Morwen unterdrückte ein Seufzen. „Wir sind Reisende", erklärte sie und Tauriel nickte bestätigend.
„Und wohin soll euch eure Reise führen?" Der einzige blonde Elb unter den Reitern blickte sie fragend an.
Es war Tauriel, die antwortete. „Gen Westen, mein Herr."
„Mir scheint, ich bin Euch bereits begegnet." Der Elb stieg ab und trat näher an Tauriel heran. „Habt Ihr Imladris schon einmal betreten?", wollte er wissen.
Tauriel nickte. „Es ist lange her", antwortete sie leise, „damals war noch vieles anders."
Der blonde Elb überlegte einen Moment lang. „Ihr reistet mit König Thranduil, nicht wahr? Wie ist Euer Name?"
„Ich heiße Tauriel", antwortete die Elbin, „und Eure Erinnerung täuscht Euch nicht, ich besuchte diesen Ort mit Thranduil und seinem Sohn. Jedoch erinnere ich mich nicht mehr an Euren Namen."
„Mein Name ist Glorfindel."
Ich kennen diesen Namen, schoss es Morwen plötzlich durch den Kopf, wenn ich nur wüsste, was Vater mir über ihn erzählt hat.
„Und wer ist Eure Begleiterin?" Glorfindel sah zu Morwen, die sicherheitshalber zu Boden blickte.
„Das ist...", setzte Tauriel an, doch Morwen unterbrach ihre Freundin rasch.
„Ihr könnt mich Eledhwen („Elbenmaid") nennen", murmelte sie.
Glorfindels Miene verdüsterte sich ein wenig. „Ich sehe, dass Ihr eine Elbin seid." Er musterte sie kritisch. „Ihr wollt Euren Namen also für Euch behalten", stellte er fest.
„Glorfindel, wir werden erwartet." Ein anderer Elb lenkte sein Pferd neben Glorfindel. Dieser nickte. „Es wird am besten sein, wenn ihr uns begleitet."
Morwen kniff die Augen zusammen. Ist das eine Bitte oder ein Befehl?
Tauriel schien Morwens Reaktion auf dieses Angebot nicht zu bemerken. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich danke Euch, Glorfindel. Es wird mir eine Ehre sein, ein weiteres Mal das Tal von Imladris zu besuchen."
Der blonde Elb blickte sie wohlwollend an. „Ihr könnt mit mir reiten, Tauriel", bot er an, „Asfaloth kann uns beide tragen."
Dann blickte er zu seinen Begleitern. „Ihr könnt Euch Cemendur anschließen, Eledhwen."
Morwen nickte zögerlich. Ein schwarzhaariger Elb auf einem Rappen kam zu ihr und reichte ihr seine Hand, um ihr beim Aufsteigen zu helfen. „Ich danke Euch", murmelte Morwen.
Auch Tauriel saß bereits hinter Glorfindel und der blonde Elb gab das Zeichen zum Aufbruch.
Die Schönheit der Wälder rund um Imladris zog an Morwen vorüber, ohne dass sie ihr Beachtung schenkte. Zu sehr war sie in Gedanken versunken und grübelte darüber nach, wie sie eine Begegnung mit Elrond würde vermeiden können. Denn der Halbelb würde sie auf den ersten Blick erkennen, daran zweifelte Morwen nicht.
„Gut, dass Ihr zurückkehrt, Glorfindel", hörte Morwen plötzlich eine Stimme.
„Lindir", grüßte Glorfindel, „ist etwas geschehen?"
Lindir nickte. „Im Süden wurden Orks gesehen. Herr Elrond und seine Söhne brachen gleich auf, als sie davon hörten, er bittet Euch, ihm so schnell wie möglich zu folgen."
„Kümmert Euch um Tauriel und Eledhwen", wies Glorfindel Lindir an, während die Elbinnen abstiegen, „sie sind heute unsere Gäste."
Lindir nickte und lächelte die Frauen freundlich an. „Willkommen in Imladris."
Zum ersten Mal sah Morwen sich um. Nie zuvor hatte sie einen Ort erblickt, der so hell war und - ihr wollte keine andere Beschreibung einfallen - der so friedlich wirkte.
„Eledhwen?", unterbrach Lindirs Stimme ihre Gedanken, „wenn Ihr mir bitte folgen würdet?"
Morwen und Tauriel folgten nur Lindir über eine schmale Brücke, hinter der sich die Pracht von Imladris erstreckte. Tauriels Augen leuchteten, wie Morwen es nie zuvor gesehen hatte und auch Morwen war gegen ihren Willen beeindruckt. Denk daran, dass du hier nicht willkommen bist, mahnte sie sich, wir müssen aufbrechen, sobald wir nur können.
Lindir führte die Elbinnen nun in eines der vielen Gebäude. Durch scheinbar endlose Gänge folgten Morwen und Tauriel dem Elben, bis er schließlich eine hohe Tür aus hellem Holz aufstieß. „Hier könnt ihr bleiben", erklärte er, „wenn ihr hungrig seid, geht einfach diesen Gang entlang, bis ihr zur Küche kommt. Und wenn ihr etwas benötigt, dann fragt nach mir."
„Ich danke Euch", sagte Tauriel und Morwen nickte kurz. Dann betraten sie das Zimmer und Morwen schloss die Tür hinter sich.
Der Raum war heller, als Morwen es für möglich gehalten hatte. In einer Ecke stand eine kleine Kommode, auf der sich auch eine Waschschüssel befand, daneben sah sie einen hohen Schrank. An der gegenüberliegenden Wand standen zwei Betten, deren Decken und Kissen in einem zarten Blauton gehalten waren.
Ein wenig erschöpft ließ Morwen sich auf das Bett sinken, das ein Stück weiter vom Fenster entfernt war.
„Morwen?", fragte Tauriel sanft, „warum hast du Glorfindel nicht deinen Namen genannt?"
„Es ist nicht nötig, dass jeder meinen Namen kennt", antwortete Morwen knapp und Tauriel fragte nicht weiter nach. Stattdessen blickte die rothaarige Elbin gedankenverloren aus dem Fenster. „In Imladris ist es nie wirklich dunkel", murmelte sie so leise, dass Morwen sie kaum verstehen konnte, „es ist ein Ort, an dem man zu jeder Zeit geborgen ist."
Morwen seufzte leise. Ich wünschte, es gäbe auch einen Ort, an dem ich geborgen bin.
Langsam streckte sie sich auf dem weichen Bett aus und in Sekundenschnelle wurde sie von der Müdigkeit, die sie schon seit Tagen verspürte, übermannt.

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Morwen, Tochter Saurons
FanfictionNachdem ihr Vater Sauron durch Galadriels Macht aus seinem kurzzeitigen Zuhause Dol Guldur vertrieben wurde, ist Morwen allein. Sie muss lernen, sich in einer fremden Welt zurechtzufinden und nach Möglichkeit geheimzuhalten, wer sie wirklich ist. Ab...