...und ich denk an dich...

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POV Thomas:
Da ist es schon wieder, dieses seltsame Kribbeln im Bauch, wenn sie mich ansieht. Schnell sehe ich weg, um mich nicht in ihrem Blick zu verlieren, und versuche mich wieder auf den Song zu konzentrieren, an dem wir grade arbeiten. Warum sind wir in letzter Zeit auch so oft nur zu zweit im Proberaum? Und wieso macht es mir überhaupt etwas aus, dass wir nur zu zweit sind? Wahrscheinlich ist es vollkommen normal, dass man sich zu jemanden mehr hingezogen fühlt, wenn man die meiste Zeit des Tages, manchmal bis in die Nacht hinein, aufeinander hockt. Hannes und Nowi sollten sich wieder öfters hier blicken lassen, dann fühl ich mich auch bestimmt nicht mehr so seltsam in ihrer Nähe. Was ist... „Hallo! Erde an Thomas – machen wir das jetzt so oder nicht?" reißt mich Stefanies Stimme plötzlich aus meinen Gedanken und ihre Hand fuchtelt vor meinem Gesicht herum. Überrascht sehe ich auf. „Ich...ähm...wir...sorry, war grade irgendwie voll in meine Gedanken abgedriftet" erkläre ich stotternd. Als mein Blick direkt in ihre Augen fällt, die mich durchgehend mustern, spüre ich, wie ich leicht rot werde. „Ich glaub, wir sollten für heute Schluss machen...irgendwie bin ich echt schon durch" versuche ich mein seltsames Verhalten zu erklären. Mir scheint, als ob Stefanie was sagen will. Doch dann nickt sie nur und steht auf, um ihre Tasche zu holen.

„Willst du noch was trinken gehn?" fragt sie, während sie ihre Sachen zusammenklaubt. Irgendwie würd ich gerne, aber ich brauch jetzt einfach mal ein bisschen Abstand zu ihr. Muss mich mal wieder sortieren. „Nächstes Mal...ich glaub, ich muss heut einfach mal ein bisschen für mich sein" antworte ich ihr darum. Ein paar Minuten später verlassen wir gemeinsam unseren Proberaum. „Soll ich dich noch nach Hause bringen?" frage ich sie, schließlich hab ich sie auch in der Früh abgeholt. Stefanie sieht mich aufmerksam an. „Willst du noch über was reden?" tönt es aus ihrem Mund. Äh nein, das war absolut nicht meine Absicht. Was soll ich denn überhaupt mit ihr reden...ich weiß ja selbst nicht mal, was in mir vorgeht. Deshalb schüttle ich den Kopf und erwidere „Nein, alles gut. Wollte nur wissen, ob ich dich mitnehmen soll." „Danke, ich lauf heute lieber. Ein bisschen frische Luft tut mir sicher gut. Wir sehen uns" verabschiedet sie sich irgendwie distanziert und drückt sich nur ganz kurz an mich. Und trotzdem reicht dieser kurze Körperkontakt schon wieder aus, um mein Herz im doppelten Tempo schlagen zu lassen. Ich sehe ihr nach, als sie sich umdreht und davon geht. Erst als sie um die Ecke gebogen ist, schließe ich endlich mein Auto auf und mache mich auf den Heimweg.

Ich bin irgendwie froh, dass Hannes für ein paar Tage weggefahren ist. So hab ich unsere gemeinsame Wohnung für mich und kann einfach mal über alles nachdenken. Seufzend hole ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank und setze mich auf unsere Couch. Und sofort sind meine Gedanken wieder bei ihr. Bei ihren grün-braunen Augen, die mich so oft aufmerksam mustern, bei ihrer Stimme, die mich immer in den Bann zieht, bei ihrem Lächeln, das meinen Herzschlag verdoppelt. Ich bin in ihrer Nähe nervös, habe nasse Hände und bringe kaum noch einen gerade Satz heraus. Wieso reagiert mein Körper plötzlich so auf sie? Das letzte Mal, dass ich mich so gefühlt hab...das ist schon ewig her...damals, bei meiner ersten und einzigen Freundin. Wobei, wenn ich ehrlich bin, so gefühlt hab ich nicht mal bei ihr. Aber ich kann mich doch nicht in Steff verliebt haben. Ich kenne sie seit mehr als acht Jahren...und außerdem ist sie meine beste Freundin.

Ich nehme einen großen Schluck von meinem Bier und schließe die Augen. Ich muss mich wieder fokussieren – auf die Musik, auf unsere Karriere als Band. Ich darf mich nicht von so einer Gefühlsduselei ablenken lassen. Wo sehe ich uns in fünf Jahren? Ich sehe eine riesige Bühne vor mir...tausende von Leuten...es ist die Bühne in Dresden am Elbufer. Die Leute jubeln uns zu...Ich spüre das vertraute Gefühl meiner Gitarre in den Händen. Nun sehe ich mich auf der Bühne um und blicke in das strahlende Gesicht meines Bruders, in das konzentrierte von Nowi...und dann seh ich sie...wie sie voller Energie über die Bühne springt und alle in ihren Bann zieht. Sie sieht zu mir und wirft mir ein Lächeln zu, das mein Herz bis zum Hals schlagen lässt...Nein! Genau das wollte ich nicht...Verdammt! Schnell öffne ich meine Augen wieder und schüttle den Kopf, um diese Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen. Ich stelle das Bier zur Seite und atme tief durch, bevor ich aufstehe und ans Fenster gehe.

Silbermond OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt