Kapitel 16

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In den nächsten Tagen ließen Morwen und Dûr sich sehr viel Zeit mit ihrem Weg. Ein genaues Ziel hatten sie sowieso nicht, also nutzten die beiden die Reise, um möglichst viel von Mittelerde zu sehen. Einmal konnte Morwen ein Stück östlich von sich sanfte Hügel erkennen, die von ungewöhnlich grünem Gras bedeckt wurden.

Neugierig bat sie Dûr, auf sie zu warten und ging in diese Richtung. Vorsichtig spähte Morwen zwischen einigen Bäumen hindurch und konnte kleine Leute erkennen, die recht fröhlich zu sein schienen. Von diesem Anblick ermutigt trat die Elbin aus dem Schatten der Bäume hinaus.

Sofort richteten sich alle Blicke auf sie. „Was verschlägt eine Elbenfrau ins Auenland?", wollte eine Frau mit braunen Locken wissen.

„Ich bin auf der Durchreise nach Norden", erwiderte Morwen und deutete in die Richtung, in die sie ungefähr unterwegs war. Das Auenland also. Dann müssen das die Hobbits sein. Es ist schon so lange her, dass ada mir von ihnen erzählt hat, ich dachte nicht, dass ich sie eines Tages sehen würde.

„Bitte entschuldigt die Störung", sagte sie dann, „ich war nur neugierig, wie es hier aussieht."

„Ihr müsst euch doch nicht entschuldigen", wehrte ein anderer Hobbit ab, „wenn wir Euch auf irgendeine Weise weiterhelfen können, so würden wir das gerne tun."

Morwen schüttelte den Kopf. „Das ist sehr freundlich von euch, doch es ist nicht nötig. Ein Blick auf dieses Land genügt mir schon. Lebt wohl."

Ohne auf eine Antwort der Hobbits zu warten verschwand sie wieder im Gebüsch. Dort lehnte sie sich erst einmal gegen einen Baumstamm.

Ada wäre nicht gerade begeistert, wenn er wüsste, wie freundlich ich mit ihnen gesprochen habe, überlegte Morwen, er hatte nichts als Verachtung für dieses Volk übrig. Aber sie scheinen doch so freundlich und hilfsbereit zu sein. Sie seufzte leise, während sie sich auf die Suche nach Dûr machte. Manchmal verstehe ich nicht, weshalb ada alle Völker Mittelerdes mit so viel Hass betrachtet hat. Bisher waren alle freundlich zu mir, sogar Elrond, und das, obwohl er wusste, wer ich bin.

„Wer seid Ihr denn?", wurde Morwen aus ihren Überlegungen gerissen. Ein blonder Elb lehnte hinter ihr an einem Baum, den Bogen schussbereit in der Hand.

„Wer will das wissen?", fragte Morwen misstrauisch. Es behagte ihr nicht, dass sie den anderen nicht bemerkt hatte.

„Mein Name ist Legolas", antwortete der Elb, „wärt Ihr nun so freundlich, mir den Euren ebenfalls zu verraten?"

„Ich heiße Morwen." Aus irgendeinem Grund war Morwen es leid, ständig einen falschen Namen zu verwenden, wenn sie anderen Elben begegnete.

„Und was führt Euch so weit in den Westen dieses Landes?" Legolas' Augen verengten sich ein wenig.

„Ich war mit einer guten Freundin unterwegs", erwiderte Morwen leise und verspürte sofort einen Stich im Herzen, so wie jedes Mal, wenn sie an Tauriel dachte.

„Und wo ist diese Freundin jetzt?"

Nun hatte Morwen allmählich genug von den Fragen. „Warum sollte ich Euch das sagen?"

Erstaunen trat in die blauen Augen ihres Gegenübers. „Ihr müsst es mir nicht sagen, wenn Ihr nicht wollt", sagte er besänftigend, „mich interessierte nur, warum Ihr allein unterwegs seid. Das kann ziemlich gefährlich werden, wenn ihr nicht Euch nicht gerade an den Grenzen des Auenlandes befindet. Es streifen viele Orks durch diese Lande."

Vor Orks muss ich nun wirklich keine Angst haben. Morwen verkniff sich ein amüsiertes Lächeln. „Ich bin nicht völlig allein", erklärte sie dann, „ich befinde mich in Begleitung einer sehr alten Freundin."

Legolas blickte sich suchend um. „Und wo ist diese Freundin?"

Er scheint ziemlich gerne Fragen zu stellen. „Ich kann sie rufen, aber erst müsst Ihr diesen Bogen weglegen", verlangte Morwen, „und Ihr müsst versprechen, ihr nicht wehzutun."

Legolas runzelte die Stirn. „Diese Forderungen ergeben für mich keinen Sinn. Aber wenn Ihr mir versichert, dass Eure Freundin keine Gefahr für mich ist, bin ich gewillt, Euren Forderungen nachzukommen."

So wie er spricht, ist er sicher von Adel, überlegte Morwen, ob er auch normal sprechen kann?

„Aber vergesst es nicht, wenn Ihr sie seht", mahnte sie noch, dann stieß sie einen leisen Pfiff aus. Diesen würde die Wargin ohne jeden Zweifel hören.

Tatsächlich dauerte es nur wenige Augenblicke, bis man ein Rascheln im Unterholz vernehmen konnte. Direkt neben Morwen trat Dûr zwischen den Bäumen hervor und die Tochter Saurons legte ihrer Freundin sanft eine Hand auf die Schultern.

Mit einem belustigten Lächeln auf den Lippen bemerkte Morwen, wie Legolas ein Stück zurückwich. Aber er greift nicht zu seinen Waffen. Mut scheint er ja zu haben.

„Erlaubt mir, dass ich Euch Dûr vorstelle. Sie ist mir schon seit vielen Jahren eine treue Begleiterin und Freundin", erklärte sie dem Elben.

Legolas' Augen wurden mit jedem Wort weiter. „Aber das ist eine Wargin."

„Das weiß ich", stellte Morwen klar.

„Wie kommt eine Elbin dazu, sich eine Wargin als Begleiterin auszusuchen?" Morwen lächelte über die offenbar vollkommene Verwirrung des Elben.

„Ich bekam sie einst geschenkt", erklärte sie, „und ich könnte mir keine bessere Begleitung auf Reisen vorstellen."

„Wenn Ihr das sagt." Legolas blieb skeptisch.

„Wenn Ihr wollt, könnt Ihr sie streicheln", bot Morwen an, „sie wird Euch nicht beißen, das verspreche ich."

„Meint Ihr das wirklich ernst?", fragte Legolas misstrauisch und Morwen nickte.

„Sie ist wirklich lieb."

Bereit, jeden Moment einem Angriff auszuweichen, ging Legolas langsam auf Dûr zu. Diese zeigte sich vollkommen unbeeindruckt und warf Morwen einen fragenden Blick zu. Die Elbin lächelte nur. „Und er tut dir bestimmt auch nichts, Dûr."

Vorsichtig legte Legolas eine Hand auf das schwarze Fell der Wargin. Als sie sich nicht rührte, wurde er mutiger und strich ihr sanft über den Hals. „Ihr Fell ist so weich", murmelte er verwundert.

Ein Schatten legte sich über Morwens Gesicht. „Genau das hat Tauriel auch gesagt."

Morwen, Tochter SauronsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt