chapter 89

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Seufzend stand Andreas nach einer Stunde auf. "Ich werd mal heimfahren, ja? Magst du mit?". Ich schüttelte den Kopf. "Ich schreib dir", murmelte ich. "Ist gut.". "Komm gut nach hause.". Ich stand auf und nahm meinen Bruder in den Arm. Schweigend ließ er es zu und drückte mich fest an sich. "Meld dich", flüsterte er an mein Ohr. "Versprochen", erwiderte ich leise und schloß die Augen. "Ich hab dich lieb", murmelte ich leise und genoss den kurzen Moment der Gelassenheit. "Ich dich auch.".

Andreas verließ das Krankenhaus und ich kramte zuallererst meine Tasche aus dem Schrank. Seitdem ich öfter mal hier schlief, lagen Wechselklamotten für mich bereit. Die Jalousien zog ich zur Hälfte zu, zog mich bequem um und richtete vorsichtig das Bett. Behutsam, um keinen Schaden anzurichten, legte ich mich ins Bett zu Manu. Seinen Körper zog ich sanft zu mir, dass sein Kopf an meinem Hals liegen konnte. Schweigend sah ich an die Decke und dachte nach. Ich wusste nicht wirklich, wie ich mit der Situation umgehen sollte und je mehr Zeit verstrich desto schlimmer wurde es. Ich hatte keinen Spaß mehr an meiner Arbeit, meiner Freizeit und schon gar nicht mehr an meinem Leben alleine.

"Wir können das nicht länger zulassen.". Leise Stimmen kamen auf das Zimmer zu und durch die große Glasscheibe konnte ich schon die Silhouetten von Lydia und Thomas erkennen. "Lydia, schau ihn dir doch an. Er vergeht dort, es passiert nichts und sein Arzt meinte auch schon, dass das nichts mehr werden kann.". Ich schloss schmerzlich die Augen und lehnte meinen Kopf an Manus. "Chris ist wieder da Thomas, also reiß dich zusammen.". Ein aufgebrachtes Schnauben seinerseits folgte. "Chris ist fertig mit den Nerven, er liebt ihn. Unseren Sohn.". "Das weiß ich auch Lydia. Ich möchte aber nicht tagtäglich meinen Sohn hier liegen sehen, ohne Bewusstsein oder überhaupt einem funktionierenden Gehirn!". Ich zuckte zusammen und schluchzte auf. "Sie dürfen dich nicht aufgeben Manu", flüsterte ich. "Sie dürfen nicht.".

"Also?". Das leichte Seufzen von Manus Mutter drang an mein Ohr. "Geben wir ihm noch ein paar Wochen, aber lass uns Chris nicht weiter anlügen.". Ich atmete leise durch. Mit einem Mal wurde mir brechend übel. "Lass uns rein, dann klären wir ihn gleich auf.". Die Türklinge knarzte leise. "Hallo Christian.". Ich drehte mich gar nicht erst zu ihnen, blieb schweigend liegen. "Schön, dass du wieder da bist. Wie geht es dir Liebes?". Ich brummte nur kurz. "Christian, wir müssen uns mit dir besprechen.". Die Stühle wurden neben das Bett gerückt und zögernd drehte ich mich zu ihnen. "Ihr wollt ihn aufgeben.". Schwer seufzte Thomas und sah seine Frau kurzzeitig aufgebracht an. "Du musst uns verstehen.". Ich schüttelte nur den Kopf und sah ihn an. "Ich verstehe gar nichts. Er ist euer Sohn und ihr gebt ihm keine Chance wieder herzukommen.". Lydia legte behutsam ihre Hand auf meinen Arm. "Der Unfall ist bereits 7 Monate her und es hat sich rein gar nichts verbessert. Er ist im selben Zustand ohne Aussicht auf Besserung.". Mein Blick fiel auf Manus Körper.

"Er schläft doch nur", flüsterte ich weinerlich. Ruhig lag er neben mir. Sein Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen, sein Körper war angenehm warm und seine Gesichtszüge entspannt. "Christian, Manuel ist hirntot.". Ich kniff die Augen zusammen und kämpfte gegen die Tränen, vor allem aber gegen die Wahrheit, an. "Nein, das ist er nicht.". "Seine Nerven sind geschädigt, er wird nicht mehr zu Bewusstsein kommen.". Ich schüttelte verzweifelt den Kopf. "Er muss Lydia.". Sanft strich sie über meinen Arm. "Du musst Abschied nehmen", flüsterte sie und ihre Stimme fiel in sich zusammen. "Es tut mir so leid.". Schluchzend ließ ich den Kopf an Manus sinken. Eiskalte Schauer rannen durch meinen Körper, innere Leere breitete sich aus.

"Nein", flehte ich leise. "Er darf nicht gehen, ich brauche ihn doch.". Ich schluchzte auf. "Er ist nicht tot, er kann noch wieder aufwachen. Ihr müsst nur an ihn glauben, nur mit ihm hoffen.". Meine Stimme zitterte und ich konnte mich selbst kaum mehr verstehen. Die Angst machte sich in mir breit, ließ keinerlei Besserung zu. "Gebt ihm noch eine Chance, ich bitte euch.". Ich setzte mich auf und sah Thomas und Lydia aus verquollenen Augen an. "Gebt ihm eine Chance zu zeigen, wie stark er ist.". "Chris, ich fürchte das kö-". "Nur noch eine", flehte ich sie an. Meine Schultern bebten unter dem schweren Atmen, dem immer wiederkehrenden Schluchzen. "Nur ein bisschen noch, ein paar Wochen.".

Lydia wechselte einen tieftraurigen Blick mit ihrem Mann. "Drei Wochen Chris, ok? Dann bist du hier und hast alle Zeit dich zu verabschieden.". Ich nickte stumm und sah auf Manu. "Komm wieder zu mir", flüsterte ich und nahm seine Hand. "Komm doch bitte wieder und nimm mich in den Arm wie damals. Bevor wir zum Abbauen gegangen sind", murmelte ich schwach. Zögernd beugte ich mich zu ihm runter und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. "Ich liebe dich Manuel.".

Straight Against The FeelingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt