Kapitel 95. Eine ganz normale Nacht

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Ich beobachtete, wie der Lord schmunzelte und sich um mich herum bewegte, sehr darauf bedacht, auf jede meiner Bewegungen zu achten.

"Ich hätte da eine Frage an euch mein feuriger Freund. Es gibt viel zu viele interessante Dinge über euch herauszufinden, wie wäre es also, wenn ich versuche, euch zu ergründen". Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und beäugte ihn skeptisch, da ich nicht genau wusste, ob ich seine Worte als ein ehrliches Interesse deuten sollte oder als eine gewisse Annäherung, was ich ehrlich gesagt nicht hoffte. Über mich gab es wohl einige Dinge zu erzählen, von den aber die meisten oder besser gesagt niemand etwas wusste. Ich hatte keine Probleme damit, Fragen über mich zu beantworten, denn immerhin war mein Dasein hier in der Inquisition mit einem gewissen Vertrauen verbunden, welches ich aber auch alle anderen aufbringen mussten, damit wir zusammen arbeiten konnten. Alles in einem konnte ich selbst entscheiden, was ich beantworten wollte und was nicht und wie viel ich von mir preisgeben konnte, ohne größere Probleme zu verursachen. Ich seufzte und nickte dann. Egal was er fragen wollte, ich fühlte mich bereit dafür.

"Die Frage nach dem Ort eurer Geburt". Ich hielt für einen Moment inne, nicht weil mich dieses Thema sonderlich emotional traf, sondern eher, weil es für mich einfach nicht von Belang war.

"Ich wurde in Antiva geboren, mitten in das Herz einer großen Stadt, wie sie mir wohl heute eher verhasst ist. Ich kann mich nicht mehr an sonderlich viel erinnern, außer das ich Antiva immer als eines der schönsten Länder empfunden habe, welches in dieser Welt existiert. Ich mochte die Städte nicht. Das wilde Leben auf der Straße, welches ich als teilweise als so eng und laut empfunden habe, war nie etwas für mich ich habe schon immer die Natur bevorzugt und davon hat Antiva reichlich. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wunderschön ich es mit jedem neuen Sonnenaufgang fand. Es war wie ein riesiges Paradies aus vielen Farben, Gerüchen und Geräuschen. Aber so wie beinahe jeder Ort hatte es immer zwei Seiten der bekannten Medaille und das sogar sehr viel deutlicher als in anderen Ländern. Die Grenzen zwischen Arm und reich und berühmt und unbekannt ist gewaltig und scheint ein mit jedem weiteren Tag, der dort vergeht, immer mehr zu erdrücken. Damals hatte man wohl gedacht, das alleine die dunkle Brut ein Königreich zerfressen könnte, aber Antiva schafft das durch seinen Hass und die vielen Intrigen und Morde schon ganz alleine. So schön die Natur auch sein mag, so verdorben sind die Leute dort, wenn natürlich auch nicht alle. Ich habe diesen Ort jung verlassen und bin seit diesem Moment nie wieder dorthin zurückgekehrt. Auch wenn ich viele andere Orte gesehen habe und in einigen so etwas wie ein Zuhause fand, konnte ich diese gewisse Sehnsucht nach dem Land meiner Geburt nie wirklich ablegen. Vielleicht kehrte ich nicht zurück, weil ich den Eindruck hatte, dass mir dort zu viel genommen wurde oder vielleicht war es auch einfach eine gewisse....Angst". Ich schüttelte den Kopf, um die vielen Gedanken loszuwerden, die sich in meinem Kopf hin und her bewegten.

"Vielleicht werde ich eines Tages ohne schlechten Gewissens wieder dorthin zurückkehren können, aber...ich denke nicht, dass ich es jemals wieder Heimat nennen werde. Allerdings würde ich es gerne wieder sehen. Vielleicht hat sich viel geändert, aber vielleicht hat sich auch gar nichts geändert". Antiva war in meinen Erinnerungen noch immer der schönste Ort auf dieser kalten und ungestümen Welt, aber mein Zuhause war es schon lange nicht mehr. Zwar fühlte ich eine gewisse Verbundenheit, aber diese bestand aus nicht mehr als reine Neugierde. Außerdem musste ich zugegeben, dass ich zu dem Zeitpunkt, als ich Antiva verlassen hatte, noch recht jung gewesen war und ich mich deswegen einfach an vielen wohl nicht mehr erinnern konnte oder es vielleicht einfach nicht wollte, denn immerhin waren die meisten der Erinnerungen, die ich hatte, nicht gerade die Schönsten. Ich versuchte mich nicht weiter mit diesen Gedanken zu befassen und wandte mich wieder an den Mann, wegen dem ich überhaupt mitten in der Nacht auf einem Dach saß und über meine Vergangenheit erzählte, aber als ich mich umdrehte, war dieser nicht mehr da.

Der eiserne Drachen (German) (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt