Kapitel 48

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„Würde mich jemand nach meiner Meinung fragen, was natürlich keiner tut", grummelte Gimli, „dann würde ich vorschlagen, dass wir einen Umweg machen. Gandalf, wir könnten durch die Minen von Moria gehen."

„Nein, Gimli." Gandalf schüttelte langsam den Kopf. „Den Weg durch Moria würde ich nur nehmen, wenn ich keine andere Wahl hätte."

„Ich auch", murmelte Morwen, „wer möchte schon unter so viel Gestein begraben sein?"

„Pah", grollte Gimli verächtlich, „ihr versteht das nicht. Mein Vetter Balin würde uns einen königlichen Empfang bereiten."

Morwen bemerkte, dass ein kurzer Anflug von Sorge über Gandalfs Gesicht huschte. Woran mag er wohl denken? Natürlich geht niemand, der bei klarem Verstand ist, freiwillig so tief unter der Erde, aber da ist noch etwas anderes. Etwas, von dem nur Gandalf eine Ahnung zu haben scheint.

„Was ist das denn?", unterbrach Sams Stimme ihre Gedanken. Sein Blick war auf den Himmel gerichtet.

„Gar nichts." Gimli klang noch immer verstimmt. „Wohl nur ein Wolkenfetzen."

„Der sich aber schnell bewegt." Boromir, der gerade noch mit den Hobbits das Kämpfen trainiert hatte, blickte verwundert auf. „Und gegen den Wind."

„Das sind Vögel", erkannte Morwen, „die direkt auf uns zu fliegen."

„Crebain aus Dunland", rief Legolas alarmiert.

„In Deckung!" Aragorn begann eilig, die Hobbits unter die umstehenden Büsche zu scheuchen.

Schnell wurde das Feuer gelöscht, alle Zeichen ihrer Anwesenheit versteckt. Kaum waren sie alle in Deckung gegangen, flog ein riesiger Schwarm der schwarzen Vögel über ihre Köpfe hinweg. So tief, dass Morwen Sorgen hatte, ob ihre Verstecke genügen würden, denn die Büsche waren hier alles andere als dicht gewachsen.

Einen Moment lang war die Luft erfüllt vom heiseren Krächzen und Flügelschlagen der Crebain, dann war es vorüber. Die Stille kehrte zurück, doch das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb.

„Das sind Späher Sarumans." Gandalf blickte dem Schwarm mit zusammengekniffen Augen nach. „Sie kundschaften den Weg im Süden aus. Wir müssen über den Pass des Caradhras gehen."

Morwen folgte dem Blick des Zauberers hinauf zu einem vollständig in Nebel gehüllten Berggipfel. „Ist es klug, sich ins Nebelgebirge zu begeben? Das ist ein gefährlicher Ort." Sie wunderte sich selbst, dass sie so besorgt klang, doch etwas in ihr sträubte sich, diese Berge zu betreten.

„Wir haben keine Wahl", murmelte Gandalf mit einem vorsichtigen Seitenblick auf Gimli, „jeder Weg ist nur gefährlicher als der andere."

Morwen tauschte einen kurzen Blick mit Legolas. Sofort war ihr klar, dass sie beide denselben Gedanken haben mussten. Die Berge dort oben sind tief verschneit. Uns beiden macht das nichts aus, aber alle anderen werden viel Kraft verbrauchen auf diesem Weg. Kraft, die ihnen später fehlen wird. Und noch dazu ist der Caradhras ein bösartiger Ort. Aber es ist entschieden.

Gemeinsam mit Legolas setzte sich ans Ende des Zuges. Wachsam hielten die beiden Elben die Augen offen, falls die Crebain zurückkehren sollten, doch die Luft blieb unbewegt.

Der Abend dämmerte bereits, als sie den Fuß des Nebelgebirges erreichten.

„Wir können noch ein Stück des Weges schaffen, bevor es dunkel ist", murrte Boromir, als Gandalf stehenblieb.

„Keine gute Idee. Das Nebelgebirge war schon immer ein beliebter Rückzugsort für Orks", widersprach Morwen, „anders als du scheint Gandalf das zu wissen. Es ist keine gute Idee, nachts hier herumzuwandern."

Boromir schnaubte leise und wandte sich ab.

„Du hast völlig recht, Morwen." Unbemerkt war Aragorn an ihrer Seite aufgetaucht. „Und die Hobbits können jede Ruhepause gebrauchen, die sie bekommen können. Es wird kein leichter Aufstieg morgen."

„Nicht nur für die Hobbits. Es wird uns alle viel Kraft kosten, selbst für Legolas und mich wird es anstrengend werden." Morwen seufzte. „Leg dich schlafen, Aragorn. Ich werde Wache halten."

„Weck mich nach der Hälfte der Nacht." Auch Legolas war hinzugetreten. „Dann übernehme ich die restliche Zeit. Auch du musst dich ausruhen, Morwen."

Die nickte langsam. „In Ordnung. Möge die Nacht ruhig bleiben."


Morwen, Tochter SauronsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt