Hab keine Angst vor deinen Schwächen (2/2)

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Als die beiden einige Minuten später wieder in den Proberaum kommen, sitzen Johannes und Thomas in ein Gespräch vertieft auf der Couch. Die Brüder sehen jedoch sofort hoch, als sie hören, dass die Türe aufgeht und machen Platz, damit Andreas und Stefanie sich zu ihnen setzen können. Mit hängenden Schultern sitzt Andreas zwischen seinen besten Freunden und weiß gar nicht, wie er anfangen soll. Da legt Stefanie ihm eine Hand auf die Schultern und meint „Now! Bitte sag uns, was dir am Herzen liegt...ich hätt schon viel früher bemerken müssen, dass es dir nicht gut geht!" Andreas sieht zu ihr hoch und erwidert „Ihr habt doch alle selbst genug um die Ohren...ich wollt euch nicht noch mit meinen Dingen belasten. Es...es..." Da bricht seine Stimme und verzweifelt vergräbt er sein Gesicht in seinen Händen. Stefanie spürt, wie sein Körper leicht bebt und streichelt ihm vorsichtig über den Rücken. Johannes, der auf Andreas anderer Seite sitzt, legt ihm die Hand aufs Knie. „Hey, wir sind doch immer für dich da, Mann!" Als Andreas sich endlich ein wenig beruhigt hat, seufzt er leise, bevor er endlich zu erzählen beginnt.

„Ihr habt doch mitbekommen, dass ich mich schon eine Zeit lang mit Anna getroffen hab. Eigentlich lief alles gut zwischen uns und sie hat schon mehr bei mir gewohnt, als in ihrer eigenen Wohnung...sie bedeutet mir wirklich viel...aber letzte Woche ist's irgendwie eskaliert..." Andreas stoppt seine Erzählung, um sich kurz zu sammeln. Seine drei Freunde geben ihm die Zeit und warten ab, bis er weitersprechen kann. „Letzten Donnerstag gab's dann eine ähnliche Situation wie vorhin mit Steff..." fährt er fort und Stefanie zieht schuldbewusst ihren Kopf ein. „Als ich morgens aus dem Badezimmer kam, fuhr mich Anna an, wieso ich eigentlich ständig diese dummen Stecker rausziehen müsse und dass sie jetzt wegen mir zu spät in die Arbeit komme, weil der Kaffee nicht fertig ist. Und als ich ihr das erklären wollte, wo das herkommt, meinte sie nur, dass sie dafür jetzt keine Zeit habe. Sie hat sich ihre Sachen geschnappt und ist aus der Wohnung raus...Ich hab dann mehrmals versucht, sie anzurufen, aber sie hat sich einfach nicht gemeldet...ist auch abends nicht vorbei gekommen..." Wieder unterbricht er, weil ihn die Tränen übermannen. „Ach Scheiße, Now...das tut mir so leid..." murmelt Stefanie betroffen und ärgert sich, dass sie nach so viele Jahren noch immer nicht über Andreas kleine Macke hinwegsehen kann, wenn sie selbst nicht gut drauf ist. Sie weiß ja, dass er es nicht absichtlich macht, sondern eben durch seine Oma so mitbekommen hat. Und ihr ist auch bewusst, dass es ihn selbst oft ärgert, dass er es einfach nicht lassen kann und fünf Mal nachsehen muss, ob wirklich alles ausgesteckt ist. Das fordert ja auch von ihm viel Zeit und Energie und wenn er es einfach so abstellen könnte, hätte er es schon längst gemacht. Außerdem ist es in den letzten Jahren schon viel besser geworden. Thomas reicht Andreas ein Taschentuch und sagt „Es ist okay, Nowi! Lass es raus...es ist absolut verständlich, dass dich das traurig macht."

