Kapitel 34

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„Diesmal werde ich dich nicht zurücklassen", flüsterte Morwen Dûr in Ohr, „die Elben werden sich an dich gewöhnen müssen, sonst gehen wir eben wieder."

Dûr knurrte eine leise Zustimmung.

Wir werden bald wissen, ob wir in Imladris noch willkommen sind. Morwen seufzte leise. Habe ich wirklich das Richtige getan?

Plötzlich blieb Dûr stehen und stieß ein leises, warnendes Knurren aus. „Ist jemand in der Nähe?", fragte Morwen ihre Freundin leise.

Wie als Antwort auf ihre Frage hörte sie plötzlich das leise Geräusch von Pferdehufen. Ein Reiter. Gewiss ein Elb.

Zwischen den Bäumen konnte sie weißes Fell und blonde Haare aufblitzen sehen. Ist das etwa wieder Glorfindel? Warum treffe ich eigentlich immer auf ihn? Das kann doch kein Zufall sein.

„Wer ist da?" Morwen erkannte die Stimme des Elben sofort.

„Ich bin es, Morwen." Langsam ließ sie Dûr losgehen, um ins Sichtfeld Glorfindels zu gelangen.

Zu ihrer großen Verwunderung schien er kaum überrascht zu sein, sie auf einer Wargin reiten zu sehen. „Herr Elrond ahnte schon, dass Ihr bald zu uns kommen würdet."

„Könnt Ihr mich zu ihm bringen?", fragte Morwen.

Glorfindel nickte. „Folgt mir einfach. Und passt auf, dass Euer Warg nicht allzu viele Elben erschreckt."

„Sie ist eine Wargin", murmelte Morwen so leise, dass Glorfindel sie gerade noch verstehen konnte.

„Ich werde es mir merken." Ein amüsiertes Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Elben, bevor er sich umdrehte, um sie tiefer nach Imladris hineinzuführen.

Es ist so friedlich hier. Zum ersten Mal, seit sie sich entschieden hatte, Legolas aus den Händen der Orks zu befreien, fühlte Morwen sich geborgen.

„Weil du hierher gehörst." Die Stimme in ihrem Kopf ließ sie nicht länger zweifeln, sondern bestärkte sie in ihrem Handeln.

Ich mag Saurons Tochter sein, aber ich bin in der Lage, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.

„Bitte wartet hier." Glorfindel drehte sich zu Morwen um. „Ich werde Herrn Elrond von Eurer Ankunft in Kenntnis setzen."

Morwen nickte leicht. „Ich danke Euch."

Als der Elb sich ein Stück entfernt hatte, schloss Morwen die Augen, lauschte dem Gesang der Vögel und dem leisen Rauschen des Windes. Hier könnte ich vielleicht glücklich werden. Die Rufe der Vögel an der Küste hallte in ihrem Kopf wider. Warum nur muss ich immer wieder daran denken?

„Ein Warg in Imladris?" Plötzlich hörte Morwen eine feindselige Stimme, die ihr auf irgendeine Weise bekannt vorkam.

Sie öffnete ihre Augen und drehte sich zum Sprecher um. „Sie wird niemandem etwas tun." Er sieht Legolas so ähnlich, schoss ihr auf einmal durch den Kopf, deswegen erscheint mir auch seine Stimme so vertraut.

„Elben und Warge haben nichts miteinander zu schaffen." Beunruhigt sah Morwen, dass die Hand des blonden Elben bereits am Griff seines Schwertes lag.

„Sie ist mir seit vielen Jahren eine gute Freundin. Ich habe in der letzten Zeit zwei Elben getroffen und sie waren beide bereit, Dûr zu vertrauen."

„Thranduil!" Morwen erkannte Elronds Stimme. „Morwen ist mein Gast, also ist auch ihre Begleiterin in Imladris willkommen."

„Morwen? Ich kenne diesen Namen." Misstrauisch kniff Thranduil die Augen zusammen. „Und ich habe viel über die Frau gehört, die ihn trägt."

„Das meiste ist vermutlich wahr", sagte Morwen leise. Unnd ich kenne seinen Namen. Wenn ich nur noch wüsste, woher. Alles an ihm ist mir so seltsam vertraut.

„Lasst mich mit ihr allein." Elrond klang sehr bestimmt. „Ich möchte mit ihr sprechen."

Thranduil nickte knapp. „Wenn Ihr es wünscht." Mit einem letzten misstrauischen Blick auf Morwen und Dûr drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen.

„Du bist also zurückgekehrt", stellte Elrond fest.

Morwen nickte leicht. „Es tut mir leid, dass ich einfach gegangen bin", sagte sie leise.

„Ich konnte dich gut verstehen." Erlronds Stimme klang sanft. „Du warst verwirrt, von den Widersprüchen zwischen dem, was den Vater dich lehrte, und unserem Verhalten verunsichert. Aber nun hat sich etwas verändert, nicht wahr?"

„Ich habe etwas getan, das es mir unmöglich macht, nach Hause zurückzukehren", erklärte Morwen, „ich bereue es nicht, denn es war die richtige Entscheidung. Ich wollte..." Ihre Stimme stockte kurz. „Ich wollte Euch bitten, dass ich einige Zeit hierbleiben darf."

„Du bist hier jederzeit willkommen." Aus Elronds Augen sprach unendliche Güte. „Und ich bitte dich, Thranduil zu verzeihen. Er ist ein großer König, doch ebenso ein besorgter Vater. Als er hierherkam und Aragorn traf, fragte er ihn, wo sein Sohn sei." Traurigkeit spiegelte sich in Elronds Blick. „Dass Legolas seinen Vater nicht erreicht hat, bereitet jedem von uns große Sorgen."

Natürlich. Plötzlich erinnerte Morwen sich. Thranduil ist Legolas' Vater.

„Es geht ihm gut." Morwen sah die Verwunderung in Elronds Blick.

„Wie kannst du dir so sicher sein?"

Einen kleinen Moment lang huschte ein Anflug von Traurigkeit über Morwens Gesicht. „Weil er der Grund ist, weshalb ich nicht heimkehren kann."

Morwen, Tochter SauronsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt