In Morwen mischten sich Aufregung und Sorge, als der Morgen des Aufbruchs schließlich anbrach.
In dieser Nacht war es ihr immerhin gelungen, besser zu schlafen als in der Zeit zuvor. Ob der Einfluss des Rings auf mich schwindet? Oder habe ich einfach nur gelernt, ihn aus meinen Gedanken zu verbannen?
Leise, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ging sie durch Imladris, das allmählich immer heller wurde, je höher die Morgensonne stieg. Es zog Morwen zu den Wasserfällen, doch sie befürchtete, dort zu lange zu verweilen und ihre Gefährten zu verärgern.
Also schlug sie einen anderen Weg ein, der in ein kleines Wäldchen führte. Gerade wollte sie sich im weichen Moos niederlassen, als sie gedämpfte Stimmen hörte. Sie kamen ihr bekannt vor, daher schlich sie sich lautlos in die Richtung, aus den sie kamen.
Nur wenige Meter weiter erkannte sie, wem die Stimmen gehörten: Es waren Elladan und Legolas, die offenbar genauso früh auf den Beinen waren wie sie selbst.
Noch ein wenig näher konnte sie die beiden schließlich zwischen einigen Büschen erahnen und die leisen Worte verstehen.
„... ob es richtig war, sie dazu zu drängen", hörte sie Elladan mit einem besorgten Unterton sagen.
„Ich glaube nicht, dass irgendjemand in der Lage wäre, sie zu irgendetwas zu überreden. Eher fällt in Mordor Schnee", entgegnete Legolas trocken.
Es geht hier um mich. Aber warum treffen sich Elladan und Legolas heimlich, um über mich zu reden?
„Ich habe Angst um sie." Nun war Elladans Stimme so leise, dass Morwen sich konzentrieren musste, um ihn zu verstehen.
„Wegen des Rings?"
„Nein." Morwen glaubte, ein Lächeln in Elladans Stimme zu hören. „Morwen ist stärker, als wir alle vermuten. Sie mag auf gewisse Weise mit dem Ring verbunden sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie seiner Macht erliegen könnte. Dazu ist sie zu stark im Willen."
„Das hoffe ich." Legolas schien kurz zu überlegen. „Als mir klarwurde, wer sie ist, dachte ich zuerst, nun würde uns das Böse in einer neuen Gestalt heimsuchen. Aber jetzt tut sie mir eigentlich leid. Sie hat alles verloren."
Na vielen Dank auch.
„Lass sie das bloß nicht hören. Mitleid ist mit Sicherheit das Letzte, was sie will. Und ich glaube auch nicht, dass sie das braucht. Sie mag ihren Vater verloren haben, aber sie hat hier doch eine neue Familie gefunden."
„Du hast sie gern, nicht wahr?" Legolas klang nicht wirklich überrascht.
„Das habe ich." Elladan klang nun wieder entsetzlich besorgt. „Versprichst du mir, gut auf sie aufzupassen, Legolas? Ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, sie zu verlieren."
Das glaube ich jetzt nicht. Morwen wusste nicht genau, was sie fühlen sollte. Natürlich, Elladan war ein wichtiger Teil ihres Lebens geworden, doch wenn sie ehrlich zu sich war, so hatte sie seit Tauriels Weggang versucht, niemanden zu tief in ihr Herz zu lassen.
„Hannon le." Es schien, als habe Legolas zugestimmt. „Ich weiß, sie kann gut auf sich aufpassen, aber es beruhigt mich, dass du ein Auge auf sie haben wirst, Legolas."
„Wenn sie erfährt, dass ich auf sie aufpassen soll, bekommt einer von uns mächtig Ärger mit ihr", überlegte der blonde Elb nun.
Morwen lächelte unwillkürlich. Ich bin wirklich gespannt, wie er auf mich aufpassen möchte. Leicht wird das bestimmt nicht. Aber dass Elladan sich so sehr um mich sorgt, hätte ich niemals gedacht. Irgendwie ist es schön zu wissen, dass jemand mich gernhat.
Leise, um den beiden Elben nicht doch im letzten Moment noch aufzufallen, schlich Morwen zurück Richtung Waldrand.
Von dort aus ging sie dann zurück in ihr Zimmer, das ihr bei jedem Besuch in Imladris zur Verfügung gestanden hatte. Wie früher trug sie noch ihren schwarzen Waffenrock aus Leder, doch mittlerweile war ihre Kleidung doch etwas farbiger geworden.
Lächelnd legte sie das dunkelblaue Lederwams an, die ihren Oberkörper noch zusätzlich schützen sollte. Elladan hatte es ihr vor einiger Zeit geschenkt, doch da sie sich meist im Auenland aufgehalten hatte, trug sie es nun zum ersten Mal.
Auch ein weiteres Geschenk des Elben trug sie bei sich. Während an ihrer linken Seite wie gewohnt Nachtklinge hing, war auf der anderen Seite ein schlanker Dolch an ihrem Gürtel befestigt. Elladan hatte ihn ihr wenige Tage vor der Ratssitzung geschenkt. Ich hätte eigentlich längst merken können, dass ich ihm etwas bedeute. Und das auch ich ihn vermissen werde...
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Morwen, Tochter Saurons
FanfictionNachdem ihr Vater Sauron durch Galadriels Macht aus seinem kurzzeitigen Zuhause Dol Guldur vertrieben wurde, ist Morwen allein. Sie muss lernen, sich in einer fremden Welt zurechtzufinden und nach Möglichkeit geheimzuhalten, wer sie wirklich ist. Ab...