Kapitel 24

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Ohne es wirklich zu bemerken wandte Morwen sich auch noch einige Tage immer wieder nach Westen um. In Gedanken sah sie noch immer das schimmernde Meer vor sich, hinter dem Valinor auf alle Elben wartete.

Aber wartet es auch auf mich? Könnte Tauriel recht haben?

Ein leises Knurren riss Morwen aus ihren Gedanken. Dûr war stehen geblieben und Morwen spürte ihre Wachsamkeit.

„Was ist los?", flüsterte sie leise und musterte aufmerksam ihre Umgebung, während sie fast lautlos ihr Schwert zog.

Ein Rascheln im Gebüsch rechts von ihr erklang.

„Wer ist da?", verlangte Morwen mit fester Stimme zu erfahren.

„Das ist unmöglich." Erstaunen klang in der rauen Stimme des Orks mit, der langsam aus dem Gebüsch trat. „Jeder hält Euch für tot, Herrin."

„Nun, das bin ich aber nicht." Morwen kniff die Augen zusammen. „Warum bist du allein unterwegs?"

„Wir waren fünf, einer von vielen Spähtrupps, die Euer Vater aussandte, um den Westen Mittelerdes zu beobachten." Der Ork ließ den Kopf hängen und Morwen meinte, Schuldbewusstsein in seinen Augen erkennen zu können. „Wir wurden angegriffen", gab er dann leiser zu, „und ich überlebte nur, weil ich floh. Ich hätte kämpfen sollen, doch ich war verletzt und hatte Angst. Man wird mich für meine Feigheit sicherlich bestrafen."

„Bist du noch immer verletzt?" Morwens Stimme klang etwas sanfter.

„Die Wunde ist schon beinahe verheilt. Seit drei Tagen halte ich mich schon hier verborgen."

„Wer war es, der euch angegriffen hat?"

„Es waren drei, ein Elb und zwei Menschen. Wir waren in der Überzahl und doch chancenlos."

Legolas? Und Aragorn und Turgil? Dann müssen sie noch in der Nähe sein. Ich dachte, Legolas wollte Aragorn auf direktem Wege nach Imladris führen. Oder verfolgen sie mich noch immer?

„Niemand wird dich bestrafen." Morwen sah dem Ork fest in die Augen. „Ich gebe dir mein Wort. Durch deine Flucht habe ich Informationen von möglicherweise großem Wert erhalten. Ich danke dir. Reise nach Mordor und berichte meinem Vater, dass ich lebe und bald zu ihm kommen werde."

„Ich weiß nicht, wie ich Euch jemals danken soll, Herrin." Der Ork verbeugte sich tief und zog sich langsam wieder ins Gebüsch zurück.

„Dûr", flüsterte Morwen ihrer Freundin ins Ohr, als sie sich sicher war, dass der Ork außer Hörweite war, „wir sollten einen Umweg machen. Wir werden ein Stück nach Norden reisen und an der Grenze der Eryn Imladris entlangreiten. Ich möchte wissen, ob Legolas, Aragorn und Turgil schon dort sind."

Dûr knurrte, wie Morwen genau bemerkte, sehr verärgert.

„Ich weiß auch, dass das gefährlich ist", beruhigte Morwen sie, „aber es könnte wichtig sein. Und Elrond schien..." Ihr fiel kein passendes Wort ein, um das Verhalten des Halbelben zu beschreiben. „Er schien keine Gefahr in mir zu sehen", vollendete sie den Satz, „aus irgendeinem Grund glaube ich, dass wir unbesorgt sein können, was ihn betrifft."

Dûr knurrte erneut, setzte sich jedoch langsam in Bewegung und Morwen bemerkte erfreut, dass sie sich nach Norden wandte.

Und was ist, wenn ich Legolas und den beiden Dúnedain begegne? Wie es scheint, sehen sie sehr wohl eine Gefahr in mir, zumindest tut Legolas das. Dabei dachte ich, in ihm vielleicht einen Freund finden zu können, jemanden, der mir mehr über Tauriel erzählen könnte. Aber das wird wohl niemals wahr werden. Warum nur mussten die Waldläufer ein Feuer anzünden? Ich reiste gern mit Legolas, obwohl er mein Feind sein sollte.

Morwen seufzte leise. Und es war schön, mit jemandem reden zu können. Aber bald werde ich wieder bei ada sein, dann wird sich alles zum Guten wenden.

„Wird es das?", fragte die leise, zweifelnde Stimme in ihrem Kopf, „willst du wirklich ein Leben, das von Krieg und Feindseligkeit bestimmt wird? Feindseligkeit von deinem eigenen Volk?"

Die Elben werden nie mein Volk sein? Was sind das für Zweifel, die sich in meine Gedanken schleichen? Was ist das für eine Stimme, die zu mir spricht?

Doch Morwen erhielt keine Antwort. Ich bin sicher nur müde, überlegte sie, in den letzten Tagen habe ich schließlich kaum geschlafen.

Die Sonne ging allmählich unter und obwohl Morwen die Nacht so sehr liebte, entschloss sie sich, einen Platz zum Schlafen zu suchen. Auch Dûr muss sich ausruhen. Für sie ist diese Reise noch weitaus anstrengender als für mich.

Es dauerte noch einige Zeit, bis Morwen eine geeignete Stelle im Schutz einiger Bäume gefunden hatte. „Sei vorsichtig, Dûr", murmelte sie noch, während sie sich langsam ins weiche Moos gleiten ließ, „du weißt nicht, wer in der Nähe ist. Niemand darf erfahren, dass wir hier sind."

Das leise bestätigende Knurren ihrer Freundin hörte Morwen allerdings bereits nicht mehr, denn längst waren ihr die Augen zugefallen.

Morwen, Tochter SauronsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt