2018:
An einem kalten regnerischen Novembertag kommt Nowi völlig durchnässt im Proberaum an. Er hat wieder mal seinen Schirm zu Hause vergessen. Als er den Proberaum betritt, ist es viel zu leise. Plötzlich hört er ein Quietschen. Als er seine nasse Jacke abgelegt und sich ein wenig abgetrocknet hat, betritt er den großen Raum, in dem sie immer musizieren. Dort entdeckt er den Kleinen unter seinem Spielbogen auf einer Decke liegen. Er quietscht vergnügt vor sich hin. Nowi lässt seinen Blick weiter durch den Raum wandern, bis er bei Stefanie ankommt, die völlig in Gedanken versunken, zusammengekauert auf der Couch sitzt. Sie kaut auf ihren Nägeln und scheint ihn gar nicht zu bemerken. Er räuspert sich, doch Stefanie reagiert immer noch nicht auf ihn. Darum geht er zur Couch, setzt sich zu ihr und legt ihr vorsichtig den Arm um die Schultern. Stefanie zuckt zusammen und sieht mit großen Augen auf. „Entschuldige, ich wollt dich nicht erschrecken, Steff. Ist alles gut bei dir?" fragt Nowi. Stefanie schüttelt leicht den Kopf. „Kannst du eine Weile auf den Kleinen schauen? Thomas ist mit Hannes in der Stadt, um ein Geschenk für Annemarie zu besorgen. Die sollten bald da sein. Und ich muss einfach mal kurz raus" erklärt Stefanie und steht schon auf, ohne eine Antwort von Nowi abzuwarten. Sie wirft sich ihre Jacke über und setzt sich eine Mütze auf, dann ist sie auch schon ohne Schirm bei der Tür raus. Nowi sieht ihr verwirrt nach und setzt sich dann zum Kleinen auf den Boden, um ihn auf den Arm zu nehmen. Er hat eben zu quengeln begonnen. Vorsichtig steht er auf und trägt ihn leicht schaukelnd durch den Raum, damit er sich wieder beruhigt.Hannes und Thomas sind gerade mit dem Auto auf dem Weg zum Proberaum. Leider etwas zu spät, aber in der Stadt war trotz des schrecklichen Wetters so viel los. Gerade sind sie an der letzten Kreuzung in Richtung Proberaum abgebogen, als Hannes meint „Sag mal, war das grade Steff, die dort entlang gelaufen ist?" Thomas wirft einen kurzen Blick in den Rückspiegel und kann eine kleine, schwarz gekleidete Gestalt ausmachen, die in eine Seitengasse einbiegt. „Ach Quatsch. Was soll denn Steff bei dem grauenhaften Wetter hier draußen und das auch noch ohne Schirm? Außerdem ist sie ja beim Kleinen" antwortet Thomas und parkt kurz darauf vorm Proberaum ein. Schnell laufen die beiden ins Gebäude und hoch zum Proberaum. Als sie mit einem lauten Hallo die Türe öffnen, kommt ihnen sofort ein „Schhhhh..." entgegen. Grinsend entdecken sie Nowi, der mit dem Kleinen am Arm durch den Raum spaziert „Motti ist eben eingeschlafen, macht doch nicht so einen Krach" tadelt er die beiden. Thomas Miene wird wieder ernster. „Wo ist denn Steff?" fragt er an Nowi gerichtet. Dieser schüttelt nur ratlos den Kopf. „Keine Ahnung, sie sprang vor zehn Minuten auf und meinte, dass sie mal raus muss. Dann war sie weg" erklärt er. „Na hatte ich doch recht, dass das Steff war vorhin" sagt Hannes und sieht Thomas ein wenig vorwurfsvoll an. Thomas zuckt mit den Schultern. „Sie ist seit ein paar Tagen so seltsam drauf. Doch jedes Mal, wenn ich sie darauf anspreche, weicht sie mir aus und meint, dass sie einfach müde sei, weil Motti in der Nacht andauernd wach ist...Ich hab keine Ahnung, was ich tun soll." Etwas hilflos sieht er seine Bandkollegen an. Die drei setzen sich auf die Couch und beratschlagen, was sie machen könnten. Doch jede Idee wird wieder verworfen. Sie wissen alle, dass man an Stefanie nicht rankommt, wenn sie es nicht will. Mittlerweile läuft Thomas unruhig im Raum auf und ab. Wieso kommt sie nicht zurück? Nachdem nun schon fast zwei Stunden vergangen sind und Stefanie immer noch nicht da ist, beschließt Thomas, dass er raus muss, sie suchen.
Gerade als er sich seine Jacke übergezogen hat, öffnet sich die Tür vom Proberaum und eine völlig nasse, durchfrorene und zitternde Stefanie steht vor ihm. Er sieht sofort, dass es nicht nur Regentropfen sind, die ihr über die Wangen laufen. Schützend legt er seine Arme um sie. Es ist ihm vollkommen egal, dass er dadurch ebenfalls völlig nass wird. Als Stefanie sich ein wenig beruhig hat, hilft er ihr aus dem nassen Zeugs raus. Gut, dass sie im Proberaum immer irgendwelche Klamotten rumliegen haben. In einer schwarze Leggins und in einen dicken schwarzen Pulli eingehüllt lässt sie sich von Thomas zur Couch führen. Dort setzt er sich hin und deutet ihr, dass sie sich neben ihn legen soll. Dann bettet er ihren Kopf in seinem Schoß, legt eine Decke über ihren Körper und streicht ihr sanft über das immer noch nasse Haar. Nowi kommt mit einer heißen Tasse Tee und ein paar Keksen aus der Küche und Hannes nimmt den Kleinen hoch, der eben wieder munter geworden ist. Bis auf die paar brabbelnden Laute vom Kleinen ist es vollkommen still im Raum. Keiner weiß, was er sagen soll. Nach einigen Minuten vernimmt Thomas das ruhige Atmen von Stefanie, die erschöpft eingeschlafen ist. Doch auch im Schlaf ist ihr Gesichtsausdruck von Schmerz und Traurigkeit gezeichnet. Thomas kämpft stark mit sich, um seine eigenen Tränen zurückzuhalten. Er hasst es, Stefanie so zu sehen. Überhaupt, wenn er keine Ahnung hat, warum sie so leidet. Kurze Zeit später steht er vorsichtig auf, um Steff nicht zu wecken, und geht mit den anderen beiden und dem Kleinen in die Küche. Motti ist hungrig. Wie gut, dass er seit Kurzem auch Brei isst, sonst müsste er Steff schon wieder wecken. Da auch die Großen Hunger haben, kochen sie auf die Schnelle Nudeln mit Tomatensauce. Nach dem Essen macht Thomas den Kleinen und Nowi die Küche sauber, die aussieht wie nach einer Essensschlacht. Motti hatte mehr Spaß daran, den Brei im Raum zu verteilen, als ihn zu essen. Nowi sieht Thomas gespielt verzweifelt an „Wollt ihr euch das echt jeden Tag antun? Vielleicht solltest du den Kleinen doch lieber wieder an Stefanies Brust hängen." Thomas grinst ihn nur an.