Morwen seufzte leise. Gerade erst war sie in ihrer Heimat angekommen und nun hatte sie sie schon wieder verlassen müssen. Sie erlaubte sich einen kurzen, sehnsüchtigen Blick zurück zu den dunklen Bergen, von denen sie sich auf Dûrs Rücken immer weiter entfernte. Als würde die Wargin ihre Gedanken spüren, lief sie ein wenig schneller. Ich werde bald wieder hier sein, das weiß ich. Aber ich verstehe nicht, warum ich nicht zuerst Minas Tirith und Edoras besuchen soll. Sie liegen doch auf dem Weg in den Eryn Galen. Der Weg wird nicht länger dauern, wenn ich die Reihenfolge ein wenig ändere. Morwen erlaubte sich einen Seufzer. Aber damit zögere ich die Begegnung mit Legolas nur hinaus. Warum nur muss es der Eryn Galen sein? Da würde ich sogar noch lieber nach Imladris reisen, Elrond hat mich bisher noch nicht angegriffen. Aber es ist ein Befehl, den ich nicht infrage stellen kann. Hätte ich mich nur von diesem Feuer bei den Waldläufern ferngehalten. Überhaupt hätte ich niemals mit Legolas reisen sollen. Ich wusste doch, wie das enden würde.
Um ihre Gedanken ein wenig zu verdrängen, konzentrierte sich Morwen darauf, ihre Umgebung genau zu beachten. Ohne Zwischenfälle sollte sie Minas Tirith bis zum nächsten Morgen erreicht haben, und nach Edoras sollte sie kaum länger als zwei Tage brauchen, wenn sie die Nächte ebenfalls auf Dûrs Rücken verbrachte. Es ist eigentlich seltsam, wie schnell ich mich daran gewöhnt habe, am Tag zu reisen.
Morwen bemerkte, dass doch schon mehr Orkpatroullien das Land durchstreiften als sie erwartet hatte. Dann ist es kein Wunder, wenn Elben und Menschen aufmerksam werden. Ada sollte das besser wissen. Nur selten kreuzten die Orks tatsächlich ihren Weg, und diejenigen, die es taten, begegneten Morwen zwar mit Respekt, würdigten sie aber dennoch meist kaum eines zweiten Blickes. Welche Aufträge sie wohl erhalten haben? Morwen spürte Neugier in sich aufsteigen. Ich sollte nicht irgendwelche Aufträge ausführen, ich sollte diejenige sein, die sie in adas Namen koordiniert.
Die Nacht verlief ruhig, und als Morwen noch vor dem Morgengrauen Minas Tirith in der Ferne erkennen konnte, erlaubte sie sich eine kurze Ruhepause. „Ich werde dich hier wieder erwarten", flüsterte sie Dûr ins Ohr, „pass auf, dass dich niemand entdeckt. Heute Abend werde ich wieder hier sein." Das hoffe ich zumindest. Ich habe keine Lust, lange in dieser Stadt zu verweilen.
Nach einer kurzen Pause ging Morwen langsam in Richtung Minas Tirith los. Allmählich stieg die Sonne über den Horizont und als Morwen die Tore der Stadt erreichte, schienen diese schon einige Zeit lang geöffnet zu sein. Gut. Wenn man nicht auffallen will, sollte man nicht die erste Person sein, die morgens die Stadt betritt.
Vor dem Tor standen vier Wächter, die höflich den Kopf neigten, als sie in Morwen eine Elbin erkannten, und sie ohne Nachfragen passieren ließen. Das war ja einfach. Morwen unterdrückte ein erleichtertes Lächeln und betrat die Stadt.
Dort machte sie sich zuerst auf die Suche nach einem größeren Platz, denn sie vermutete, dass sie dort am ehesten die Dinge erfahren würde, die sie wissen wollte.
Immer wieder schnappte sie Gesprächsfetzen auf. „Es heißt sogar, Sauron sei zurückgekehrt..." „So ein Unsinn." „Warum stehen eigentlich neuerdings vier Wächter vor dem Tor? Glauben die denn, dass Sauron mit seinem Heer dort Einlass erbitten wird?" „Warum machen sich nur alle Sorgen?"
Zumindest scheint es die Menschen hier zu beschäftigen, überlegte Morwen, als sie sich plötzlich von einer Gruppe junger Männer umringt sah.
„Wisst Ihr mehr über Saurons Rückkehr, Herrin?" „Werden die Elben uns helfen?" „Besteht Gefahr für Gondor?" Morwen wurde ununterbrochen mit Fragen bombardiert. Wenn ihr wüsstet...
„Ich glaube nicht, dass im Moment Gefahr besteht", antwortete sie vorsichtig, „es heißt, Sauron sei noch sehr schwach." Was er ja leider auch ist. Wenn doch nur der Eine Ring nicht verschwunden wäre. „Doch es sind sich nicht einmal alle einig, ob er wirklich zurückgekehrt ist. Ihr müsst euch wirklich keine Sorgen machen."
„Wir danken Euch, Herrin. Das sind beruhigende Nachrichten." Die jungen Männer verschwanden wieder im Gedränge.
Damit ist meine Aufgabe hier wohl erfüllt. Wäre ein Angriff auf Mordor geplant, würden alle davon sprechen. Stattdessen sind sie sich nicht einmal sicher, ob ada wirklich zurückgekehrt ist.
Zufrieden machte sich Morwen wieder auf den Rückweg. Dann werde ich mal nachsehen, wie es um die Stimmung in Edoras steht.
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Morwen, Tochter Saurons
FanfictionNachdem ihr Vater Sauron durch Galadriels Macht aus seinem kurzzeitigen Zuhause Dol Guldur vertrieben wurde, ist Morwen allein. Sie muss lernen, sich in einer fremden Welt zurechtzufinden und nach Möglichkeit geheimzuhalten, wer sie wirklich ist. Ab...