chapter 87

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So lief die Tour, mehr oder weniger, erfolgreich an. Pascal bekam von mir regelmäßig einen Spruch reingedrückt und mittlerweile konnte ich die ganzen besorgten Blicke einfach nicht mehr ausstehen. Ich sprach mit niemandem hier, war für mich alleine und das war auch gut so. Ich hielt Kontakt mit dem Krankenhaus und wartete täglich auf den aktuellsten Bericht, der aber immer derselbe war. Unverändert, bleib stark. Jaja immer dieselben Floskeln, auch von meiner Familie. Andreas verhielt sich wie mein Vater, hielt Überblick über mein Essen und meinen Schlaf und ab und an gab er seinen Senf dazu.

Auch heute wieder. Wir hatten bereits alle Shows für das Wochenende geschafft und bereiteten uns auf die Abfahrt vor. Gerade war Zeit fürs Catering, sodass alle vor Fahrtbeginn noch was aßen. Ich jedoch war in der Garderobe und kam gerade aus der Dusche. "Machs gut, danke dir", lachend betrat mein Bruder die Garderobe und schloß hinter sich die Tür. Ich stand gerade in Boxershorts vor meinem Koffer als ich mich zu ihm drehte. Ein erschrockener Luftzug erklang und ich konnte den Schock in seinen Augen sehen. "Ich-.". Ich winkte ab und zog ein Shirt über. "Du brauchst nichts sagen.". Erschöpft zog ich mich an und schmiss alle Sachen in den Koffer. "Chris.". Ich schüttelte den Kopf. "Was verstehst du an 'kein Kommentar' denn bitte nicht?!". "Du bist krank!". Ich ließ den Kopf sinken und atmete durch.

"Schau dich doch mal an! Du bist total abgemagert, hast Augenringe bis zum geht nicht mehr und von deinen Unterarmen fangen wir gar nicht erst an! Ich seh doch, dass es dir scheiße geht!". Ich schüttelte wehement den Kopf. "Nichts weißt du.". Voller Wut packte ich meine restlichen Dinge weg und setzte meinen Rucksack auf. "Du hast Steffi wenn du heimkommst bei dir und musst sie nicht demnächst auf dem Friedhof besuchen gehen!". Schwer schluckte Andreas bevor er die nächsten Worte tätigte: "Sie wollen die Maschinen abschalten?". "Natürlich wollen sie das", raunte ich bitter. "Es hat ja keinen Sinn mehr!". "Sprich mit ihnen. Es hat immer einen Sinn und wir müssen alle Vertrauen haben.". "Ich bitte dich. Wir haben fast Februar Andreas.". Er schüttelte den Kopf. "Und wenn es soweit kommt? Du stirbst mir hier vor den Augen weg Christian.".

Ich zuckte die Schultern und sah ihn ernst an. "Und wenn es so wäre. Dann wäre ich wenigstens nicht mehr alleine hier.". "Sag sowas nicht!". Ich bekam es kaum mehr mit, denn während seine letzten Worte fielen verließ ich bereits den Raum. Stumm ging ich an jedem vorbei, warf meine Taschen in den Bus und ging weiter in die Stadt hinein. Mein Handy vibrierte, ich ließ es jedoch klingeln. Ohne Anhaltspunkt spazierte ich durch die Stadt und kam letztendlich am Ufer der Elbe an. "Dir würde es hier so sehr gefallen", murmelte ich und setzte mich ins nassfeuchte Gras. "Ob wir jemals gemeinsam hier sitzen können oder muss ich ab nun alleine bleiben?". Ich strich vorsichtig durchs Gras und atmete tief die frische Luft ein. Mein Handy begann erneut zu vibrieren, diesmal nahm ich ab. "Was ist?".

"Ich mach mir Sorgen, man wo bist du?". "Elbe.". "Und was machst du da?!". "Scheiße, was denn wohl sonst Brüderchen.". Ich legte auf und ließ mein Handy ins Gras fallen. Wie betäubt stand ich langsam auf und ging näher zum Ufer. Meine Füße wurden nass als die seichten Wellen näher kamen. Ich spürte die Kälte nicht, nur den Schmerz des Verlusts. Ich ging weiter. Schritt für Schritt für Schritt. Das eiskalte Wasser stand mir bis zur Hüfte und die Strömung wurde zunehmend stärker hier. Mein Körper war wie ohnmächtig, meine Gefühle eingefroren. "Chris!". Erschrocken drehte ich mich um und erkannte an der Böschung meinen Bruder stehen. "Komm da raus!". Ich schüttelte leicht den Kopf und drehte mich wieder weg. "Ich kann nicht", flüsterte ich. "Wir werden um ihn kämpfen aber dafür musst du bei uns bleiben!". "Versprich mir nichts Andreas, du kannst es eh nicht einhalten!". Die Verzweiflung meines großen Bruders hing wie Nebel in der Luft und mit jeder verstrichenen Sekunde wurde er angespannter. "Chris, komm da bitte raus.".

"Und dann?!". "Dann fahren wir gleich zu ihm. Zu Manu, hörst du?". Ich nickte ganz schwach. "Manu", murmelte ich und drehte mich wieder zu ihm. Auch Andreas stand bis zu den Knien im Wasser, uns trennten wenige Meter. "Willst du zu Manu, sollen wir hinfahren?". Stumm nickte ich. "Manu.". Meine Knien verloren ihre Kraft und ich sackte zusammen. Ich spürte nur noch das Wasser, dass rauschend über mich hineinbrach. Ich konnte eine dunkle Silhouette erkennen, die näher kam während ich langsam zu Boden sank. "Manuel.". Mein letzter Gedanke richtete sich an meinen Verlobten, meinen Seelenverwandten und die Person, die mich zum Lachen brachte. Meine Augen fielen zu und die Dunkelheit ummantelte mich, bis Stille einkehrte.

Straight Against The FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt