Kapitel 2: Erinnerungen und Abschied

80 4 0
                                    

(38 Jahr des 5 Zeitalters /Erhabenes Zeitalter/)

Ich wartete und wartete. Minuten vergingen Stunden und letztendlich Tage. Ich hatte anfangs gehofft, dass sie sich nur verspätete, auch wenn das selten der Fall gewesen war. Ich hatte gehofft, dass sie zu mir zurückkehren würde, aber das tat sie nie. Ich hatte mir all diese furchtbaren Szenarien ausgemalt und gehofft, dass ihr keine davon passiert war, aber ich konnte es nicht wissen. Ich war alt genug, um mich selber versorgen zu können und Sirina hatte mir beigebracht, wie ich in der Umgebung, in der wir lebten, alleine zurechtkommen konnte, ohne auf ihre Hilfe angewiesen zu sein und dieses Wissen bewehrte sich sehr. Ich hörte nicht auf zu warten, selbst als die Tage verstrichen und zu Wochen wurden, konnte und wollte ich nicht aufhören zu hoffen, dass sie zu mir zurückkehren würde.

Ich hatte damals mit dem Gedanken gespielt, dass sie mich möglicherweise verlassen hatte, weil sie mich vielleicht genauso hasste wie meine Familie damals, aber den Gedanken ließ ich sofort wieder fallen, weil ich wusste, wie sehr sie mich geliebt und sich für mich eingesetzt hatte, was für Gefahren sie auf sich gezogen hatte und wie viel sie für mich getan hatte in all diesen Jahren. Sie war die Frau, die mir ein neues Leben geschenkt hatte mit der Aussicht auf eine Zukunft, die ich und nicht eine reiche Familie formen konnte. Und da wusste ich einfach, dass sie mich nie aus freiem Willen verlassen hätte.

Langsam musste ich mit dem Gedanken zurechtkommen müssen, dass ich sie nie wiedersehen würde, dass sie vielleicht sogar gar nicht mehr lebte, aber was blieb mir schon anderes übrig? Wenn sie jemand gefunden hatte, der mit meiner Familie kooperierte, wusste ich das ich nicht bleiben konnte, zu groß war die Gefahr, das man mich ebenfalls finden würde und dieses Risiko wollte ich nicht eingehen. Ich war zwar kräftiger als andere Kinder meines Alters, allerdings hatte ich nie zuvor gekämpft, geschweige denn jemanden Schaden zugefügt und das wollte ich auch nicht. Ich musste weg von diesem Ort, welchen ich für Jahre mein Zuhause genannt hatte und das so schnell wie nur möglich. Es gab nicht viel, was ich zu packen hatte außer einigen Nahrungsmitteln, Kleidungen, die Sirina für mich gemacht hatte und ein Medaillon, welches Sirina immer getragen hatte, während sie noch für meine Eltern gearbeitet hatte. Ich hatte bemerkt, wie sie es oft in die Hand genommen, angesehen und dann gelächelt hatte, aber wenn ich sie darauf angesprochen hatte, hatte sie mir nur gesagt, dass es das Wertvollste war, was sie in ihrem Leben jemals bekommen hatte.

 Ich hatte bemerkt, wie sie es oft in die Hand genommen, angesehen und dann gelächelt hatte, aber wenn ich sie darauf angesprochen hatte, hatte sie mir nur gesagt, dass es das Wertvollste war, was sie in ihrem Leben jemals bekommen hatte

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

"Eines Tages, wenn du alt genug bist, soll es dir gehören, damit du immer daran erinnert wirst, dass als du in mein Leben kamst, du zum wichtigstem in meinem Leben wurdest".

Damals hatte ich gerne damit gespielt und es in meiner Hand betrachtet, weil es so schön glänzte. Ich erinnere mich, wie sie dann immer gelacht hatte und mir sagte, dass ich viel schöner glänzte als dieses Metallion. Worte, die mich auch heute noch zum Lächeln brachten. Ich denke, dass es zu dieser Zeit war, das ich meine Leidenschaft oder wohl eher meine Besessenheit für Kostbarkeiten entwickelte. So schön und mächtig die Fähigkeiten und Eigenschaften eines Drachen auch sein konnten, so ließen die negativen Seiten nicht lange auf sich warten. Ich entwickelte gegenüber Gold, Juwelen und anderen Dingen, die schön glitzerten, eine wahre Besessenheit.

Es war nicht so, dass ich all diese Dinge einfach nur schön fand und einen Gefallen daran hatte, sie zu besitzen... nein, es war etwas sehr viel Stärkeres. Wie die meisten Drachen hatte ich das ständige Verlangen danach Kostbarkeiten zu horten und als mein Eigentum zu betrachten. Anfangs war dieser Drang unerträglich stark und ich verbrachte meine Zeit nicht immer damit nur nach Nahrung und Heilkräutern, sondern auch nach Juwelen und anderen Schätzen zu suchen, die man in tiefen Höhlen und stillgelegten Stollen so finden konnten. Ich wusste immer, wo ich suchen musste, denn für mich waren sie jederzeit zu spüren und deswegen auch ein Leichtes sie zu finden und für mich zu behalten und da ich auch einen ausgeprägten Freiheitsdrang in jungen Jahren entwickelt hatte, war es für Sirina nicht immer möglich gewesen, mich im Auge zu behalten oder mir zu verbieten, sich zu weit von unserem Wohnsitz zu entfernen.

Dank meiner besseren Sinne war es für mich immer wieder ein Leichtes gewesen, mich nachts von dannen zu schleichen, ohne dabei von ihr bemerkt zu werden. Allerdings musste ich mich dann meist am Morgen erklären, warum eine Handvoll Edelsteine in unserem Brotkorb zu finden war, aber auch das nahm nach der Zeit ab. Sie hatte sich wohl einfach daran gewöhnt oder sie hatte die Lust daran verloren zu fragen, eines von beiden. Ich war zufrieden mit dem, was ich tat, so konnte ich immerhin dafür sorgen, dass sie von den Juwelen Dinge besorgen konnte, die wir brauchten. Ich sah es als meine persönliche Aufgabe, sie in Sachen Finanzierung zu unterstützen. Allerdings war es nicht immer einfach, besonders nicht dann, wenn sie versuchte mir meine Kostbarkeiten wegzunehmen, um sie tatsächlich gegen etwas Nützliches einzutauschen.

Meist endete es damit, dass ich mich in einem Kleidungsstück von ihr verbissen anknurrte und sie einfach nur grinsend dastand und mich niedlich nannte. Diese Frau hatte einfach immer viel zu viel Geduld mit mir. Und nach solchen Momenten durfte ich mich nicht einmal schlecht fühlen, da sie nicht einmal genervt oder sauer auf mich war. Das einzige Mal, wo ich sie sauer erlebt hatte, war, als ich damit anfing mich immer wieder raus zu schleichen, um mehr zu sehen als das, was sie mir zeigte. Ich war ein neugieriger kleiner Junge mit dem Freiheitsdrang eines ausgewachsenen Drachen und sie dachte damals wirklich, dass sie mich davon abhalten konnte, auf eigene Faust diese für mich spektakuläre Welt zu sehen? Ziemlich leichtgläubig, wie ich mittlerweile fand. Allerdings hatte ich damals nicht richtig verstanden, dass sie sich einfach nur Sorgen um mich gemacht hatte und deswegen meistens sauer auf mich war, wenn ich, ohne ihr Bescheid zu geben, das Haus verlassen hatte. Aber mich davon abhalten? Das schaffte sie einfach nicht.

"Was machst du nur immer? Du hättest dich verletzten können! Dich hätte jemand sehen können". Das waren die Worte, die ich jedes Mal wieder zu hören bekam, wenn sie mich dabei erwischte, wie ich nach einer langen Nacht in den Wäldern am Morgen zurück nach Hause gekommen war.

Dass man mich sah, war eine ihrer größten Ängste, da ich nicht grade etwas war, was man oft zu sehen bekam. Ihre größte Angst jedoch war, dass mich jemand angriff, wenn man mich für etwas Schlimmes gehalten hätte, als für das, was ich wirklich war. Sie hatte schon einmal die verachtenden Blicke gesehen, als wäre ich ein Monster gewesen und diese Art von Blicken wollte sie nie wiedersehen müssen. Deswegen hielt mich Sirina von anderen Städten und Personen fern, weil sie mich vor allem beschützen wollte. Ich genoss die Zeit, wo sie mich in die Wälder nahm und dort mit mir Beeren pflückte. Diese Zeit außerhalb des Hauses hatte mir immer am meisten gefallen. Von dem mir damals eng vorkommenden Wänden umschlossen zu sein, gefiel mir nicht und deswegen war ich dankbar, wenn ich das Haus verlassen konnte. Auch war ich ein sehr wissbegieriges Kind, umso mehr mir Sirina von der Welt außerhalb unseres Zuhauses erzählte, umso mehr wollte ich letztendlich wissen.

Drachen horteten nicht nur gerne Reichtümer, sondern auch Wissen, denn für sie war Wissen in der Tat so etwas wie Macht. Was ich lernen konnte, das lernte ich umso schwerer es schien, desto mehr freute ich mich darauf. Sirina stellte mir oft Rätsel, die sie über die Zeit aufgeschnappt hatte, damit ich etwas zum Nachdenken hatte, allerdings löste ich die meisten schnell und so musste sie sich oft eigene ausdenken, damit ich etwas zu tun hatte. Die Erinnerungen, die ich mit ihr machen durfte, waren für mich wie mein eigenes Medaillon, welches ich jederzeit bei mir trug, nicht um meinen Hals, sondern immer in meinem Herzen. Nachdem ich alle Sachen gepackt hatte, die ich für nötig hielt, trat ich aus der Tür in dem Wissen, das ich nie wieder in dieses Heim zurückkehren würde. Mein Blick wanderte ein letztes Mal zurück, um innerlich Abschied zu nehmen, Abschied von dem Zuhause in dem ich so viele schöne Erinnerungen gemacht hatte, Abschied von all diesen schönen Momenten und Worten. Abschied von meiner Mutter.

Der eiserne Drachen (German) (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt