Allzu menschlich

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Als Thomas im Bad verschwindet, schlüpft Stefanie schnell in frische Klamotten. Gerade als sie sich ihre Schuhe anziehen will, tritt Thomas zu ihr. „Steff, was machst du denn da?" fragt er und sieht sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Jetzt lass mich doch heute wieder mitkommen...ich war eh zwei Tage zuhause...und es ist doch nicht mehr viel Zeit bis zu den Warm-Ups" krächzt Stefanie und muss nach ihrer kurzen Rede sofort wieder husten. Thomas verdreht die Augen, bevor er Stefanie in seine Arme zieht und ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel drückt. „Ach Kleine!" seufzt er „Ganz genau, es ist nicht mehr viel Zeit bis zu den Warm-Ups und da willst du doch fit sein, oder? Leg dich auf die Couch, trink deinen Tee und erhol dich! Wir machen das schon." „Aber..." will Stefanie protestieren, doch Thomas unterbricht sie sofort. Er schiebt sie ein Stück von sich weg, damit er ihr in die Augen sehen kann. „Nichts aber...ab mit dir auf die Couch oder ins Bett! Da waren so viele Leute, die die Tickets sofort gekauft haben...die freuen sich auf die Konzerte und dafür musst du fit sein" erklärt er mit strengem Blick in einem Ton, der keine Widerrede zulässt. Als er Stefanies enttäuschte Miene sieht, wird sein Blick wieder sanfter. Er streicht Stefanie mit dem Daumen über die Wange und legt dann einen Finger auf ihren Mund. „Und halt einfach mal ein paar Tage die Klappe – auch wenn das wohl die schwerste Aufgabe für dich ist" flüstert er liebevoll. Trotzdem zieht Stefanie eine Grimasse und streckt ihm dann die Zunge raus, was Thomas zum Lachen bringt. „Ich liebe dich, mein kleiner Sturkopf" sagt er schmunzelnd und zieht sich die Schuhe an. Währenddessen verschränkt Stefanie die Arme vor der Brust und sieht ihm mit zusammengepressten Lippen dabei zu. Als Thomas sich wieder aufrichtet und seine Freundin so sieht, lacht er noch einmal auf. Dann stupst er Stefanie mit dem Finger auf die Nase und meint „Ich weiß, dass du mich auch liebst...sehr brav, dass du es nicht sagst!" Als Antwort bekommt er von Stefanie nur ein Brummen, doch er sieht, wie ihre Mundwinkel zucken.

Dann küsst er sie zärtlich auf die Stirn und geht zur Tür. „Bis später, meine Kleine...und bitte ruh dich aus" sagt er, bevor er die Tür hinter sich schließt. Enttäuscht wendet sich Stefanie ab und trottet in die Küche, um sich einen Tee aufzustellen. Dann kuschelt sie sich auf die Couch, doch wirklich zur Ruhe kommt sie nicht. Sie versucht sich mit Fernsehen abzulenken, doch nachdem sie eine Weile nur durch die verschiedenen Programme gezappt hat, schaltet sie ihn seufzend wieder aus. Auch ihr Buch legt sie nach kürzester Zeit wieder aus der Hand. Sie nimmt ihr Handy und öffnet den Bandchat. Da lachen ihr die drei Jungs auf dem Foto entgegen, das sie ihr gestern aus dem Proberaum geschickt haben. „Läuft auch ohne dich, Chefin – wir geben unser Bestes!" haben sie drunter geschrieben. Sofort steigen Stefanie die Tränen in die Augen. Sie hasst es, untätig herumzusitzen, vor allem wenn noch so viel zu erledigen ist. Sie ist sauer auf sich selbst, dass sie immer noch krank ist, es einfach nicht besser wird und sie nichts tun kann. Das schlechte Gewissen beginnt sie aufzufressen und voller Wut schnappt sie sich ein Kissen und pfeffert es auf den Boden. Dann versteckt sie verzweifelt ihr Gesicht in den Händen. Am liebsten würde sie laut aufschreien, doch sie lässt es lieber, sonst dauert das mit ihrer Stimme gleich noch mal eine Woche länger. Sie atmet ein paar Mal tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Dann steht sie auf, um Zettel und Stift zu holen. Sie beginnt damit, eine Liste zu machen, was noch erledigt werden muss und wer das wann machen könnte. Ein paar Dinge lässt sie offen, da sie die eigentlich mit den Jungs besprechen müsste. Dann wandert ihr Blick zum letzten Punkt der Liste „Ablauf, Songs, Übergänge". Stefanie seufzt auf. Wie soll sie denn da bei den Konzerten zurecht kommen, wenn die Jungs ohne sie im Proberaum sitzen und das alleine durchgehen. Sie muss da einfach dabei sein! Schon hat sie ihren Entschluss gefasst. Sie schnappt sich ihre Tasche und stopft ihre Notizen hinein. Dann zieht sie sich Jacke und Schuhe über und holt sich noch einen dicken Schal und eine warme Mütze aus dem Schrank. Dann flitzt sie auch schon bei der Türe raus.

Als sie zehn Minuten später in der Straßenbahn steht, ist sie bereits fix und fertig. Zitternd hält sie sich am Handgriff fest und ist froh, als bei der nächsten Haltestelle ein Platz frei wird, auf den sie sich erschöpft fallen lässt. Zum Glück ist es nicht so weit bis zum Proberaum. Als Stefanie eine Weile später die Tür zum Proberaum öffnet und gleich mal hinein hustet, verstummt das Gespräch und drei ungläubige Gesichter starren ihr entgegen. Johannes findet als Erster seine Sprache wieder. „Steff, was machst du denn hier?" fragt er, während Thomas nur seinen Kopf schüttelt. Sofort packt Stefanie ihre Notizen aus und beginnt den Jungs mit krächzender Stimme zu erklären, was alles noch offen ist und wer am besten was erledigt. Abschließend erklärt sie, dass sie nun bereit sei, dass sie den Ablauf gemeinsam durchgehen, damit auch sie Bescheid weiß. Schon jetzt bricht ihr bei jedem zweiten Wort die Stimme. „Steff, glaubst du echt, dass das so jetzt Sinn macht?" fragt Thomas besorgt und mustert sie aufmerksam. „Ich...ich will euch doch nur zuhören und halt jetzt auch brav die Klappe!" verspricht sie. Die Jungs sehen sich nur ratlos an, doch alle drei wissen, dass es keinen Sinn macht, Stefanie jetzt wieder nach Hause zu schicken. Sie würde nicht gehen, nachdem sie es sich in den Kopf gesetzt hat herzukommen. Deshalb bringt Nowi ihr eine Tasse Tee und Johannes verfrachtet sie auf die Couch und legt ihr eine Decke drüber, bevor die Jungs dort weitermachen, wo Stefanie sie vorhin unterbrochen hat. Doch keiner kann sich mehr so richtig konzentrieren, weil Stefanie ständig hustet, es ihr deutlich schlechter geht und sich alle Sorgen um sie machen. Nach zwei Stunden ist die Stimmung endgültig im Keller und Stefanie sieht endlich selbst ein, dass es eine blöde Idee war, herzukommen. Nachdem sie ein weiterer Hustenanfall geplagt hat, steht sie langsam auf und meint kleinlaut „Ich...ich glaub ich mach mich wieder auf den Weg nach Hause..." Ihre Stimme ist nun wieder komplett weg und sie merkt, dass ihr Körper völlig am Ende ist. „Warte, ich fahr dich nach Hause!" meint Thomas, doch Stefanie winkt ab. „Das geht schon...macht ihr hier nur weiter" flüstert sie.

Thomas bringt sie noch zur Tür und bittet sie, sich zu melden, sobald sie zuhause ist. Stefanie nickt, bevor sie ihre Jungs im Proberaum zurücklässt. Den ganzen Heimweg über macht sie sich Vorwürfe, dass sie überhaupt hergekommen ist. Nicht, weil es ihr selbst nun noch schlechter geht, sondern weil sie die Jungs total runtergezogen hat und es absolut nichts gebracht hat, dass sie da war. 'Wieso muss ich auch immer so stur sein', geht es ihr durch den Kopf. Sie ärgert sich über sich selbst und gleichzeitig tut es ihr auch so leid, dass sie die Jungs da zusätzlich belastet hat. Sie haben ihr die letzten Tage über den Rücken frei gehalten und diese Aktion jetzt hätte einfach nicht sein müssen. Als Stefanie zuhause ankommt, nimmt sie sofort ihr Handy und beginnt eine Nachricht an die Jungs zu tippen, um sich bei ihnen zu entschuldigen. Doch noch bevor sie die Nachricht abschicken kann, klingelt ihr Handy. Verwundert hebt Stefanie ab und blickt in Thomas Gesicht. „Wart mal kurz, ich stell dich hier ab...das Handy ist schon mit dem Mischpult verbunden, du solltest uns also problemlos hören können...hast du die Setlist wo bei dir?" sprudelt es nur so aus Thomas heraus. Komplett überrumpelt nickt Stefanie und schnappt sich die Setlist, die am Couchtisch liegt. „Aber wieso..." krächzt sie heiser, doch Thomas unterbricht sie gleich wieder. „Du hast Sprechverbot, Steff! Nur zuhören und zusehen, verstanden?" sagt er streng ins Telefon, zwinkert ihr aber liebevoll zu. Ein Lächeln stiehlt sich auf Stefanies Lippen. Sie macht sich noch schnell einen Tee und kuschelt sich dann mit ihrem Handy auf die Couch, um den Jungs beim Proben zuzusehen. Dankbar verfolgt Stefanie von zuhause aus alles und ist gleich viel ruhiger, weil sie trotzdem irgendwie dabei sein kann, ohne richtig dabei zu sein. Als Thomas am Abend nach Hause kommt, findet er Stefanie schlafend auf der Couch. Er küsst sie sanft auf die Stirn und geht dann in die Küche, um für sie beide einen Tee zu machen. Als er sich kurz darauf neben sie setzt, wird Stefanie wieder wach.

Sie legt sich so hin, dass sie ihren Kopf in Thomas Schoß bettet und sieht ihn dankbar an. „Wieso habt ihr..." flüstert sie, doch Thomas legt ihr sofort einen Finger auf den Mund. „Schhhh...nicht sprechen" murmelt er. Dann streicht er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und erklärt „Wir kennen dich doch und wissen, dass du nicht abschalten kannst, wenn du nicht weißt was los ist! Und dann hatte ich die Idee, dich doch übers Telefon dazu zu holen und du kannst währenddessen gemütlich hier auf der Couch liegen und uns zuhören. Und hoffentlich schnell wieder gesund werden!" Vor Rührung steigen Stefanie die Tränen in die Augen. Sie nimmt Thomas Hand und verschränkt ihre Finger miteinander, während ihre Lippen ein stummes Danke formen. Nun fällt ihr was ein und mit ihrer freien Hand angelt sie ihr Telefon vom Couchtisch. Sie öffnet die Nachricht, die sie schon getippt, aber noch nicht abgeschickt hat, weil dann ja die Jungs angerufen haben, und hält sie Thomas hin. Als Thomas die Nachricht gelesen hat, legt er das Handy zur Seite und meint „Wir wissen doch, dass es dir leid tut! Du hattest ja auch keine bösen Absichten, nur leider hat dein kleiner Ausflug heute niemandem etwas gebracht...außer dass es dir selbst gleich wieder schlechter ging!" Stefanie nickt verschämt. Thomas streicht ihr zärtlich übers Haar und lächelt sie an. „Aber vielleicht können wir uns darauf einigen, dass du die nächsten Tage wirklich hier bleibst, bis es dir deutlich besser geht, und wir dich jeden Tag für ein paar Stunden übers Telefon dazu schalten, okay?" Stefanie strahlt bei diesem Vorschlag und flüstert „Womit hab ich euch nur verdient..." Tadelnd sieht Thomas sie an, weil sie schon wieder gesprochen hat. Kopfschüttelnd beugt er sich zu ihr hinunter. Schmunzelnd murmelt er „Dann muss ich dich wohl anders zum Schweigen bringen, wenn du einfach nicht die Klappe halten kannst!" und legt dann sanft seine Lippen auf ihre.

Silbermond OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt