Kapitel 9 - Zwei Herzen in meiner Brust

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Der erste Schnee kam mit dem Dezember. Die Ländereien wurden so mit der kalten Himmelsmasse bedeckt, dass es ohne Zauber nicht möglich war, zu den Gewächshäusern zu gelangen. Der See wurde von einer dicken Eisschicht überzogen und versetzte den Riesenkraken in Winterschlaf. Ab und zu konnte man einen seiner Tentakel träge unter dem Eis erkennen, wenn man darauf Schlittschuh lief, wie es so viele meiner Mitschüler jetzt taten.

Ich hielt mich von ihnen allen fern. Am liebsten hätte ich mir eine neue Welt gesucht. Gerade jetzt, da es überall nach frischem Eis roch. Überall war Draco. Es wurde beinahe unmöglich für mich, nicht an den Kuss zu denken.

Wenn wir uns begegneten, verhielt er sich wie immer und ignorierte mich. Ich tat es ihm gleich. Es war wie mit dem Kuss unter dem Liebestrank. Nach kaum zwei Wochen fragte ich mich, ob es wirklich passiert war. Doch die Erinnerung war so hellwach in meinen Träumen, die Schuld so brennend in meiner Brust, dass kein Trugschluss möglich schien.

Wie es Menschen oft taten, die den Fehler ihres Lebens gemacht hatten, verfiel ich wieder in alte Verhaltensmuster - und klammerte mich mit all meinem Sein an Harry. Es begann damit, dass ich die Wochenenden wieder mit ihm Ginny und Ron in Hogsmead verbrachte und endete damit, dass wir uns heimlich nach dem Unterricht in dunklen Nischen engumschlungen küssten. Wenn ich mit Harry zusammen war, war es ganz einfach zu wissen, auf welcher Seite ich stand. Dass ich natürlich immer das Helle wählen würde. Immer Harry. Doch dabei verheimlichte ich mir selbst etwas Exeztentielles: ich sagte ihm nicht, was Draco mir gesagt hatte - dass er ein Todesser war.

Und so verstrickte ich mich mehr und mehr in dem Netz meiner eigenen Lügen. "Malfoy hängt ständig im siebten Stock herum. Und dann ist er plötzlich verschwunden, wenn ich ihm auf den Fersen bin. Es ist als wäre er Rauch."

Wir gingen zusammen am gefrorenen See spazieren. Unser Atem hinterließ kleine Wölkchen in der Luft, doch das war nicht der Grund dafür, dass ich so sehr zitterte. Harry bemerkte es sofort. "Möchtest du wieder ins Schloss?"

Ich schüttelte den Kopf und suchte krampfhaft nach einem anderen Thema. "Hast du immer noch nichts von Dumbledore gehört?"

Er schüttelte betrübt mit dem Kopf. "Seit Wochen nicht mehr. Ich glaube er wartet darauf, dass ich ihm die Erinnerung von Slughorn liefere."

Schweigen. Ich sah betreten auf meine Füße und bemerkte die Spuren, die ich mit Harry zusammen im Schnee hinterließ. Ich hatte überhaupt nicht mehr versucht, ihm bei dieser wichtigen Aufgabe zu helfen. Und das, obwohl ich es - nach allem, was ich gegen meinen Willen wusste - unbedingt tun musste.

"Bald sind Weihnachtsferien. Vielleicht schmeißt er noch eine Party für den Slugklub", sagte ich.

Er sah mich grinsend an. "Dann sollten wir uns dem Professor dieses mal mehr widmen als beim letzten Mal."

Mit einem Brennen in den Wangen und meiner Brust erinnerte ich mich an den Kuss, den wir Halloween hatten. Und die Küsse danach. Sofort schoss mir der Gedanke an Draco durch den Kopf. Demonstrativ zog ich Harry so heftig an mich heran, dass wir zusammen in den Schnee fielen. Als seine Lippen auf meinen lagen, war Draco wieder verschwunden und ich versank in dem Kuss.

Im Laufe des Dezembers wurde es immer leichter, die Sache mit Draco zu vergessen, weil alles wie früher war. Ich scherzte mit Ginny und Ron. Und lachte viel mit Harry. Wir verbrachten wieder viel Zeit miteinander, doch mit dem Unterschied, dass wir auch viel über seine Aufgabe sprachen und überlegten, wie wir Slughorn die Erinnerung abluchsen konnten. Denn entgegen aller Erwartungen folgte keine neue Einladung zu einer Party. Es war, als würde er etwas ahnen.

Weihnachten rückte näher und damit auch die Zeit, in der meine Geschwister, Harry und ich zurück in den Fuchsbau fahren würden. Mom winkte in ihren Briefen heftig mit dem Zaunpfahl, was Harry und mich betraf. Ich ging nicht darauf ein, doch insgeheim fragte ich mich besorgt, wie das Zusammenleben mit ihm über Weihnachten auf so engem Raum funktionieren sollte, ohne dass jemand etwas bemerkte.

Der Zauber um Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt