Kapitel 25

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„Dûr? Wo bist du?" Gern hätte Morwen lauter nach ihrer Freundin gerufen, doch mittlerweile befand sie sich so nah an der Grenze von Elronds Reich, dass sie fürchtete, jemanden auf sich aufmerksam zu machen.

Morwen seufzte leise. Wo steckt sie nur? Ich hoffe nur, dass sie keinem Elben über den Weg läuft.

Während sie sich suchend umsah, vernahm sie plötzlich leise das Geräusch von Pferdehufen. Deswegen ist sie also verschwunden. Morwen überlegte, ob sie sich ebenfalls verstecken sollte, entschied sich jedoch dagegen. Es ist nur ein einziger Reiter, wenn es sein muss, kann ich mich gut verteidigen.

Nach einiger Zeit konnte sie zwischen den Bäumen ein weißes Pferd erkennen, das einen blonden Reiter trug. Legolas?, schoss es Morwen sofort durch den Kopf, doch der Elb – so erkannte sie schnell – musste viel älter sein als der Elbenprinz.

Ich kenne ihn doch, überlegte Morwen, als ich mit Tauriel hier war, bin ich doch auch einem blonden Elb begegnet. Wie war doch gleich sein Name?

Als der Reiter sie beinahe erreicht hatte, fiel es Morwen wieder ein.

„Ich grüße Euch, Glorfindel."

Der Elb brachte sein Pferd zum Stehen und blickte sie neugierig an. „Ich hätte nicht erwartet, Euch so bald wiederzusehen. Ihr wart so plötzlich verschwunden, Eledhwen."

Morwen spürte, wie sehr er den Namen, den sie ihm bei ihrer ersten Begegnung genannt hatte, betonte. Ob Elrond ihm wohl gesagt hat, wie ich wirklich heiße und wer ich bin?

Glorfindels Blick ruhte auf Morwen und ihr schien, als würde er auf etwas warten.

„Mein Name ist Morwen", murmelte sie dann leise und sah zu Boden.

Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, dass der Elb nickte. „Es ist schön, dass Ihr Euch doch noch entschlossen habt, mir Euren wahren Namen zu nennen."
Morwen blickte wieder auf und sah ein wohlwollendes Lächeln auf Glorfindels Gesicht.

„Wollt Ihr mich nicht nach Imladris begleiten? Herr Elrond würde sich gewiss freuen, Euch wiederzusehen."

Warum nur scheint Elrond mich so sehr zu mögen? Morwen hatte Mühe, ihre Verwirrung zu verbergen.

Glorfindel sah sie erwartungsvoll an, doch Morwen schüttelte den Kopf. „Eines Tages vielleicht, doch momentan bin ich auf dem Weg zu einem anderen Ort."

„Ihr vermisst Tauriel noch immer, nicht wahr?" Die Frage traf Morwen vollkommen unerwartet.

„Woher wisst Ihr davon?", fragte sie leise.

„Der Prinz des Düsterwaldes erzählte es uns. Er ist seit kurzem in unserem Tal zu Gast."

Also ist Legolas schon angekommen. Seltsamerweise verspürte Morwen eine gewisse Erleichterung darüber, dass Legolas sich in der Sicherheit von Imladris aufhielt.

„Vermisst er sie denn sehr?" Die Frage entschlüpfte Morwen, ehe sie es verhindern konnte.

Erstaunen spiegelte sich in Glorfindels Augen wieder. Dennoch war seine Stimme ruhig, als er Morwen antwortete. „Mehr, als er zugeben würde. Doch mir scheint, dass ihn noch etwas anderes bewegt."

Dafür dürfte dann wohl ich verantwortlich sein. Morwen unterdrückte einen Seufzer.

„Er möchte in den nächsten Tagen in seine Heimat aufbrechen", erzählte Glorfindel weiter, „er spricht die ganze Zeit von einer großen Gefahr, vor der er seinen Vater warnen muss."

Morwen nickte langsam, darauf bedacht, Glorfindels Blick zu meiden, damit er die Traurigkeit darin nicht erkennen konnte. Also bin ich in seinen Augen nichts als eine große Gefahr?

„Ich sollte nun weiterreiten. Man erwartet mich in Imladris." Glorfindel schenkte Morwen ein freundliches Lächeln. „Ich bin mir sicher, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden."

Als Freunde oder als Feinde? Morwen schob diesen Gedanken energisch fort. „Sicherlich. Namarië, Glorfindel."

„Namarië, Morwen. Mögen die Valar über Euch wachen."

Werden sie das? „Und über Euch."

Mit einem letzten, freundlichen Lächeln trieb Glorfindel sein Pferd an.

Morwen blickte ihm noch eine Zeit lang nach, dann seufzte sie leise. Jetzt weiß ich, dass Legolas und wahrscheinlich auch die Dúnedain sicher in Imladris angekommen sind. Also kann ich mich auf den Weg in adas Festung machen.

„Und zu der Gefahr werden, die Legolas in dir sieht?", fragte die leise Stimme in ihrem Kopf.

„Sei still", murmelte Morwen und pfiff leise nach Dûr.

Tatsächlich kam die Wargin kurz später durch die Bäume auf sie zu.

Sanft streichelte Morwen über das weiche Fell ihrer Freundin, dann stieg sie auf.

„Ich habe erfahren, was ich wissen wollte", flüsterte sie der Wargin ins Ohr, „jetzt können wir nach Mordor reisen."

Morwen, Tochter SauronsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt