Kapitel 53 - Elladan

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Stille lag über dem friedlichen Tal von Imladris, während Elladan langsam seinen Blick über seine Heimat schweifen ließ. Noch war es ruhig, die Bewohner schliefen noch.

„Bruder!" Elrohirs Stimme ließ ihn zusammenzucken.

„Du hast mich erschreckt, Elrohir." Langsam wandte sich Elladan um. „Ich dachte nicht, dass du zu dieser Zeit schon durch Imladris wanderst."

Elrohir blickte ihn prüfend an. „Wann war die letzte Nacht, in der du ruhig geschlafen hast, Bruder?"

Elladan schwieg. In der Nacht, bevor der Entschluss fiel, dass Morwen an dieser Mission teilnimmt. Bevor sie sich in diese Gefahr begeben musste.

„Ich kann auch für dich antworten, Elladan." Elrohir sah ihn besorgt an. „Bestimmt schon nicht mehr, seit die Gemeinschaft aufgebrochen ist. Du hast den gleichen Gesichtsausdruck wie unsere Schwester, weißt du das?"

„Arwen", murmelte Elladan, „ja, ich denke ich weiß, wie sie sich fühlt."

„Aber du weißt auch, dass Morwen stark ist. Sie kann auf sich aufpassen, das musste sie lange genug."

„Ich habe Legolas gebeten, ein Auge auf sie zu haben", gab Elladan verlegen zu, „doch trotzdem finde ich keine Ruhe." Nicht mit diesen Träumen.

„Und jetzt hast du einen Gesichtsausdruck, den ich von ada nur zu gut kenne." Elrohir runzelte die Stirn. „Du hast doch nicht etwa die Gabe der Voraussicht geerbt?"

„Wenn ich das wüsste." Elladan verzog das Gesicht. „Dann könnte ich es einordnen."

„Du hast also etwas gesehen, das dir keine Ruhe lässt? Sprich mit ada, er wird dir bestimmt helfen, es zu verstehen. Geh am besten gleich zu ihm, er ist schon wach."

„Woher weißt du das?", fragte Elladan überrascht.

„Nun, er war es, der mir verraten hat, wo du bist." Elrohir wandte sich zum Gehen. „Nun geh schon."

Während Elladan durch die sonnendurchfluteten Gänge lief, versuchte er seine Gedanken zu ordnen. Bisher waren es nur Ahnungen, kleine Gefühle, aber letzte Nacht... Ich weiß nicht, was das sein könnte. Nie zuvor habe ich etwas vergleichbares gespürt.

„Du bist also gekommen, mein Sohn." Natürlich erwartete Elrond ihn längst. „Setz dich zu mir."
„Ada." Elladan ließ sich neben ihn auf einer Bank nieder.

„Dein Bruder hat dich also gefunden." Elrond nickte zufrieden.

„Woher wusstest du, wo ich sein würde?", fragte Elladan verwundert.

„Nichts in diesem Tal geschieht, ohne dass ich davon weiß. Außerdem bist du in letzter Zeit sehr oft dort oben zu finden. Besonders zu Zeiten, zu denen du früher geschlafen hast." Elrond blickte seinen Sohn liebevoll an. „Was beschäftigt dich so sehr, Elladan?"

„Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll", setzte Elladan unsicher an, „es... nun, es sind eine Art Träume, die sich anders anfühlen. Als wären es nicht meine eigenen."

„Was zeigen sie dir?" Elrond zog die Augenbrauen zusammen.

„Vor zwei Nächten war alles still. Vollkommen still und schwarz und eiskalt. Ich hatte Angst, aber dann habe ich jemanden neben mir gespürt, so vertraut, und diese Person hatte keine Angst, sie ließ sich einfach in diese Stille fallen."

„Und du bist nun besorgt, dass es sich bei dieser vertrauten Person um Morwen handelt", vermutete Elrond.

Elladan nickte. „Ich glaube schon. Ada, was, wenn der Gemeinschaft irgendetwas zugestoßen ist? Was ist, wenn sie nicht wiederkommen?"

„Wenn sie scheitern sollten, werden wir das früh genug erfahren", murmelte Elrond mit Sorge im Blick, „ich habe nichts Ähnliches gesehen, doch das muss nichts bedeuten. Aber ist es nur das, was dich besorgt?"

Elladan schüttelte den Kopf. „Heute haben mich Flammen geweckt. Heißer und mächtiger als jedes Feuer, das ich je gesehen habe. Ein dumpfes Grollen in der Ferne. Ada, ich glaube, sie sind in großer Gefahr. Morwen ist in großer Gefahr", sprach er schließlich den Gedanken aus, der ihn kaum noch schlafen ließ.

„Bereust du es, dass du sie hast gehen lassen?"

„Ich weiß es nicht, ada. Sie musste, niemand hat ihr Wissen, aber ich denke..." Elladan verstummte und sein Blick wanderte durch den Raum, bis er das Fenster fand und sich auf die Ferne richtete.

„Du denkst, du hättest sie begleiten sollen, nicht wahr?" Wärme stand in Elronds Augen. „Ich weiß doch, was sie dir bedeutet."

„Glaubst du, ich könnte sie finden, wenn ich noch heute aufbreche?", fragte Elladan leise.

„Ich weiß nicht, welchen Weg sie letztendlich wählen werden", gab Elrond zu bedenken, „doch ich zweifle nicht, dass es dir gelingen könnte, wenn du dich von deinem Herzen leiten lässt."

„Du meinst, ich darf gehen?" Elladans Augen begannen zu leuchten.

Elrond schmunzelte. „Seit wann bittest du mich um Erlaubnis?" Dann wurde er wieder ernst.

„Ja, mein Sohn, wenn du das möchtest, dann folge ihnen. Finde sie, finde Morwen und gib gut auf sie acht. Ich fühle doch, dass dein Herz sich längst für sie entschieden hat."

„Hannon le." Elladan umarmte seinen Vater. „Wirst du Elrohir von mir auf Wiedersehen sagen? Ich will den Tag nutzen."

Elrond nickte. „Geh schon, und geh mit dem Segen der Valar."

Elladan erhob sich und machte sich auf den Weg, schnell die notwendigen Dinge einzupacken. Doch kaum war er ein paar Schritte weit gekommen, als er seinem Bruder in die Arme lief.

„Elrohir, ich muss einfach gehen." Jetzt, da er mit seinem Vater gesprochen hatte, drängte es Elladan, so schnell wie möglich aufzubrechen.

„Ich weiß", erwiderte Elrohir nur. Dann machte er einen Schritt beiseite und gab den Blick auf fertig gepackte Taschen frei. „Ich habe alles vorbereitet, ich dachte es mir schon."

Elrond war auf die Stimmen aufmerksam geworden und trat neben seine Söhne. „Es ist gut, wenn du deinen Bruder begleitest", stimmte er zu.

„Nun komm." Elrohir stieß seinen Bruder sanft an. „Wir wollen doch keine Zeit verlieren."

„Stimmt." Elladan nickte. „Lass uns aufbrechen."


Morwen, Tochter SauronsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt