chapter 97

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Pünktlich um 7 Uhr klingelte es an der Tür. "Ist für mich!", rief ich runter, doch zu spät. "Guten Morgen Andreas, was verschafft uns die Ehre?". Seufzend schüttelte ich den Kopf und nahm meinen Rucksack. "Ich hole nur Manu ab, wir müssen wohin.". Ich kam runter und winkte ihm kurz bevor ich schnell meine Thermoskanne holen lief. "Wir können.". Ich zog meine Schuhe über und nahm meine Mom in den Arm. "Ich meld mich.". "Natürlich Schatz, machts gut.". Sie winkte uns während wir den Weg zurück zu Andreas Wagen gingen. "Weiß Chris, was du machst?". Er verneinte dies und stieg ein. "Wenn er das wüsste, würde er mich aufhalten wollen.".

Neugierig sah ich ihn an. "Warum machst du es dann?". Ich schnallte mich an und beobachtete, wie Andreas das Navi einstellte. "Weil ich dir, vor allem aber euch, helfen will. Chris ist kaputt, Manu. Seit dem Unfall ist er anders geworden, depressiv und unberechenbar. Dann bist du wach, alles Friede Freude Eierkuchen und dann kommt die Amnesie dazu.". Er fuhr los und konzentrierte sich auf die Straße. "Er ist am Boden zerstört. Jedes Mal wenn er dich jetzt sieht, bekommt er diese Gedanken. Schlimme Gedanken, weil er dich nicht einfach in den Arm nehmen und küssen kann. Ich möchte einfach, dass du dich erinnerst. Dafür würde ich gerade alles geben.". Ich nickte und lehnte den Kopf ans Fenster. "Ich strenge mich ja auch an.".

Die Fahrt verlief relativ ruhig, die Straßen waren frei und wir unterhielten uns nebenbei über die Arbeit. Andreas erzählte mir von den letzten zwei Jahren, was alles passiert war und wie sie vorankamen. Die Abläufe schilderte er mir ungefähr, immerhin sollte ich sie schon am Wochenende wieder anwenden können.

"Da wären wir.". Andreas parkte das Auto auf einem kleinen Parkplatz genau vor einem Bungalow. "Das hier ist euer Haus, wo ihr euren Urlaub verbracht habt.". Ich stieg aus und zog meine Jacke über. "Können wir rein?". Er nickte mir zu und übergab mir den Schlüssel. Zögernd betrat ich das Haus und ließ es auf mich wirken. Es war gemütlich, vollkommen ausreichend für zwei Personen. "Schau dich etwas um und sag mir, wenn du dich an etwas erinnerst.". Ich nickte und ließ Andreas im Eingangsbereich stehen. Behutsam streifte ich durch die Räume, setzte mich auf die Couch und aufs Bett. "Es fühlt sich so bekannt an alles", murmelte ich und ging vom Schlafzimmer aus weiter ins Bad.

"Wir müssen nicht, du entscheidest, was du dir zutraust.". "Du fasst mich nicht an, wenn ich Nein sage?". "Nur das, was du magst und mir erlaubst", versicherte ich ihm. Ich setzte mich in die Wanne und schloss die Augen. Als ich es schon nicht mehr erwartete, setzte er sich langsam vor mich und lehnte seinen nackten Oberkörper an den meinen.

Wie angewurzelt stand ich mitten im Bad und starrte auf die Wanne. "Andy!". Ich zuckte zusammen als ich seinen Namen rief, er war mein Chef und eigentlich durfte niemand außer Familie ihn so nennen. "Fuck", flüsterte ich. "Was ist los Manu?". Er tauchte hinter mir auf und sah mich aufgeregt an. "Ich hab mich an was erinnert.". Triumphierend lächelte er mich an. "Mega! An was?". "Wie Chris und ich baden waren, ich schätze mal nach seiner Vergewaltigung.". Er nickte mir zu. "Siehst du, es wird langsam. Lass uns noch an den Strand.". Ich konnte nur nicken und ließ Andreas den gesamten Weg nicht aus den Augen. Er war anders zu mir, schon von Beginn an. Als wäre ich wirklich Teil der Familie.

"Andreas? Wie hat deine Familie auf uns reagiert?". Sein Blick glitt kurz zu mir. "Mit Hass. Ich hab euch lange das Leben zur Hölle gemacht und-". "Du?!". Er nickte und sah mich nicht mehr an. "Ja i- ich konnte den Gedanken nicht ab und hab euch auseinander getrieben. Meine Mom und meine Frau haben genauso reagiert, nur nicht ganz so aggressiv wie ich.". Skeptisch betrachtete ich ihn. Dass ich ihn nie so einschätzen würde, konnte man offenbar aus meinem Gesicht ablesen. "Glaubs mir ruhig.". Ich nickte und ließ mich weiter zum Strand führen. Es war gerade Flut, sodass wir nicht wirklich weit gehen konnten. Wir blieben stehen und sahen uns um. "Es fühlt sich so vertraut an hier.". Ich ließ den Blick etwas über den Sand streifen und blieb ruckartig still als mich eine erneute Erinnerung überrannte:

"Ich möchte dir versprechen, dass- dass ich immer an deiner Seite sein werde, für dich da sein und dich beschützen werde. Auch wenn ich mal nicht in Person bei dir sein kann, dann sollst du trotzdem wissen, dass du niemals allein bist.". Sanft nahm ich seine Hand und steckte ihm den Ring an seinen Finger. "Ich möchte eine Beziehung mit dir Chris. So richtig. Ich will eifersüchtig sein, will mit dir nachts einschlafen und händchenhaltend durch die Stadt gehen.".

"Lass uns nach Bünde zurück Andreas, sofort. Und setz mich zuhause ab.". Perplex sah er mich an während ich schon loslief. "Nun komm schon!". Ich lief zum Wagen und sprang auf den Fahrersitz sobald Andreas das Fahrzeug geöffnet hatte. "Ehm?". Ich hielt ihm meine Hand hin. "Einsteigen, pronto.". Seufzend gab er mir den Schlüssel und stieg als Beifahrer ein. Sogleich fuhr ich los, hochkonzentriert und euphorisch. Ich parkte bei meinen Eltern. "Danke Andy, das war wichtig heute. Wirklich.". Ich klopfte ihm auf die Schulter und stieg aus ehe ich schnellen Schrittes ins Haus lief. "Bin da, aber gleich wieder weg!". Hektisch lief ich hoch und durchwühlte meine Sachen, um dieses eine Shirt zu finden. Ich grinste und zog es über, nahm meine Schlüssel und lief wieder runter. "Bin die Nacht über weg! Tschüss!". "Manuel, warte doch.". Die Bitte meines Vaters bekam ich nicht mehr mit, stattdessen setzte ich mich ins Auto und fuhr los. Dorthin wo mein Herz mich entlang führte.

Ich stellte meinen Wagen neben dem schwarzen VW unters Carport. Ich schloss ab und sah auf das Haus, das vor mir lag. Eine einzige kleine Lampe brannte im Wohnzimmer und man konnte die Spiegelung des Fernsehers sehen. Ich ging vorbei an dem Briefkasten, der noch immer mit zwei Namen versehen war und drückte auf die Klingel. Augenblicke später öffnete er mir. "Hey ehm-". "Was machst du denn hier?", flüsterte er und sah mich aus großen Augen an. "Das weiß ich auch nicht, aber es fühlt sich verdammt richtig an.".

Straight Against The FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt