chapter 22

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Er war tatsächlich nicht in der Halle gewesen. Die letzten vier Wochen nicht, hatte mir nicht geschrieben oder sich anderweitig gemeldet. Seit meinem gesundheitlichen Dilemma lebte ich nur noch meinen alltäglichen Rhythmus, ließ alles über mich ergehen und versuchte mindestens zweimal täglich Manu zu erreichen. Ich wusste nicht, ob ich einfach blockiert war oder ob er eine neue Nummer hatte, aber das störte mich gerade nicht. Ich probierte es immer und immer wieder.

Auch heute Morgen hatte ich es bereits versucht - ohne Erfolg. So kam ich trostlos und erschöpft ins Büro, sammelte die Post für mich raus und setzte mich an meinen Platz. Vor dem ersten Kaffee lief so oder so nichts, sodass ich mir in der Gemeinschaftsküche einen holte und nun an die Arbeit konnte. Ich tätigte einige Anrufe und genoss dabei die andauernde Ruhe im Büro. Mein Bruder war heute unterwegs mit seiner Frau und würde mich den ganzen lieben Tag nicht stören. Seine Witze über männliche Paare hatten sich in den letzten Wochen immer häufiger zugespitzt und er schien genau zu wissen, wie sehr er mich jedes Mal traf.

Ich arbeitete mich also durch die Telefonate und checkte dann noch einige Angelegenheiten per Mail, bevor ich mich der Post widmete. Ich sortierte sie nach Fanpost, Rechnungen und -. Ich hielt inne und starrte förmlich auf den Brief in meiner Hand. 'Dringend' stand in großen Lettern vorne und unten stand mein Name, mein richtiger Name. Die Handschrift war mir auch bekannt aber eigentlich konnte das doch nicht sein. Mit schon leicht zittrigen Händen öffnete ich ihn und nahm den Zettel in die Hand. Schon zu Beginn wurde ich bestätigt, dass er von ihm war:

'Hey Chrissy, es tut mir unglaublich leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich durfte nicht. Andreas und Sucker haben es mir verboten, haben deine Nummer rausgelöscht und mich gezwungen meine zu ändern. Glaub mir, ich hätte dir so gern geschrieben und nachgefragt wie es dir geht, ob alles gut ist. Ich hoffe du konntest gut auskurieren und bist wieder topfit, ich beobachte dich manchmal an der Halle und wünsche ich könnte zu dir.

Mein eigentliches Anliegen war aber dich zu fragen, ob du dich treffen wollen würdest? Am 28.01., 20 Uhr am See, du weißt welcher. Ich werde jedenfalls dort sein und falls der Brief pünktlich, und vor allem bei dir ankommt, würde ich mich freuen dich zu sehen. Pass mir bitte auf dich auf und mach keinen scheiß.

(Dein) Manu

Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper und konnte nicht aufhören zu lächeln. Einen kurzen Freudenschrei konnte ich mir tatsächlich auch nicht verkneifen. Schnell sah ich aufs Handy und aufs Datum, genau richtig. Heute war der 28. und damit war der Brief von Manu mehr als pünktlich angekommen. Bevor noch jemand Ungebetenes diesen Zettel zu sehen bekam, verstaute ich ihn in der Innentasche meiner Jacke und atmete nochmal durch. Heute Abend Manu. Heute Abend sehen wir uns wieder.

Der restliche Tag verlief nun euphorisch und fröhlich. Ich ließ mich für neue Projekte begeistern, versprühte Freude im ganzen Gebäude und schaffte sogar noch den undankbaren Job die Requisiten zu prüfen. Alles in allem ein bisher mehr als gelungener Tag, alles nur wegen ihm. Schon wieder ein Lächeln, ich erwischte mich heute schon so oft dabei. Ich lächelte sobald ich an heute Abend dachte. Ich hätte ihm gerne gesagt, dass ich auf jeden Fall da sein würde jedoch wusste ich nicht wie. So konnte ich nur hoffen, dass er auf mich warten würde.

Schon um kurz nach 18 Uhr verließ ich das Gelände und fuhr heim zu mir. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gar nicht so gering war, dass mein liebster Bruder hier auftauchte, wollte ich Manu heute Nacht unbedingt hier haben. Kuscheln, Nähe genießen und die Sorgen und den Hass aller anderen Menschen vergessen. Und sicher würde er nicht Nein sagen. Zuhause angekommen räumte ich schnellstmöglich auf, ging duschen und machte mich fertig. Ich wusste mittlerweile was Manu an mir mochte und was nicht, so entschied ich mich für ein einfaches Hemd mit Jeans. Etwas Schnickschnack aber trotzdem noch Christian.

Ein wenig Parfum, meine Halskette und eine kleine Portion Haarspray wurden noch hinzugefügt und dann stand ich vorm Spiegel, um das Endbild zu überprüfen. "Bereit Manu zu verzaubern würde ich sagen", murmelte ich lächelnd und atmete tief durch. "Let's go.". Ich nahm nur das Nötigste mit und verstaute es in meinen Hosentaschen, ehe ich nach unten zu meinem Wagen eilte. Kurzer Blick zur Uhr, es war schon fast dreiviertel 8 Uhr also gab ich gleich Vollgas und fuhr durch die Straßen Herfords. Ich wusste genau welchen See er meinte, er lag etwas hinter dem Elternhaus von Manu und wir waren damals nach der Schule immer dort und haben gespielt.

Ich parkte am Straßenrand und konnte schon Manus Auto in der Auffahrt seiner Eltern erkennen. Hier war er also auf jeden Fall. Mit einem nun doch mulmigen Gefühl kreuzte ich die Straße und schlich mich durch die Häuserreihe, um kurz darauf schon am Rande des Sees zu stehen. Ich sah mich um, da ich ihn noch nicht sehen konnte und gerade als ich schon zurückwollte, legten sich plötzlich zwei Arme um mich. "Ich dachte schon du kommst nicht mehr", hauchzart flüsterte er mir ins Ohr. "Ich habs doch nich so mit Pünktlichkeit", gab ich leise zurück und drehte mich in seinen Armen.

"Ich weiß Chrissy", murmelte er, "-ich weiß.". Und ehe ich mich versah drückte er seine Lippen auf meine.

Straight Against The FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt