Selbstzweifel

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Der Tag im Proberaum ist heute schon wieder ziemlich lang. Hannes und Nowi sind schon seit einer halben Stunde weg und der Kleine schläft heute bei Simmi. Stefanie und Thomas haben also eigentlich einen freien Abend, doch Thomas sitzt immer noch mit seinen Kopfhörern vorm Mischpult. Stefanie hat bereits die ganze Küche auf- und den Geschirrspüler ausgeräumt. Doch irgendwie fühlt sie sich heute nicht gut. Sie will einfach nur noch nach Hause, sich mit Thomas auf die Couch kuscheln und einen Film ansehen. Darum geht sie zu Thomas, der immer noch ganz vertieft in das Schneiden der neuen Lieder ist. Stefanie legt von hinten ihre Arme um ihn, doch Thomas sieht genervt auf. „Nicht jetzt, Steff" murmelt er. Stefanie geht ein wenig enttäuscht weg und setzt sich auf die Couch, die im Raum steht. Sie nimmt ihr Handy und scrollt ein wenig durch Instagram, doch das, was sie dort sieht, packt sie heute überhaupt nicht. Überall liest sie, was sie für eine tolle, starke Frau sei, dass viele so sein möchten wie sie. Und wie schön sie doch sei. Das macht sie traurig und wütend zugleich. 'Warum sehn die das alle in mir? Das stimmt doch gar nicht...' denkt sie und ihre nur allzu vertrauten Zweifel beginnen wieder einmal sie von innen aufzufressen. Schnell legt sie das Handy wieder weg, weil sie sich das nicht mehr ansehen kann. Sie weiß einfach nicht, was sie mit sich und ihren Gedanken anfangen soll, weshalb sie aufsteht und durchs Zimmer tigert.

Nach einer Weile sieht Thomas genervt zu ihr. „Mensch Steff! Kannst du nicht aufhören damit? Ich kann mich so nicht konzentrieren, wenn du ständig hin und her läufst" schnauzt er sie verärgert an. Stefanie dreht sich um und verlässt den Raum. Als sie sich in der Küche auf einen Stuhl fallen lässt, kann sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. 'Was ist denn heute nur los mit mir...' denkt sie sich und verbirgt ihr Gesicht in den Händen. Lautlos lässt sie den Tränen freien Lauf. Kurze Zeit später legen sich zwei Arme um sie. „Was ist denn los, meine Kleine?" flüstert ihr Thomas ins Ohr. So unauffällig wie möglich wischt sich Stefanie die Tränen weg. Thomas soll nicht sehen, dass sie weint. Sie strafft ihre Schultern und richtet sich auf. „Es ist alles gut, bin nur ein wenig müde" versucht sie mit fester Stimme zu sagen und vermeidet es, dass Thomas ihr Gesicht sieht. „Ich wollte eben noch was holen" meint sie, um sich unauffällig von Thomas entfernen zu können, doch als sie aufsteht und weggehen will, hält dieser sie zurück und dreht sie zu sich. Als er ihre geröteten Augen und die Tränenspuren auf ihren Wangen sieht, zieht er sie sofort in seine Arme. „Ach mein Engel! Ich hab das doch nicht so gemeint vorhin! Es tut mir leid" murmelt Thomas mit schlechtem Gewissen. Er weiß, dass er manchmal aufbrausend ist, wenn er gestresst ist. In seinen Armen schluchzt Stefanie laut auf und lässt nun wirklich alle Gefühle raus, die sie vorhin versucht hat zurückzuhalten. Thomas ist einfach nur für sie da, mit einer Hand streicht er ihr durchs Haar, die andere fährt ihren Rücken auf und ab. Es dauert eine Weile, bis sie sich endlich wieder ein wenig beruhigt. Dann löst sie sich von ihm und sieht verlegen auf den Boden. „Tut mir leid, ich wollte nicht..." beginnt sie, doch Thomas unterbricht sie sofort und hebt ihren Kopf an, sodass sie ihn ansehen muss.

„Es braucht dir überhaupt nicht leid zu tun, wenn dich deine Gefühle überrollen! Du musst nicht immer die Starke spielen, Steff! Es ist vollkommen in Ordnung, wenn es einem mal nicht gut geht" erklärt er und streicht sanft ein paar Tränen weg, die noch über Stefanies Wangen rollen. „Weißt du was, ich mach uns beiden jetzt einen Tee, dann kuscheln wir uns auf die Couch und du erzählst mir erstmal, was los ist, okay?" sagt er und küsst sie sanft auf die Stirn. Stefanie nickt und geht schon voraus zu Couch, wo sie sich in die dicke Kuscheldecke einhüllt. Ein paar Minuten später kommt Thomas mit zwei dampfenden Tassen Tee herein und stellt sie auf dem kleinen Couchtisch ab. Dann geht er noch mal zurück in die Küche und kommt gleich darauf mit einem Teller voll mit Stefanies Lieblingskeksen wieder, was ihr ein leichtes Lächeln ins Gesicht zaubert. „Ist hier vielleicht noch Platz?" fragt Thomas unschuldig und deutet auf die Couch. Stefanie zieht die Decke ein Stück zurück, dass er sich zu ihr setzen kann. Dann legt sie sich mit ihrem Kopf in seinen Schoß und sieht ihn an. „Es tut mir leid! Ich wollte dich vorhin nicht stören...ich weiß, dass dich sowas nervt, wenn du konzentriert bist" entschuldigt sich Stefanie bei ihm. „Stopp!" erwidert Thomas sofort und sieht sie ernst an „Ja, mich lenkt sowas ab, wenn ich mich eigentlich konzentrieren soll, aber das gibt mir noch lange kein Recht, dich so anzufahren, wie ich es vorhin gemacht habe! Ich hätte es dir auch einfach normal sagen können..." Nach einer kurzen Pause fügt er leise hinzu „...oder noch besser, dich fragen, was los ist, dass du so unruhig bist." Sanft streicht er über ihre Wange und sieht sie fragend an. In Stefanies Augen sammeln sich schon wieder die Tränen. „Ich...ich weiß es nicht..." flüstert sie mit tränenerstickter Stimme. „Der Kleine ist nicht hier...du kümmerst dich darum, dass unsere Songs toll werden und...und ich...ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich hab keine Ahnung, was ich machen soll und fühl mich absolut nutzlos...und dann sind da auch noch..." Stefanies Stimme bricht und einige Tränen laufen über ihre Wangen. Thomas wischt ihr die Tränen weg und sieht sie besorgt an.

„Was ist da noch?" fragt er, um sie zum Weiterreden zu bewegen. Stefanie putzt sich die Nase, bevor sie mit zitternder Stimme leise weiterspricht „Unsre Fans da draußen...versteh mich nicht falsch...ich liebe es, wie sie uns und unsre Musik unterstützen...aber..." Stefanie holt tief Luft. „Viele schreiben, was ich für ein Vorbild für sie bin, wie stark ich sei und wie sehr sie mich bewundern...aber...die haben ganz ein falsches Bild von mir...ich bin weder stark, noch gibt es irgendeinen Grund mich zu bewundern. Ich zweifle ständig an mir, bin genauso unsicher, wie viele andere Frauen, bin weder besonders hübsch, noch besonders talentiert...ohne euch drei, wär ich ein Nichts" erklärt Stefanie, während ihre Stimme dabei immer leiser wird und am Ende nur noch ein Flüstern ist. Thomas muss erstmal schlucken. Es tut ihm so weh, wie sehr seine Freundin an sich zweifelt. „Setz dich bitte mal auf" sagt er und zieht sie dann sitzend auf seinen Schoß, um sie auf gleicher Ebene ansehen zu können. Dann legt er eine Hand an ihre Wange und beginnt zu sprechen „Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Ich glaub, der einzige Punkt, in dem ich dir zustimme ist der, dass du ständig an dir zweifelst...und ich weiß einfach nicht, wie ich das ändern kann...du bist so eine starke Person! Sieht dir mal an, was du alles schon durchgemacht hast – was WIR alles schon durchgemacht haben. Wir würden alle jetzt nicht hier stehen, wenn wir nicht ständig gekämpft hätten. Jeder von uns vier ist notwendig, damit wir WIR sein können. Jeder einzelne unsrer Songs trägt die Handschrift von vier Personen und was nützen einem die besten Lieder, wenn sie nicht auch mit der notwendigen Leidenschaft gespielt und gesungen werden. Und apropos Talent – ich kann mir unsere Songs mit keiner anderen Stimme vorstellen als mit deiner! Ohne dich und deine Stimme hätten wir drei Jungs einpacken können!" Thomas macht eine Pause und sieht nachdenklich an Stefanie vorbei. „Die einzige Alternative wäre vielleicht Nowi gewesen...mit ihm als Sänger hätten wir's tatsächlich auch weit schaffen können" sagt er mit ernstem Blick, bevor beide gleichzeitig in lautes Gelächter ausbrechen.

„Genau für solche Aussagen liebe ich dich" erklärt Stefanie, als sie sich wieder etwas beruhigt haben. Dann legt sie ihre Lippen sanft auf seine. Der Kuss wird schnell intensiver und als sie sich nach einer Weile voneinander lösen, schnappen beide erstmal nach Luft. Sie legen ihre Stirn aneinander und sehen sich einfach nur in die Augen. „Für mich bist du die schönste Frau, die's gibt! Ich kann mir niemand anderen an meiner Seite vorstellen und vor allem kann ich mir keine bessere Mutter für unseren Kleinen vorstellen" flüstert Thomas und verwickelt Stefanie in einen zärtlichen Kuss. Diese stößt ungeduldig mit ihrer Zunge an seine Zähne und während ihre Zungen einen leidenschaftlichen Tanz vollführen, fahren ihre Hände gierig unter die Klamotten des anderen. Kurz darauf landen diese am Boden und beide Körper bewegen sich miteinander im gleichen Rhythmus. Als die beiden etwas später erschöpft und glücklich nebeneinander liegen, herrscht eine angenehme Stille. „Geht es dir ein wenig besser?" fragt Thomas leise, während er mit einer Hand sanfte Kreise auf Stefanies Rücken zeichnet. „Ja" murmelt diese und vergräbt ihr Gesicht in seiner Halsbeuge, um seinen Duft tief einzuatmen. Nach ein paar Sekunden beginnt sie zu kichern. „Lässt du mich auch daran teilhaben, was gerade so lustig ist?" fragt Thomas schmunzelnd. Stefanie hebt ihren Kopf und sieht ihn grinsend an. „Ich musste eben an das Interview vom letzten Jahr denken – die Frage nach dem Sex im Proberaum" erklärt sie, worauf auch Thomas zu grinsen beginnt. „Was sollen wir denn tun, wenn uns unsere Gefühle überrollen" flüstert er unschuldig in ihr Ohr, was ihm einen leichten Schlag auf die Brust einbringt. „Blödmann" lacht Stefanie. Sie stützt ihren Kopf auf seiner Brust auf und sieht Thomas liebevoll an. Er fährt mit seiner Hand durch ihre Haare. „Danke, dass du immer für mich da bist" flüstert Stefanie. „Ich liebe dich" murmelt Thomas und setzt einen sanften Kuss auf ihre Nasenspitze.

Silbermond OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt