließen, vor dem Konzert noch etwas essen zu gehen. Als wir auf unser Essen warten, sehen wir nach, was es auf Instagram so Neues gibt. Ich schau mir die Story von Silbermond an und kann mich nur schwer auf meinem Platz halten. Steff hat tatsächlich unser gemeinsames Foto gepostet. >>Wir freuen uns schon auf heute Abend<< hat sie darunter geschrieben. Und wie wir uns erst darauf freuen! Die Zeit bis dahin scheint überhaupt nicht zu vergehen. Doch endlich ist es soweit.
Wir haben einen Platz recht weit vorne ergattern können. Die Vorband macht schon eine super Stimmung. Und dann geht es endlich los. Die ersten Töne erklingen und ich erkenne sofort >>Was Freiheit ist<<. „Schön, dass wir euch alle endlich wiedersehen können!" ruft Stefanie nach dem Lied ins Mikrophon, während die Jungs schon die Einleitung zu >>Silbermond<< spielen. Ich genieße jedes einzelne Lied und kann es immer noch nicht glauben, nun endlich hier zu stehen – auf dem Konzert, auf das ich schon so lange gewartet habe. Meine Emotionen fahren Achterbahn während des Konzerts. Und die Zeit verfliegt viel zu schnell. Wir sind schon bei der Zugabe angekommen und alle schreien so laut es geht „Bestes Leben!". Das ist es wirklich. Einen Arm um meine beste Freundin gelegt, hüpfen wir das ganze Lied über mit. Als Stefanie nach diesem Lied zu sprechen beginnt, weiß ich sofort, dass ich so schnell wie möglich meine Taschentücher raus holen muss. Schon als sie eine Geschichte von ihrem Vater erzählt, habe ich Tränen in den Augen. Während des Lieds muss ich an meine Liebsten denken, die schon von uns gegangen sind. Und als während der zweiten Strophe auch noch Stefanies Stimme bricht und sie nicht mehr weitersingen kann, kann auch ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Nach dem Lied braucht Stefanie einen Moment, um sich wieder zu fangen.
Als sie den Jungs ein Zeichen gibt, dass sie bereit ist, beginnen sie mit dem nächsten Lied. Sofort habe ich ein Lächeln im Gesicht. Es ist >>Irgendwas bleibt<<. Die Jungs spielen noch ziemlich leise und Stefanie beginnt zu reden: „Wisst ihr, das nächste Lied hat eine besondere Bedeutung für mich. Es gibt Menschen im Leben, die immer für einen da sind, die einem Halt geben in jeder noch so schwierigen Zeit und die zu einem stehen, egal was passiert. Ich hoffe, dass jeder von euch zumindest eine solche Person hat. Heute Nachmittag waren wir in der Stadt unterwegs und haben zwei junge Frauen getroffen. Die haben ein Schloss für ihre Freundschaft an ein Brückengeländer gehängt, damit sie ewig hält." Meine Freundin und ich sehen uns mit großen Augen an. Erzählt Steff grade echt von uns? „Die beiden sind jetzt auch hier irgendwo! Wo seid ihr denn?" fragt Stefanie. Nach kurzem Zögern strecken wir beide unsere Hände hoch und winken. „Hey, schön euch wiederzusehen!" ruft sie in unsere Richtung, als sie uns entdeckt hat. Ich spüre, wie ich bis in die Haarspitzen rot werde. „Wisst ihr, was die beiden auf ihrem Schloss eingraviert haben?" fährt Stefanie wieder an das ganze Publikum gewandt fort „Den Titel unseres nächsten Songs – Irgendwas bleibt!" Während des ganzen Liedes liegen meine Freundin und ich uns in den Armen und heulen. Es ist einfach zu schön. Wir spüren beide unsere tiefe Verbundenheit. Der heutige Tag hat uns noch mehr zusammen geschweißt und wir werden diese Momente sicherlich niemals vergessen.
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