Kapitel 58. Geister

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"Warum sollte ich euch nicht erlauben, mich so zu nennen, warum müsst ihr fragen, ob ich mich so nennen dürft? Nennt mich einfach so, das tun die anderen auch" Ich nickte sanft und lehnte mich dann leicht gegen die Wand aus Holz, während ich ihn weiter beobachtete. Auch jetzt sah er mich an, aber zu einem gewissen Teil auch an mir vorbei, als wäre er mit einem Teil seiner selbst ganz woanders.

"Verzeiht mir die Frage, sie ist vielleicht ein wenig vorlaut und mag respektlos erscheinen, aber ich spüre, dass ihr kein Mensch seid, auch wenn ihr vielleicht so aussehen mögt und deswegen frage ich mich, um was er sich bei euch handeln könnte. Ich spüre eine gewisse Aura von euch kommen, die ich nicht einordnen kann". Er dachte selber über die frage nach und beobachtete dabei seine eigenen Finger, die er hin und wieder auch bewegte, was mich verwunderte. Warum musste er über diese Frage nachdenken? Wusste er etwa selber nicht genau, was er war?

"Ich weiß es nicht...jedenfalls nicht genau. Einige sagen, ich wäre ein Geist und andere meinen, das ich vielleicht ein Dämon sein könnte, auch wenn ich mich nicht so fühle, wie ein Dämon sich wahrscheinlich fühlen würde, wenn er hier wäre. Ich will niemanden verletzten und ich habe auch nicht das Gefühl, jemanden verschlingen zu wollen. Varric sagt, ich wäre ein junge denn hier und da nicht wüsste, wie man ein richtiger Junge ist, aber er sagt auch, das ich das bestimmt noch lernen werde. Viele dieser Leute da draußen sehen mich nicht und selbst wenn ich mit ihnen rede, vergessen sie mich schnell wieder, deswegen bin ich vielleicht ein Geist aber vielleicht auch nicht. Ihr könnt mich sehen. Habt mich im Dunkeln gefunden und redet mit mir. Ihr sehr nicht so aus, als würdet ihr mich gleich wieder vergessen und genau so ist es auch beim Inquisitor. Sie scheint so hell und sanft und sie ist nett zu mir...sie vergisst mich nicht, das hat sie bis jetzt noch nie. Varric vergisst mich auch nicht und Cassandra auch nicht, sie wirft mir nur immer diese Blicke zu, die mir sagen, das ich Abstand nehmen soll. Der eiserne Bulle vergisst mich ebenfalls nicht, aber ich merke das vieles an mir ihm unangenehme Gedanke verursacht. Seit ich hier bin...vergessen viele Leute mich nicht mehr. Ich weiß nicht, ob ich existiere...vielleicht tue ich es, aber vielleicht kommt es mir auch nur so vor. Wisst ihr es denn?"

Ich wusste nicht genau, von welchen Dingen er da genau sprach, da sie wie seine Worte zuvor auch ein wenig rastlos waren und für mich deswegen nicht ganz einen Halt hatten, aber ich verstand ansonsten relativ gut, was er meinte. Er wusste also nicht genau, was er war und variierte deswegen die Meinungen verschiedener anderer Inqusitionsmitlgieder in seine eigene mit hinein, obwohl er anscheinend schon relativ gut abschätzen konnte, was er wahrscheinlich nicht war und das war ja immerhin auch schon etwas. Deswegen musste ich mich wohl auch nicht wundern, warum er mich fragte, denn wahrscheinlich wollte er meine Meinung einfach in die seine mit einbinden. 

Eigentlich war die Antwort für mich ganz einfach, denn er war hier und redete mit mir in diesem Moment und damit existierte er für mich und das reichte mir auch völlig. Ich nahm einen tiefen Atemzug, nur um sicherzugehen, dass mir meine Sinne keinen Streich spielten. Er hatte nichts von einem Dämon, selbst sein Geruch war weit von dem einer solchen Kreatur entfernt. Allerdings viel es mir auch schwer, seinen Geruch überhaupt irgendwo einzuordnen, denn er hatte etwas einzigartiges. Auf irgendeine Art und Weise kam er mir bekannt vor, auch wenn ich definitiv sagen konnte, dass es eine lange Zeit her sein musste, das ich so etwas das letzte Mal gerochen hatte. Der außergewöhnliche Geruch des Schleiers haftete an ihm, was wohl auch das war, was mir gleich von Beginn an am stärksten aufgefallen war und was mir mitgeteilt hatte, dass er kein Mensch, zumindest kein gewöhnlicher sein konnte. Ein Junge nun, so sah er vielleicht aus, aber ein gewöhnlicher war er ganz und gar nicht. Sein Geruch, die Aura des Schleiers und die Tatsache, dass ich mich ruhiger und gar geborgener in seiner Nähe fühlte, ließ mich zu dem Schluss kommen, das ich es wahrscheinlich wirklich hier mit einem Geist zutun hatte und das hatte sowohl negative als auch positive Seiten.

Der eiserne Drachen (German) (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt