chapter 82

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Um mich herum wurde alles unscharf. Nur schwer erkannte ich die Sanitäter und die angelaufenden Kräfte der Feuerwehr, die seit Tagen im Stadion waren. "Ein Mann! Geschätzt Mitte 30, nicht bei Bewusstsein!". Es herrschte Hektik, jeder lief aufgeregt umher und versuchte zu helfen. "Wer liegt da?!". "Ich kann es noch nicht erkennen! Versucht es rauszufinden Paul!". Die nächsten Kollegen rannten an mir vorbei, ich konnte ihnen aber nur nachsehen. "Was ist hier los?!". Neben mir tauchte mein Bruder auf, der sich angespannt umsah. "Das Gerüst ist runtergekracht, einer von den Jungs ist drunter begraben.". "Fuck, wer?!". Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter. "Wissen wir nich, Paul sucht jetzt.". Andreas nahm sein Funkgerät und fragte Manuel an, doch auch nach längerem Warten erfolgte keine Antwort.

"Lasst mich sehen", murmelte ich und drängte mich durch die Massen hinter die Sanitäter, die gerade versuchten alles anzuheben. Ich kniete mich hin und konnte den schwarzen Hoodie unserer Crew zwischen den Metallteilen erkennen. Mir wurde brechend übel und ich musste mich setzen ehe ich einen weiteren Blick wagte. Langsam erkannte ich weitere Details, blonde Haare, schmalerer Körperbau und-. Ruckartig stand ich auf und rannte von der Bühne, um mich in den nächsten Mülleimer zu übergeben. "Chris!". Andreas sprintete zu mir und sah mich ernst an. "Wer liegt da? Sprich!". Ich schüttelte schwer atmend den Kopf. "Manuel.".

Erschrocken sah er mich an. "Nein", hauchte er doch ich konnte nur nicken. "Er hat keinen Helm aufgehabt, er ist total festgeklemmt und-.". Ich schluchzte auf und schlug Andreas Hand weg, als er mich umarmen wollte. "Die müssen ihn da raus holen!". Schnell lief ich zurück und kniete mich ans Gerüst. "Manu! Manu, wach doch auf!". Mit aller Kraft probierte ich das massive Konstrukt anzuheben, scheiterte jedoch kläglich und brüllte stattdessen alle Helfer zusammen. "Holt ihn da raus! Was steht ihr hier so dämlich rum?!". Ein Sanitäter zog mich zur Seite und drückte mich auf den Boden. "Ruhe bewahren Herr Reinelt.". "Ruhe bewahren?! Er ist mein Verlobter! Manuel ist mein Verlobter und er stirbt da gerade, weil Sie nichts tun!". Verzweiflung machte sich in mir breit und ich schluchzte schmerzerfüllt auf.

Andreas schlang seine Arme um mich und flüsterte beruhigend auf mich ein, während in der Ferne die Sirenen der herankommenden Feuerwehren zu hören waren. "Es darf nicht Manu sein", murmelte ich und sah verzweifelt zur Unfallstelle. "Ich brauch ihn doch, er hat gesagt, dass er bleibt. Er hat gesagt er bleibt Andy", hauchte ich und schluchzte laut. "Er schafft das schon.". Ich nickte und legte meinen Kopf an seine Brust, wo ich schweigend wartete. "Ich muss zu ihm.". Ohne zu warten ließ ich Andy los und lief wieder zum Gerüst. "Manu!". Ich zwengte mich durch eine kleine Lücke und griff nach Manus Hand, die ausgestreckt von seinem Körper lag. "Manu bitte, öffne die Augen und sag mir, dass alles gut ist.". Tränen verschleierten meine Sicht und ich hielt mich völlig verzweifelt an seiner Hand fest. "Manu?", flüsterte ich brüchig. Seine Hand verlor langsam an Wärme, sie war ganz rau und aufgeschürft.

"Alle weg!". Jemand griff meinen Oberkörper und zog mich kräftig weg. "Nein! MANU!". Ich schrie um mich und ließ meiner Angst vollen Lauf, ich schlug um mich. "Chris hey!". Andreas drückte mich fest an sich und strich über meinen Rücken. "Sie holen ihn raus, sie kriegen ihn wieder hin aber du musst ruhig bleiben Christian.". Noch immer schrie ich seinen Namen und beobachtete außer Atem wie die Rettungskräfte vorsichtig das beschädigte Gerüst anhoben. "Trage und Atemgerät! Funkt die Klinik an! Schweres Trauma vermutet!". Ich klammerte mich an Andreas Hoodie fest und konnte kaum mehr atmen. "Wir haben ihn!". Zwei Männer zogen seinen leblosen Körper unter den Trümmern hervor. "Wir haben einen Puls, ganz schwach, kaum spürbar. Sofort los!".

Sie legten ihn auf eine Trage während um ihn herum drei Sanitäter arbeiteten, ihn beatmeten und behandelten. "Mit", nuschelte ich leise und sah ihnen verzweifelt nach. "Nich ohne mich.". Andy sah mich an und nickte. Ohne weitere Worte lief er mit mir hinterher, raus aus dem Stadion und zum Krankenwagen. "Entschuldigen Sie, nur die Familie darf mit.". Rums. Die Türen wurden genau vor uns geschlossen und keine Sekunde später erklang das Martinshorn, der Wagen fuhr los. Mein Atem ging immer schneller, immer lauter. Mir wurde unfassbar schwindlig und Andreas bekam mich gerade so noch aufgefangen. Er rief die Sanitäter des Stadions zu uns und legte mich auf den Boden.

"Herr Reinelt, Sie hyperventilieren. Atmen Sie bitte tief durch, immer und immer wieder.". Ich sah stumm in den Himmel. Alle Glieder waren von mir gestreckt, meine Lunge brannte und meine Gedanken rasten. "Ich muss zu Manu.". Den besorgten Blick von Andreas spürte ich förmlich auf mir, jedoch wusste er, dass ich keine Ruhe geben würde. "Finden Sie bitte raus wohin sie ihn bringen und sagen Sie denen, dass wir auf dem Weg sind. Er ist Herr Jostings Verlobter und hat Recht auf Informationen.". Ich schloss langsam die Augen und hatte sofort Manuels glückliches Lächeln vor Augen. "Alles wird gut", flüsterte eine Stimme und die sanfte Hand strich über meine Wange. "Manu ist stark, hab Vertrauen.".

Straight Against The FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt