Morwen kniff schützend die Augen zusammen. An die Sonne bin ich nun schon lange genug gewöhnt. Aber der Schnee macht sie wirklich unerträglich hell. Wenn wenigstens Wolken am Himmel zu sehen wären. Energisch schüttelte sie den Kopf, als könnte sie damit die Kopfschmerzen loswerden, die die ungewohnt intensive Helligkeit hervorriefen.
Oder liegt es am Ring? Diesen Gedanken hatte Morwen bisher versucht zu verdrängen, doch ganz ausschließen konnte sie es nicht. Irgendetwas stimmt nicht. Er baut seinen Einfluss aus, da bin ich mir relativ sicher.
„Frodo!" Morwen drehte sich um und sah, wie Aragorn dem Hobbit beim Aufstehen half. Er musste auf dem Schnee ausgerutscht sein und, so weiß wie sein Umhang war, wohl ein Stück bergab gerollt sein.
Morwen wollte sich schon umdrehen und weitergehen, als sie sah, wie Frodo nach dem Ring tastete, den er seit ihrem Aufbruch aus Bruchtal an einer Kette um den Hals trug. Erschrecken trat in seine Augen, anscheinend war der Ring nicht mehr dort, wo er sein sollte.
„Morwen", erklang da schon das vertraute Wispern in ihrem Kopf, „komm, zögre nicht. Ich kann dir alle Macht verleihen, die du dir wünschst." Der Druckschmerz in ihrem Kopf wuchs. Hör nicht hin, befahl sie sich. „Morwen", lockte der Ring sie nun intensiver.Hör nicht H
„Boromir!" Aragorns Ruf holte Morwen aus ihrem gedanklichen Kampf. Gleichzeitig spürte sie den Druck aus ihrem Kopf weichen. Zufriedenheit. Der Ring strahlt Zufriedenheit aus. Das ist alles andere als gut.
Morwen blinzelte ein paar Mal, um sich zu besinnen, dann erst bemerkte sie, dass Boromir die Kette mit dem Ring daran aufgehoben hatte.
„Erstaunlich, dass wir so viel Angst und Zweifel erdulden müssen wegen eines so kleinen Dings", wisperte Boromir.
Nein, nein, nein. Bitte nicht. Morwen tauschte einen besorgten Blick mit Aragorn. Das darf nicht passieren. Wenn Boromir ihm nicht standhält könnte das in einer Katastrophe enden.
„So ein kleines Ding..." Gefährliches Verlangen klang in Boromirs Stimme, während er die freie Hand ausstreckte.
„Boromir!" Aragorns Stimme war so eindringlich, dass Boromir zusammenzuckte. „Gib Frodo den Ring zurück!"
Einen furchtbaren Moment lang befürchtete Morwen, der Einfluss des Rings könnte schon zu stark geworden sein. Was tun wir, wenn er ihn nicht zurückgibt? Was geschieht dann?
Dann jedoch ging Boromir langsam auf Frodo zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Wie du willst."
Rasch nahm Frodo die Kette an sich. In seinem Blick stand große Erleichterung.
Jetzt erst spürte Morwen, dass sie unwillkürlich die Luft angehalten hatte.
„Mir ist es gleich." Boromir versuchte, die greifbare Spannung in der Luft mit einem wenig überzeugenden Lächeln zu lösen.
Ein Blick auf Aragorn verriet Morwen, dass der Dúnadan sich keineswegs entspannte. So einen düsteren Blick habe ich bei ihm noch nie gesehen.
Ein weiteres versuchtes Lächeln folgte, dann wuschelte Boromir Frodo kurz durchs Haar und setzte seinen Weg den Berg hinauf fort.
Auch Morwen wollte schon weitergehen, da bemerkte sie aus dem Augenwinkel, wie Aragorn langsam die Hand löste, die – von ihr unbemerkt – zu seinem Schwertgriff gewandert war.
Ist es das, was der Ring plant? Will er uns gegeneinander ausspielen? Morwen spürte, wie Furcht in ihr hochstieg. Wir sind erst so kurz unterwegs und sein Einfluss ist schon so stark. Wie soll das nur werden, wenn die Reise andauert? Was erwartet uns? Und haben wir die Kraft, dagegen anzukämpfen?
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Morwen, Tochter Saurons
FanfictionNachdem ihr Vater Sauron durch Galadriels Macht aus seinem kurzzeitigen Zuhause Dol Guldur vertrieben wurde, ist Morwen allein. Sie muss lernen, sich in einer fremden Welt zurechtzufinden und nach Möglichkeit geheimzuhalten, wer sie wirklich ist. Ab...