Andreas sieht ihn dankbar an, nimmt das Taschentuch und putzt sich dann die Nase. „Wie ging's denn dann weiter?" fragt Johannes und Andreas seufzt. „Am nächsten Tag hat sie sich dann endlich zurück gemeldet und gemeint, dass wir reden müssten. Sie ist dann am Abend vorbeigekommen und als ich die leere Reisetasche in ihrer Hand gesehen hab, hab ich schon gewusst, dass es das war...dass es vorbei ist...sie eigentlich nur hier ist, um ihre Sachen zu holen..." erzählt Andreas und wird immer leiser, bis er verstummt. Betroffen sehen sich die anderen drei an. Dass Andreas ihnen das fast eine Woche lang verschwiegen hat und keinem von ihnen wirklich aufgefallen ist, dass es ihm beschissen geht. Andreas schluckt hörbar und spricht dann weiter „Sie hat sich trotzdem ins Wohnzimmer gesetzt und mit mir geredet. Sie meinte, dass sie mich eigentlich echt gerne mag, aber dass ich ihr zu anstrengend sei. Meine Art, meine Zwänge mit dem Stecker ausstecken, meine Verwirrtheit oftmals...sie wüsste, dass ich ein kreativer Kopf bin und nicht anders könne...und das sei auch okay so, aber es wäre einfach nichts für sie..." Traurig senkt Andreas den Kopf und ein paar Tränen tropfen auf seine Hände, die er in seinem Schoß verschränkt hält. Irgendwann wischt er sich die Tränen von den Augen und sieht seine Bandkollegen an. „Ich weiß, dass ich oft anstrengend bin und ich versteh auch, wenn euch das mal zu viel wird...manchmal frage ich mich selbst, wieso ihr es eigentlich schon so lange mit mir aushaltet..." Da starren ihn drei Paar Augen empört an. „Sag mal, geht's noch?" kann sich Stefanie schließlich nicht mehr zurückhalten. „Wieso sollen wir's nicht mit dir aushalten? Du bist nicht nur einer von vier Teilen dieser Band, du bist einer unserer besten Freunde! Wir kennen uns seit über 20 Jahren und jeder von uns hat seine Macken – genau das macht uns aus. Hier muss sich niemand verstellen...Mein Auszucker vorhin, das ist eben meine Macke...ich kann meine Emotionen oftmals nicht im Zaum halten...aber wir haben mal folgende Zeile geschrieben: Hab keine Angst vor deinen Schwächen, fürchte nie deine Fehler aufzudecken."

„Das sollten wir nie vergessen und vor allem hier, sollten wir nie Angst davor haben, unsre Schwächen zu zeigen." Andreas nimmt Stefanies Hand und drückt sie dankbar. „Da kann ich Steff nur zustimmen. Jeder von uns hat seine Macken. Und was hat Thomas mal so schön zu Steff gesagt: Es gibt Leute, die's lange mit einem aushalten und die einen genauso haben wollen, wie man ist!" fügt Johannes hinzu und klopft Andreas auf die Schultern. „So ist es! Es ist nicht das Ziel im Leben, perfekt zu sein. Am schönsten ist immer noch das Unperfekte" gibt auch Thomas seinen Kommentar dazu ab „Ich bin froh, dass jeder von uns genauso ist. Und wir haben's nur so weit geschafft, weil wir in allererster Linie Freunde sind! Und unter Freunden ist man füreinander da und akzeptiert jeden so, wie er ist." Andreas stößt einen tiefen Seufzer aus. „Ihr wisst gar nicht, wie froh ich bin, euch zu haben" flüstert er ergriffen und wird von den dreien in eine feste Umarmung gezogen. „Bitte entschuldige, dass ich heute so ausgezuckt bin" murmelt Stefanie in der Umarmung und Andreas streicht ihr übers Haar und erwidert „Alles gut! Ich weiß ja, dass es eigentlich nicht so gemeint war...euer Kleiner hält euch zurzeit ganz schön auf Trapp, nh?" Da schreckt Stefanie auf „Apropos Kleiner – wo ist der denn überhaupt?" Alle sehen sich mit großen Augen um. „Vorhin hat er noch dort mit den Autos gespielt" sagt Thomas und steht schnell auf, um in Richtung Schlagzeug zu gehen. Da entdeckt er seinen Sohn, der sich hinter dem Schlagzeug auf den Boden gekuschelt hat und eingeschlafen ist. „Der hat wohl auch irgendwie die Nähe von Onkel Nowi gesucht" meint Thomas grinsend, als den anderen zeigt, wo der Kleine ist. Lächelnd stellen sich die anderen drei zu Thomas und beobachten den schlafenden Knirps. Nowi legt seine Arme um die anderen drei „Danke, dass es euch gibt! Wie wär's denn eigentlich mit Pizza? Proben können wir jetzt eh nicht, wenn der Zwerg mein Schlagzeug besetzt." „Gute Idee" stimmen ihm die anderen zu und setzen sich wieder gemütlich auf die Couch, um Pizza zu bestellen. Dankbar sehen sich die vier an und jeder ist froh, dass die Ungereimtheiten zwischen ihnen wieder geklärt sind.

Silbermond OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt