Kapitel 23 - Der letzte Abschied

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Angst und Trauer hatten sich wie ein dunkler Schatten über die Schule gelegt. Seit Dumbledores Tod war Hogwarts nicht mehr dasselbe. Professor McGonagall hatte als neue Schulleiterin den Unterricht und die bevorstehenden Prüfungen ausgesetzt. Es gab Gerüchte darüber, dass die Schule geschlossen werden sollte.

Die Welt war ein dunklerer Ort ohne den Schutz von Albus Dumbledore. Zu seinen Lebzeiten hatte ich nie verstanden, was die meisten Schüler so an ihm schätzten. Für mich war er stets ein Lehrer wie jeder andere gewesen, mit einem schrägen Sinn für Humor. Doch jetzt, da seine Macht erkaltet war, spürte auch ich deutlich ihr Fehlen in der Welt. Wir waren alle verletzbar. Das Dunkle streckte seine Finger nach uns aus - besonders nach mir. Ich fragte mich nicht, ob sie kommen und mich holen würden - sondern nur wann es geschehen würde.

Es war der Tag von Dumbledores Beerdigung. Morgen würden auch die restlichen Schüler, die noch nicht von ihren Eltern abgeholt worden waren, nach hause fahren. Gleißendes Sonnenlicht strahlte von einem Vergiss-mein-nicht-blauen Himmel und erhellte die unzähligen weißen Stühle, die am See aufgestellt worden waren. Ich stand nah beim Wasser, der Wind fuhr mir durchs Haar.  Hinter mir hörte ich die gedämpften Gesprächsfetzen der zahlreichen Leute, die Dumbledore die letzte Ehre erweisen wollten.

Harry trat schweigend neben mich. "Ich weiß, dass du an ihn denkst, auch wenn du kein Wort über ihn verlierst."

Ich wusste sofort, dass er nicht von unserem toten Schulleiter sprach. Ein klägliches Schluchzen entrang sich meiner Kehle. "Er hätte es niemals getan, Harry. Das konnte er gar nicht."

"Ich weiß", sagte Harry nach einer Weile.

"Was glaubst du, was sie jetzt mit ihm machen?", fragte ich und spürte entsetzt, wie meine Schultern unter heftigen Schluchzern erbebten. Jetzt, da ich die Gedanken und Sorgen um Draco zuließ, schienen sie mir unerträglich.

"Das weiß ich nicht, Kim" Dann schwiegen wir.

Plötzlich verdunkelte ein Schatten die Sonne. Wir sahen nach oben und sahen Dumbledores wundervollen Phönix über dem See kreisen. Er riss den Schnabel auf und begann zu singen. Die Melodie war herzzereißend und schien tief in mir nachzuklingen. Es war, als wolle er mir die Seele zerreißen und neu zusammensetzen.

In Harrys erschütterten Zügen sah ich, dass es ihm ähnlich erging. Er nahm sanft meinen Arm. "Komm. Die anderen warten schon."

Meine Eltern und älteren Brüder waren auch da. Als ich Mom sah, hatte ich plötzlich Angst weiterzugehen. Meine Füße hielten inne und ich konnte mich keinen Zentimeter mehr bewegen. Harry zog mich sanft mit sich. "Keine Angst. Sie wissen, was du für uns getan hast."

Mir wurde übel. Mein ganzes Leben war nur noch eine Lüge. Ich  hatte meine ganze Welt verraten für einen Jungen, von dem ich weder wusste, wo er sich befand noch wie es ihm ging oder ob ich ihm wirklich auch nur das Geringste bedeutete.

Da streifte mich Moms Blick. Als sie mich sah, rief sie sofort meinen Namen und überbrückte rennend die Distanz zwischen uns, ehe sie mich in ihre Arme zog. Ich fiel in ihre Liebe und ließ mich hemmungslos weinend an ihre Brust sinken. "Ist ja gut, Liebes. Du bist in Sicherheit. Mach so etwas Dummes ja nie wieder."

Ich weinte und weinte und sie hatte keine Ahnung, warum die Tränen wirklich fielen. Die wenigsten davon galten unserem toten Schulleiter. Ich sehnte mich nach Draco, nach seiner Nähe, seinen Sticheleien, seinen Küssen. Und ich sehnte mich nach einem normalen Leben. Nach einem Morgen ohne Leid und Kummer. Nach einer verlorenen Kindheit. Nach einer Welt ohne Voldemort.

Die Beerdigung war steif und formell, voller großspuriger Reden angeblich bedeutender Zauberer. Harry saß neben mir und weinte stumm, den Blick starr auf den See hinaus gerichtet. Ich wusste, dass er ähnlich fühlte wie ich und Dumbledore mit den steifen Reden nicht in Verbindung bringen konnte.

Der Zauber um Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt